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„Weniger Fluglärm für Offenbach!“

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Vom Rathaus zur Post: Wie Eimer bei einer Löschkette wandern Rote-Karten-Packen von Hand zu Hand auf der ersten Etappe ihres Wegs nach Leipzig. © Georg

Offenbach - Jemand verklagt seinen Nachbarn, dass der seinen neuen Zaun entferne. Vor dem Gerichtstermin erzählt der Kläger der Dorfgemeinschaft aber, er hoffe, den Prozess zu verlieren. Denn eigentlich gefalle ihm der Zaun. Auf der Klage beharrt er dennoch. Von Stefan Mangold

Ähnlich wie der widersinnig agierende Prozesshansel benehme sich momentan die Landesregierung, meint Offenbachs Flughafendezernent Paul-Gerhard Weiß. Als „ausgesprochen kurios“ bewertet der Liberale die Position der CDU/FDP-Koalition: „Wir wollen zwar keine Flüge in der Nacht, aber wir klagen dafür.“

Weiß spricht bei einer Aktion in der Innenstadt, bei der 7000 Rote Karten gegen Fluglärm auf den postalischen Weg nach Leipzig gebracht werden, wo das Bundesverwaltungsgericht ab 13. März über die Genehmigung der Flughafenerweiterung verhandelt.

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Ein per Mediation erklärtes Recht auf nächtliche Stille am Himmel hatte die schwarz-gelbe Koalition gekippt. Dem widersprach der Hessische Verwaltungsgerichtshof in Kassel. Weshalb die Regierung beim Bundesverwaltungsgericht in Leipzig Revision einlegte. Nun wünscht sich Ministerpräsident Volker Bouffier jedoch öffentlich, in Leipzig die nächste Klatsche zu kassieren. Inzwischen erklärt er, ebenfalls für ein Nachtflugverbot zu sein. Doch wolle die Landesregierung die Revision trotz kollektiven Sinneswandels weiter laufen lassen: „Um Rechtssicherheit zu erhalten.“ Oberbürgermeister Horst Schneider (SPD) verdächtigt am Samstag die christlich-liberalen Koalitionäre gleich mal, „im Hinblick auf die nächste Landtagswahl aus taktischen Gründen umzufallen“.

Nachtflugverbot als Streitthema

Über den ganz frischen pointierten Antrag von Rechtsanwalt Dr. Reiner Geulen, der Offenbach im Flughafenstreit vertritt, die Revision des Landes gegen das Nachtflugverbot als unzulässig abzulehnen, freuen sich Schneider und Weiß fast spitzbübisch. Der Berliner Advokat argumentiert nämlich, die Regierung habe ihre Gegenrede mittlerweile auf sämtlichen Marktplätzen widerrufen. Was bedeute, „die Revision ist nicht mehr begründet“. Ein Gericht müsse Streitereien entscheiden, nicht rechtlich Interessierten als juristische Auskunftsdatei dienen.

Wie Leipzig den Antrag bescheiden wird, ist ungewiss. Die 300 Bürger, die um 5 nach 12 eine Menschenkette bilden, um ein Paket zur Post zu bringen, wollen das sowieso nicht abwarten. Adressat der schweren Sendung ist die IV. Kammer des Bundesverwaltungsgerichts.

„Rote Karte für die Planfeststellung!“

Vom Rathaus bis zum Aliceplatz reichen die Leute einander Bündel unterschriebener Papiere. „Rote Karte für die Planfeststellung! Weniger Fluglärm für Offenbach!“, lautet die darauf notierte Forderung. Nadine Stockmann, die Vize-Vorsitzende der Offenbacher SPD, schätzt ungefähr 7000 Karten, die der Oberbürgermeister am Ende am Schalter aufgibt. Das seien jedoch „lange nicht alle“, die sich in den nächsten Tagen im Leipziger Gerichtsgebäude stapelten. Die Stadt habe 20 000 Karten ausgegeben. Viele hätten die Menschen selbst frankiert und eingeworfen. Eva Reiß, Dekanin der evangelischen Gemeinden in Offenbach und Moderatorin des samstäglichen Protestes, freut sich über eine Frau, die ihr „eben fürs Porto zehn Euro“ gegeben habe und dankt der Trommlergruppe Kobanga aus Rumpenheim, die rhythmisch die Aktion begleitet.

Ingrid Wagner, Vorsitzende der Bürgerinitiative Luftverkehr, hält die Roten Karten keineswegs für rein symbolisch. Das Gericht sei berufen, Interessen abzuwägen, „zwischen den wirtschaftlichen und den menschlichen nach Schlaf und Ruhe einer ganzen Region“. Deshalb sei es wichtig, wenn die Verwaltungsrichter Resonanz von denen bekämen, „die der selbe Krach quält, der dem Betreiber den Gewinn erhöht“.

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