Bombensicheres Versteck entdeckt

Dietzenbach - Stefan Watzinger staunte nicht schlecht, als er beim Umgestalten seines Gartens an der Gartenstraße unter Holzbalken und -brettern einer abbruchreifen Hütte auf Stahlbetonteile und Treppen stieß. Von Ronny Paul
13 Stufen und fünf Meter tiefer stand er vor einer stark verrosteten, aber immer noch funktionstüchtigen Tür. Dahinter verbirgt sich ein etwa acht Meter langer, 1,40 Meter breiter und 1,90 hoher Betonbunker. „Das war für mich eine sehr überraschende und unerklärliche, in jedem Fall aber spannende Angelegenheit“, berichtete der Hausbesitzer Dagobert Dobrowolski vom Heimat- und Geschichtsverein.

Watzinger, der das Grundstück an der Gartenstraße im vergangenen April gekauft hat, griff daraufhin zum Telefon und rief Werner Jünger, den langjährigen Vorsitzenden des Geschichtsvereins, an und bat um Mithilfe: „Ich wollte unbedingt Genaueres über den Bunker erfahren.“ Der Verein setzte alle Hebel in Bewegung, um mehr über Watzingers Entdeckung herauszufinden. Ernst Hamann schließlich stieß bei seiner umfangreichen Familien- und Vereinsforschung auf den ehemaligen Besitzer und Bauherrn des Steinberger Bunkers, Anton Spahn. Der 1970 verstorbene Pferdemetzger hatte im März 1944 ein Areal in Steinberg gekauft, nachdem er in Frankfurt ausgebombt wurde.
Nach dieser Entdeckung machte Hamann Spahns Tochter Ingeborg Göbel ausfindig, mit der Ilse und Walter Altmannsberger sowie Dobrowolski Gespräche führten. Göbel erzählte den Dietzenbacher Heimatforschern, dass ihr Vater die Familie in Oberhessen vor den alliierten Fliegerbomben in Sicherheit brachte, bis er Haus, Pferdemetzgerei und vor allem den Bunker in Steinberg fertiggestellt hatte. Göbel beschreibt ihren verstorbenen Vater als energisch und weitsichtig. Frankfurter hätten über ihn gesagt: „Trotz Bomben und Terror kommt Anton immer wieder hervor“, erinnert sich Göbel stolz. Sie habe auch noch gut vor Augen, dass sich ihre Mutter stets gut bekleidet ins Bett legte, um im Falle eines Fliegerangriffs schnell den unterm Haus gelegenen Bunkereingang zu erreichen. Die Stufen unter der Hütte waren der Notausgang; der Haupteingang des Verstecks befindet sich unter Watzingers heutiger Gartenterrasse.
Bunker aus dem zweiten Weltkrieg in Dietzenbach
Jutta Kuchinka vom Stadtarchiv fand schließlich heraus, dass Spahn den Bunkerbau in der zweiten Jahreshälfte 1944 vollendete. „Überraschend ist, dass er im damals vom alten Ortskern weit entfernten und ländlichen Steinberg gebaut wurde“, bemerkt Dobrowolski und verweist auf den einsetzenden Bunker- und Stollenbau im Ortskern nach den nächtlichen Luftangriffen im September 1941. Der Bunker, getarnt durch dicke Holzbalken, Erde und viele Zweige, diente wohl nicht nur den Spahns als bombensicheres Versteck: So sei anzunehmen, dass es eine Gemeinschaft gab, die sich mit Geld, Material und Arbeitsleistung am Bau beteiligte, vermutet Dobrowolski. Watzinger, Berater einer Frankfurter Agentur für Markenkommunikation, möchte den Bunker besenrein säubern und die alten Autoreifen und -felgen entsorgen. Außerdem habe er schon im Scherz daran gedacht, das Versteck „unter dem Motto ,Übernachtungen im Weltkriegs-Bunker’ zu vermieten“.
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