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Fernwärme: Rund 100 Einsprüche gegen neues Preissystem

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In der Müllverbrennungsanlage der EVO in Offenbach wird ein Teil der in Dietzenbach genutzten Fernwärme produziert. J Foto: Häsler
In der Müllverbrennungsanlage der EVO in Offenbach wird ein Teil der in Dietzenbach genutzten Fernwärme produziert. © Häsler

Dietzenbach - Seit Anfang November kommt die Energieversorgung Dietzenbach (EVD) nicht aus den Schlagzeilen heraus. Hintergrund ist das neue Fernwärme-Preissystem. Im Interview stehen EVD-Geschäftsführerin Lena Blazek und Stadtwerke-Prokuristin Nadja Lubrich Rede und Antwort. Von Norman Körtge

Hätten Sie gedacht, als wir Anfang November zusammengesessen haben und ich Sie mit den Aussagen verärgerter Fernwärmekunden konfrontierte, dass es solch einen Aufruhr gibt?

Blazek: Vor der Ankündigung des neuen Preissystems haben wir entsprechende Auswertungen über die Auswirkungen der neuen Preissystematik auf die Fernwärmekosten der einzelnen Anschlussnehmer durchgeführt. Wir hatten hierbei eine sehr weite Spreizung von teilweise deutlichen Preissenkungen sowie -steigerungen in Einzelfällen von mehr als 30 Prozent. Ich hatte auch erwartet, dass insbesondere diese Kunden sich an uns wenden würden. Da die EVD ein junges Unternehmen ist und auch die Geschäftsführung noch nicht so bekannt war, ist erst einmal viel über die Presse gelaufen und wurde nicht direkt mit uns thematisiert. Diese Dimension in der Presse und in den politischen Gremien hätte ich so nicht erwartet.

Lubrich: Hinzu kam, dass es aufgrund der Rekommunalisierung der Wasser- und Fernwärmeversorgung sowie der Übernahme der Bescheiderstellung für Abwasser, Straßenreingung und Abfall zu einigen Änderungen in den Abrechnungen/ Bescheiden und Zuständigkeiten gekommen ist. Veränderungen bringen immer Unruhe mit sich. Für die Kunden waren es viele Änderungen in einem kurzen Zeitraum. Nun kam zum 1. Oktober zusätzlich das neue Preissystem Fernwärme inklusive der Änderung der Preisgleitklausel hinzu.

Im Nachhinein ist man ja bekanntlich klüger: Hätten Sie rückblickend etwas anders gemacht?

B: Wir hätten vielleicht Kunden, die stark von einer Preiserhöhung betroffen sind, im Vorfeld umfangreicher informiert und bereits vorzeitig persönliche Beratungstermine angeboten. Wir haben in den letzten Monaten die Erfahrung gemacht, dass in persönlichen Gesprächen viele Fragen geklärt werden können.

Wie erklären Sie sich, dass zuerst in Dietzenbach Kritik am neuen Fernwärme-Preissystem laut wurde?

B: Da in Gravenbruch, wie in der Presse berichtet, eine Bürgerversammlung zu dem neuen Preissystem Fernwärme stattgefunden hat, gehe ich davon aus, dass dort betroffene Fernwärmekunden auch schon direkt nach Bekanntmachung des neuen Preissystems tätig geworden sind.

L: Es ist möglich, dass die Auswirkungen der Änderung des Preissystems in Dietzenbach zu dem Zeitpunkt weitreichender wahrgenommen wurde, weil die EVD stichtagsbezogen abrechnet. Viele Energieversorger erstellen rollierende Abrechnungen. Wer sich etwa zum 1. Mai angemeldet hat, bekommt zum 30. April die Abrechnung. Beim Nachbarn kann es der 30. Juni sein. Wir haben dagegen eine stichtagsbezogene Abrechnung jeweils zum 30. September für alle Kunden in Dietzenbach. Somit waren für alle Kunden das Preissystem und dessen Auswirkungen auf die Abschlagszahlungen neu und gleichzeitig spürbar. Mit Versendung der Abrechnungen im Oktober 2015 bestand somit bei vielen Kunden parallel Beratungsbedarf.

Wie viele Widersprüche gegen das neue Preissystem liegen derzeit vor?

Blazek: Derzeit liegen uns rund 100 Einsprüche vor. Diese werden abgearbeitet. Wir bieten weiterhin persönliche Beratungsgespräche an. Manchmal wird dies aber auch seitens der Kunden nicht angenommen. Wir sind dabei, diese Fälle in schriftlicher Form aufzuarbeiten.

Seit Januar bieten Sie erweiterte Sprechstunden im Kundenzentrum an. Wie ist Ihre Bilanz?

B: Die Sprechzeiten wurden von den Kunden gut angenommen. In den Gesprächen stellen wir uns als Geschäftsführung sowie die EVD als Gesellschaft vor. Wir erläutern den Kunden die letzte Abrechnung inklusive Vorauszahlungsberechnung mit der Systematik des neuen Preissystems und besprechen die individuellen Fragen zum Fernwärmeanschluss und -bezug. Wir gehen auch auf die Hintergründe der Anpassung des Preissystems ein. Teilweise vereinbaren wir auch mit unseren Technikern Vor-Ort-Termine, um die Anlageeinstellungen zu überprüfen und näher zu beraten.

Wie haben aus Ihrer Sicht die Kunden reagiert?

B: Ich hatte den Eindruck, dass wir durch die Beantwortung der Fragen ein besseres Verständnis für die Anpassung des Preissystems erreichen konnten. Es ist allerdings nachvollziehbar, dass Kunden, die von erheblichen Preiserhöhungen betroffen sind, diese Mehrbelastung nach wie vor nicht gerne tragen.

Auch städtische Gebäude wie das Rathaus werden mit Fernwärme beheizt. Wie wirkt sich die Kostensteigerung dort aus?

L: Es handelt sich um zwölf Liegenschaften. Neben dem Rathaus sind es einige Kitas, die Feuerwehr, das Bildungshaus und auch die Flüchtlings-Gemeinschaftsunterkunft am Kindäcker Weg. Für die städtischen Liegenschaften gehen wir von einer Preiserhöhung von rund sieben Prozent aus.

Öl- und Gaspreise sinken, die Fernwärmepreise aber steigen...

B: Wir gehören immer noch zu den günstigsten Fernwärmeanbietern in Deutschland. Wenn man die Fernwärme mit anderen Energiearten vergleicht, darf man nicht nur die jährlichen Abrechnungen der Energieversorger vergleichen, sondern muss eine Vollkostenbetrachtung vornehmen, in die sämtliche Kosten eingehen. Also auch die Anschaffung der Heizungsanlage, Wartungs- und Instandhaltungskosten. Ein regelmäßiger Heizkostenvergleich des Energieeffizienzverbandes AGFW, der Öl, Gas, Fernwärme und auch Pellets betrachtet, kommt zu dem Ergebnis, dass Fernwärme durchaus in der Vollkostenbetrachtung mit den anderen Medien vergleichbar ist.

Wie kommt nun der Fernwärmepreis zustanden?

B: Wir unterscheiden zwischen verbrauchsunabhängige Kostenbestandteilen (unter anderem Wartung, Instandhaltung und Ausbau des Netzes) sowie verbrauchsabhängige Kostenbestandteile (im Wesentlichen Kosten für den Wärmebezug). Demnach ergibt sich aus der gesamten Kostenstruktur bei der EVD für die Wärmelieferung der Grund- und Verbrauchspreis gegenüber den Kunden entsprechend dem derzeitigen Preissystem. Aber es gibt ja trotzdem Schwankungen...

B: Das Preissystem der EVD beinhaltet eine Preisgleitklausel. Diese berücksichtigt verschiedene Indizes des Statistischen Bundesamtes, für unter anderem den Kohle- und Gaspreis, für Investitionsgüter und Lohnkosten. Die Änderungen der einzelnen Indizes wirken sich entsprechend steigernd oder mindernd auf den Grund- und Arbeitspreis aus.

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