Kampf gegen Fluglärm: Notfalls bis nach Europa

Offenbach - Seit Oktober 2011 stöhnt Offenbach unter dem Lärmteppich, den das Land und seine Fraport mit der Landebahn Nordwest über die Stadt gebreitet haben. Das Schreckensszenario hat die Stadt früh zur zeitigen Einleitung diverser rechtlicher Schritte veranlasst. Von Thomas Kirstein
Die für Offenbach fatale Ausbauvariante war freilich nicht zu verhindern. Aber die verwaltungsjuristischen Angriffslinien, die sich die Stadt schon seit 13 Jahren bislang 2,89 Millionen Euro hat kosten lassen, sind inzwischen hinsichtlich ihrer Zielrichtungen nur noch schwer überschaubar.
Zwecks Darstellung des Sachstands bittet die Stadt regelmäßig zu Informationsveranstaltungen mit den beauftragten Anwälten. So finden sich am Mittwochabend gut 150 Interessenten im Stadtverordnetensaal ein. Was sie unter anderem vom Flughafendezernenten, Bürgermeister Peter Schneider (Grüne), erfahren: Notfalls führt der Weg der Verfassungsklagen bis vor den Europäischen Gerichtshof.
Viele Protagonisten des Kampfs gegen den Fluglärm sind an diesem Abend dabei; an fundierten Fragen und vertrautem Fachvokabular lässt sich der bei Veranstaltungen und Montags-Demos am Flughafen erworbene Wissensstand einer engagierten Gruppe erkennen. Erbeten sind von den Fachleuten meist vertiefende Details.
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Dr. Rainer Geulen, versierter Verwaltungsrechtler, vertritt die Stadt, Ursula Philipp-Gerlach ist die Prozessbevollmächtigte der Offenbacher Klagegemeinschaften. Letztere sind das Klinikum, elf Kläger der Offenbacher Wohnungswirtschaft, der evangelische Gemeindeverband und die aus 16 ausgewählten Bürgern bestehende Klagegemeinschaft „Gerechtigkeit für Offenbach“.
Mit Offenbach sind Verwaltungsgerichte mehrfach beschäftigt: Eine Klage richtet sich gegen die „Planklarstellung“, mit welcher der damalige hessische Wirtschaftsminister Dieter Posch den Flughafenausbau zementierte, eine „Anhörungsrüge“ gegen das die Planfeststellung für den Airport für rechtens befindende Urteil des Bundesverwaltungsgerichts (BVG) vom April 2012, dagegen bestehen auch Verfassungsbeschwerden, eine Klage hat die Verlegung von Flugrouten zum Ziel. Wann zugelassen wird oder gar entschieden wird, ist offen. Offenbachs Anwälte sind indes der Ansicht, dass entgegen kürzlich für Landes-SPD und Grüne erstellter Gutachten weiter Chancen auf Veränderungen bestehen.
Menschenkette gegen Fluglärm
Geulen sieht die Landesregierung in Korrekturpflicht, unter anderem weil die Baugenehmigung für den Flughafen fehlerhaft und das BVG-Urteil bezüglich der Belastung in den Nachtrandstunden nicht ordnungsgemäß umgesetzt worden sei.
Teilnehmer fordern von der Stadt, bei den entsprechenden Stellen die „Durchlöcherung des Mini-Nachtflugverbots“ zur Sprache zu bringen oder gegen nur aufgrund von Berechnungen bestehende und nicht gemessene Lärmgrenzen zu klagen. Thema ist auch die Herausforderung, Flugrouten nach Möglichkeit ums dicht besiedelte Offenbach zu leiten.
Am Ende fordern die Fluglärminitiativen eine bessere Verzahnung mit der Stadt. Man vermisst etwa den Magistrat bei Montags-Demos. Bürgermeister Schneider verspricht Besserung, wenn es die Termine zulassen.