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Der loyale Dr. Watson

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Offenbach ‐ Der Langhaarige, der in Martina Schöps florierendem Unternehmen die Qualitätskontrolle macht, ist eher der wortkarge Typ. Er hat eigene Methoden, seinen Bericht abzuliefern. Von Marcus Reinsch

Setzt ihm die Chefin ein marktreifes Produkt vor, schlingt er es herunter. Leere Schüssel: Test bestanden, volle Schüssel... Naja, eigentlich passiert das den Neuentwicklungen bei Schöps’ Feinkost selten. Schon rassebedingt will Dr. Watson Höherrangigen unbedingt gefallen. Doch er ist auch als abhängig Beschäftigter ein anspruchsvoller Kritiker geblieben. Kann ja immerhin ein paarhunderttausendmal besser riechen als ein Mensch, so ein Hund.

Als solcher hat Dr. Watson die Ruhe weg. Von seinen Anlagen her; ein Elo gilt als sanftmütiges Familientier mit guten Anlagen als Rettungs- und Blindenhund. Aber auch, weil er seine Toleranz schon bei einigen dieser Hundemessen geschult hat. Was am Wochenende in den Offenbacher Messehallen an seinem Platz hinter dem Stand der Hundekeksbäckerei von Frauchen Martina und Herrchen Jürgen vorbeiläuft, -duftet, -lärmt, scheint Dr. Watsons Loyalität zumindest auf keine besonders harte Probe zu stellen.

„Mein Hund in der Pubertät“

Da plagen manchen Artgenossen ganz andere Versuchungen. Nicht in Sachen Schöpsscher Selbstdarstellung; die gelernte Konditorin präsentiert ihr Repertoire von allen künstlichen Zusätzen befreiter Hundeleckerlis fairerweise auf Tischen über Hundenasenniveau. Aber zwei Ecken weiter, da lauert in Gestalt einer flachen Mauer aus großen roten Kisten die tierische Entsprechung der Supermarktkassentaktik, Suchtmittel prominent auf Zielgruppenhöhe zu platzieren. Zweibeiner, die sich hier vorbei wagen, dürfen sich angesichts des plötzlich übermächtigen Links- oder Rechtsdralls ihrer Vierbeiner als fast ebenso arme Schweine wie die unfreiwilligen Spender all der feilgebotenen Ohrmuscheln, Kopfhäute und sonstigen halloweentauglichen Überbleibsel gemeuchelter Rüsseltiere fühlen. Einen Hund zum Vegetarismus zu bekehren, das hat eben noch keiner geschafft.

Und das will auch keiner. Obgleich der Mensch sich zwischen all den Gleichgesinnten gerne auf Gedanken über Erziehungsfragen einlässt. Organisatorin Astrid Krauß hat Experten geladen. Erik Kersting zum Beispiel, Chef einer Hundepension am Rande der Eifel, referiert gerade darüber, was ratsam sei, wenn „Mein Hund in der Pubertät“ ist. Vorher hat er auf Aktionsfläche 2 „Spaß mit dem Hund“ in der Theorie erklärt, während auf Aktionsfläche 1 sechs- bis vierundzwanzigbeinige Gespanne das erste Dogdance-Turnier des Wochenendes nach offiziellem Reglement bestritten. Vielleicht ist ja Hundetanz nicht nur Spaß mit, sondern auch welcher für den Hund.

Freundschaft zwischen Mensch und Hund

Ein Vielleicht, das die nicht weit vom gruseligen Knochen- und Knorpelkabinett postierte Miriam Arndt-Gabriel im Einzelfall wohl in ein klares Ja oder Nein verwandeln könnte. Obwohl Fachleute ihrer Profession üblicherweise eher für existentielle Fragen als für Antworten zuständig sind.

Die junge Frau firmiert in Frankfurt als „die Hundephilosophin“, seziert an Diskussionsabenden beispielsweise das Mysterium echter Freundschaft zwischen Mensch und Hund. Was ebenso wie die Schulung im „Gedankenlesen“ vom Eindruck her erstmal auf eine falsche, esoterisch angehauchte Fährte führt. Die Philosophin ist auch studierte Hundepsychologin und damit Teil einer Branche, die selbst bei wenig grüblerischen Herrchen seit Jahren mächtig an Renommee zulegt. Insofern dient Arndt-Gabriel in ihren Seminaren und Verhaltensschulungen vor allem als ganz der Praxis verpflichtete Dolmetscherin all der Hundesignale, die der Mensch so gerne nicht sieht oder versteht.

Anschauungsmaterial gibt es bei der Messe genug. Gegenüber am Areal der Tierfotografen Alexandra Donges und Ralph Benz etwa kommunizieren einige schwanzwedelnde Fotomodelle ihre Unlust an der Knipserei per Fluchtversuch. „Wenn die Kamera voll draufgerichtet ist, ist das wie Anstarren. In der Hundesprache bedeutet das etwas sehr Aggressives“, übersetzt die Psychologin und vermutet: „Die meisten sind gestresst, wollen eigentlich gar nicht hier sein.“

Trend bei Haustieren geht zur Feuerbestattung

Bordercollie Summit allerdings will. Und er will Beute, die für ihn aus den unzähligen Frisbeescheiben am von Cornelia Sawicki und Jürgen Bartz besetzten Stand besteht. Bartz erklärt die Sache mit dem Hundefrisbeesport gleich mal auf der Aktionsfläche: Um dem Tier begreiflich zu machen, dass es nicht Bällchen spielen, sondern die Scheibe aus der Luft schnappen soll, muss der Jagdtrieb quasi konfiguriert werden. Das fängt mit einfachem Wegrollen des Frisbees an und endet, zumindest bei Cornelia und Jürgen und der Bordercolliedame Jackie, erst mit der Europameister- und der Vizeweltmeisterschaft in Amerika. Da wird der Mensch zur Sprungschanze und zum Choreographen. Der wirft die grundsätzlich bitte biegsame Scheibe in einer von 178 Variationen der sechs Grundtechniken stets so, dass der Hund einfach hinterher muss. „Beute, die nicht flüchtet, ist keine Beute“, sagt Jürgen. „Es gibt ja auch keinen Hasen, der so doof ist, auf einen Hund zuzurennen.“

Die Standbetreiber hier wissen aus langer Messeerfahrung, wie sie Neugierigen ihre Botschaft übermitteln. Richard Reiber und Dieter Brenneis („Sie denken also schon an später…?“) von „Sonnen-aue Tierbestattungen“ haben auf ihrem Tisch Urnen aufgereiht, weil der Trend bei Haustieren ebenso wie bei Menschen zur Feuerbestattung geht. Was manchen ein Trost sein mag: Im Gegensatz zur Schwiegermutter darf der Golden Retriever nach der Kremierung im Wohnzimmer aufbewahrt werden.

Katzenklo mit Dunstabzugshaube

Weiter hinten sind ganz irdische Bedürfnisse Thema. Die Technischen Werkstätten von Ulrich Meißner zeigen ihr Waffenarsenal gegen Fellverknotung und Wasserscheu - unzerstörbare Bürsten, Schermaschinen, den Standfön mit 1800 Watt für 499 Euro und, ein Exot auf der Hundemesse, das Katzenklo mit Dunstabzugshaube.

Dr. Watson, der ein paar Meter entfernt auf die Kekstüten und Backmischungen der Schöps’ aufpasst, ist all der für Menschen tatsächlich horizonterweiternde Trubel um paillettenbesetzte Mäntelchen, Leinenkollektionen, Farb- Licht- und Lasertherapien und den Internetsender Gassi-TV reichlich Wurst. Und falls er sich einen Sherlock Holmes an seine Seite wünscht, obwohl das hier nur eine Spürnase unter vielen wäre, so lässt er sich‘s sich nicht anmerken.

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