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GOAB versucht sich vor Insolvenz zu retten

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Aus ganz Hessen kommt Elektroschrott – wie hier ausgediente Kühlschränke – zur GOAB nach Offenbach und wird zur Rohstoffgewinnung ausgeschlachtet. Doch sinken die Erlöse. Auch weil durch die Streichung der dort früher angebotenen Ein-Euro-Jobs auf teurere Arbeitskräfte zurückgegriffen werden muss. - Fotos: Georg
Aus ganz Hessen kommt Elektroschrott – wie hier ausgediente Kühlschränke – zur GOAB nach Offenbach und wird zur Rohstoffgewinnung ausgeschlachtet. Doch sinken die Erlöse. Auch weil durch die Streichung der dort früher angebotenen Ein-Euro-Jobs auf teurere Arbeitskräfte zurückgegriffen werden muss. © Georg

Offenbach - Es steht nicht gut um die Gemeinnützige Offenbacher Ausbildungs- und Beschäftigung-GmbH (GOAB). Wie gestern berichtet, müssen verschiedene Räder ineinandergreifen, um eine Insolvenz der Stadt-Tochter zum Jahreswechsel abzuwenden. Von Thomas Kirstein

Ein schon länger vom Magistrat angemahntes Konzept der Geschäftsführung lag gestern Abend dem Aufsichtsrat vor.

Die GOAB-Leitung um Jürgen Schomburg plant harte Einschnitte. Betriebsbedingte Kündigungen und nicht mehr verlängerte Zeitverträge sollen das Stammpersonal von 85 auf höchstens 55 Köpfe reduzieren, Sozialplan und Interessensausgleich sind mit dem Betriebsrat zu verhandeln. Den verbleibenden Verwaltungsleuten, Pädagogen, Technikern, Meistern, Fahrern, Ausbildern von schwervermittelbaren Jugendlichen und Betreuern von Langzeitarbeitslosen mutet die Geschäftsführung zu, auf 20 Prozent des Gehalts zu verzichten. Weniger schmerzlich dürfte eine einmonatige Verschiebung des Weihnachtsgelds ausfallen.

Bauabteilung bereits geschlossen

Das Recyclingzentrum an der Mühlheimer Straße, das jährlich 10.000 Tonnen Elektroschrott aufbereitet, wird in seiner gegenwärtigen Form nicht bestehen bleiben. Entweder ein Externer, etwa der Stadtdienstleister ESO, übernimmt oder es bleibt nur die Schließung: Personalintensive Methoden und Preisverfall bei Altmetall lassen die Rentabilität drastisch sinken. Die Bauabteilung, die viele Aufträge für die Stadt erledigte ist bereits geschlossen. Weitere Abteilungen können folgen. Übrig bliebe eine Rumpf-GOAB, die sich auf die Ausbildung junger Leute ohne genügendem Schulabschluss in Metallberufen oder in der Fahrradwerkstatt konzentriert.

1985 gegründet, um Langzeitarbeitslose zu beschäftigen und nach Möglichkeit wieder in den ersten Arbeitsmarkt zu bringen, erhielt die GOAB bis Mitte der 90er jedes Jahr umgerechnet 300 000 Euro von der Stadt. Dann trug sie sich lange selbst. Der Löwenanteil der Einnahmen kam über vom Bund bezahlte Eingliederungsmaßnahmen, die von Arbeitsagentur und Jobcenter vergeben wurden. Diese Quelle versiegte seit 2010 zusehends, der Bund schrumpfte die Mittel innerhalb von drei Jahren von sechs auf drei Milliarden bundesweit. Andere Träger des zweiten Arbeitsmarkts überleben nur dank Subventionen ihrer öffentlichen Gewährsträger.

Harte Einschnitte reichen nicht

Die Stadt Offenbach wird nicht so einfach einspringen können. Der zuständige Dezernent, Stadtrat Dr. Felix Schwenke (SPD), hält sich mit einer Bewertung des vorliegenden Konzepts zurück, bestätigt nur: „In der GOAB laufen Planungen für umfangreiche Strukturierungen.“

Dass die allein nichts helfen werden, weiß auch Geschäftsführer Jürgen Schomburg. Seit den Einbrüchen der vergangenen drei Jahre – 2010 hatte man noch 600 Beschäftigte, 2012 nur noch die Hälte – sind die Rücklagen der GOAB so gut wie aufgebraucht. Die übrigen 800.000 Euro werden für 2013 gebraucht. Um die Pleite zu verhindern, reichen die harten Einschnitte allein nicht aus. Es wird geschätzt, dass die Stadt für Kredite über anderthalb Millionen bürgen müsste. Jedoch gilt die Bürgschafts-Linie der selbst mit einer Milliarde verschuldeten Schutzschirm-Kommune als ausgereizt: Ob also der Regierungspräsident eine Geldspritze zulässt, ist fraglich.

2010 durfte Jürgen Schomburg das Silberjubiläum des Sozialbetriebs feiern, den er seit 1992 leitet. In Hochzeiten arbeiteten bei der GOAB bis zu 600 „Maßnahmebeschäftigte“. 2012 waren es nur noch 300. Auch die Zahl der Auszubildenden, einst bis zu 140, hat sich mehr als halbiert.
2010 durfte Jürgen Schomburg das Silberjubiläum des Sozialbetriebs feiern, den er seit 1992 leitet. In Hochzeiten arbeiteten bei der GOAB bis zu 600 „Maßnahmebeschäftigte“. 2012 waren es nur noch 300. Auch die Zahl der Auszubildenden, einst bis zu 140, hat sich mehr als halbiert. © Georg

Ohnehin scheint im Offenbacher Rathaus die Alternative einer geordneten GOAB-Insolvenz keine Horror-Perspektive zu sein. Das weiß auch Jürgen Schomburg: „Wir müssen glaubhaft darlegen, dass die GOAB kein Fass ohne Boden ist.“ Ein von Ballast befreiter Sozialbetrieb, so glaubt er, könnte sich ab 2015 wieder selbst tragen. Dazu wäre aber die Bereitschaft des Rest-Personals zu satten Gehaltseinbußen notwendig. Und danach sieht es momentan nicht aus. Betriebsratsvorsitzender Klaus-Dieter Diener registriert bedrückte Stimmung und eher ablehnende Haltung seiner Kollegen: „In den unteren Gehaltsstufen kommt man da leicht auf Sozialhilfeniveau, in den mittleren sind 700 Euro im Monat weg.“ Man müsse die GOAB erhalten, sagt Diener, aber nicht um jeden Preis. Es gebe genügend Beispiele, wo Lohnverzicht letztlich nichts geholfen, sondern nur das spätere Arbeitslosengeld gemindert habe.

Entlassung von rund 30 Angestellten

Bei der Entlassung von rund 30 Angestellten befürchtet der Betriebsrat, dass die Gelegenheit genutzt werde, sich von „betriebstreuen, also teuren“ Mitarbeitern zu trennen. Chef Schomburg erklärt dagegen, das Konzept sehe vor, Leute zu behalten, „die in der Lage sein werden, ihre Funktionen zu erfüllen“.

Einem Gehaltsverzicht mag auch die Gewerkschaft Verdi nicht zuraten. Gerhard Abendschein, Landesfachbereichsleiter Kommunen, äußert „hohe Zweifel, dass das der richtige Weg ist“. Er hat den Eindruck, dass da der Schwarze Peter an die Mitarbeiter weitergereicht werden soll. Sowieso sei letzlich entscheidend, wie sich der Gesellschafter, also die Stadt verhalten dürfe.

Die Arbeitnehmervertreter bedauern, dass Zeitdruck und der Eindruck der Kompromisslosigkeit entstanden sind. „Man hätte schon vor einem Jahr entscheiden müssen, das ordentlich abzuwickeln“, meint Verdi-Mann Abendschein. Für Betriebsrat Diener hätte die Geschäftsführung schon früher aktiv werden müssen. Auch in Magistrat und Aufsichtsrat wird Säumigkeit beklagt.

Geschäftsführer Schomburg räumt ein, im ersten Jahr der Bundesmittel-Schmelze die Schärfe der Konsequenzen unterschätzt zu haben: „Wir haben gedacht, wir könnten uns selber helfen. Das hat getrogen.“ Er ist sich aber auch sicher: Politik und Belegschaft hätten die harten Einschnitte damals noch nicht mitgemacht.

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