Wo Nordend und Hafen zusammenwachsen sollen

Offenbach - Frankfurt und Offenbach sollen zusammenwachsen, nachbarschaftliche Vorteile nutzen. Das Gleiche gilt fürs urbane Nordend und das moderne Hafenviertel. Von Sarah Neder
Beim ersten „Frankfurt Offenbach Lab“ des Urban Land Instituts war diese schwierige innerstädtische Verkupplung Thema. Wie eine Gruppe Touristen marschieren die Investoren durch Hinterhöfe, bestaunen Backsteinwände, finden Fossilien der Industriekultur. „Hier sieht’s ja aus wie im Osten“, entfährt es einer Frau in schwarzer Steppjacke beim Anblick von unverputzten Fassaden, Wäscheleinen und Satellitenschüsseln. Doch das, was vor ihren Augen liegt, ist nicht Ostdeutschland, schon gar nicht Osteuropa, sondern das Offenbacher Nordend. Dessen rauer, urbaner Charme soll die Tagungsbesucher des Urban Land Instituts (ULI) von Offenbach überzeugen.
Das Institut hat gestern zum sogenannten „Frankfurt Offenbach Lab“ (englisches Kurzwort für Labor) in die Heyne-Fabrik eingeladen. Gekommen sind etwa 100 Gäste, die meisten Stadtplaner, Bauunternehmer, Architekten, Investoren. Diese Tagung ist Treffpunkt, Plattform, Netzwerk, Sehen und Gesehen werden für all jene, die das Zusammenwachsen Frankfurts und Offenbachs begrüßen. Bei der Führung „Vom Hafen nach Downtown“ wollen die Veranstalter schon mal zeigen, wie das innerhalb der Stadtgrenzen funktioniert. Die Brüder Oliver und Nicolas Kremershof von der Offenbacher Agentur Urban Media Project zeigen den Ortsfremden den Stadtteil zwischen Nordring und Berliner Straße. „Das Nordend ist das urbanste Viertel“, meint Oliver Kremershof.
Die über viele Jahre gewachsene, dichte und alte Bebauung mache das Städtische aus, das man im neuen Wohngebiet am Main so nicht finde, verdeutlicht er. Im Nordend suche man dafür Grünflächen vergeblich. „Die finden Bewohner bald am Hafen“, ergänzt Bruder und Kollege Nicolas, der einige Jahre an der Ecke von André- und Ludwigstraße gewohnt hat.
Genau dort legt die Gruppe einen Stopp ein. „Man sagt, das ist der härteste Block Offenbachs“, munkelt Nicolas Kremershof und deutet auf den heruntergekommenen blass-rosa Wohnriegel hinter ihm. Dieser liegt direkt gegenüber der ehemaligen Heyne-Fabrik, wo sich hippe Agenturen und Designstudios aneinanderreihen und der Quadratmeterpreis mit der höchste in der Stadt ist. Solche Unterschiede seien symptomatisch fürs Nordend, mit dem es in den vergangenen Jahren etwas abwärts gegangen sei, erläutert Kremershof. „Durch das Hafenviertel erhofft man sich schon eine Aufwertung.“ Die Zuhörer nicken. Wenn das neue Domizil der Hochschule für Gestaltung erst einmal am Hafen stehe, fährt Oliver Kremershof fort, werde die Ludwigstraße zu einer Kreativmeile. Agenturen, Designbüros spicken jetzt schon den Weg.
Eine weitere Verbindung, wenn auch nur eine optische, ist die Blickachse Taunusstraße. Selbst am oberen Ende sehen die Führungsgäste den blauen Hafenkran und die frisch gebauten Gebäudeklötze dahinter. Nicolas Kremershof glaubt, es werde trotz nächster Nachbarschaft lange dauern, bis beide Quartiere miteinander verschmelzen. „Das ist ein Prozess, der in den Köpfen der Menschen stattfindet.“ Ein Beispiel sei das Hafenzentrum, das noch auf Kundschaft warte.
Großer Optimist bei diesem Thema ist Oberbürgermeister Horst Schneider. „Die Hafenschule wird eine wichtige Schnittstelle sein“, glaubt er. Wenn erstmal die Bauzäune weg sind und der Park da ist, werden die Bewohner des Nordends kommen, ist sich Schneider sicher. Die Bereicherung sei jedoch keinesfalls einseitig. Das Quartier gegenüber biete nicht nur Kundschaft, sondern auch Arbeitsplätze etwa in der Kreativbranche. Schneider ist sogar der Meinung: Kein Viertel lebt ohne das andere. „Der Hafen und das Nordend werden zusammen zu einem großen, in sich funktionierenden Stadtteil wachsen.“