Suchtprävention mit Witz und Argumenten

Dietzenbach - „Hackedicht“ ist nicht etwa Komiker Eisi Gulp, sondern sein Bühnenprogramm. Gulps Suchtprävention zum Lachen und Nachdenken erleben 170 Achtklässler der Ernst-Reuter-Schule. Von Ronny Paul
„Was gibt es Dümmeres als Zigaretten rauchen? Zigaretten stinken, kosten Geld und bringen überhaupt nichts“, sagt Schauspieler und Komiker Eisi Gulp und ergänzt über stinkende Raucher, das sei, wie „wenn sich zwei Aschenbecher küssen“. Überhaupt komme ja auch keiner auf die Idee, einen tiefen Zug vom Lagerfeuer oder Auspuff zu nehmen. Wo sei da der Genuss beim „Abenteuer Lungenkrebs“? Gulp appelliert an rund 170 Ernst-Reuter-Schüler: „Ihr seid jetzt in dem Alter in dem ihr sagt: ,Wir machen alles anders als die Alten.’ Bitte macht das auch!“
Suchtprävention einmal anders: Gulp strapaziert in eineinhalb Stunden mit teils derben Humor und Slapstikeinlagen die Lachmuskeln der Ernst-Reuter-Schüler. „Hackedicht“ heißt sein Bühnenprogramm, das er Achtklässlern in der Schulmensa präsentiert. Seine Methode: Nicht mit der Brechstange die Risiken von Alkohol- oder Drogenmissbrauch in die Schüler „reinprügeln“, sondern mit in Sketchen verpackten Argumenten überzeugen, Drogenmissbrauch als uncool oder dämlich darstellen und zur maßvollen Selbstverantwortung ermutigen. Dabei spielt er sein schauspielerisches Talent voll aus: Er tanzt, torkelt, brüllt, lallt, flüstert und wechselt die Garderobe.
„Sport ist eine ziemlich preisgünstige Droge“
„Warum trinken wir Alkohol?“, fragt Gulp in die Runde. Ein Schüler zuckt mit den Achseln. „Ach so! Du trinkst gar keinen Alkohol, du kiffst lieber“, legt Gulp dem verdutzten Jungen in den Mund und beantwortet die Frage selbst: „Wir trinken Alkohol, um mal wieder richtig die Sau rauszulassen.“ Kinder könnten ohne Drogen hemmungslos sein, Erwachsene bräuchten dafür scheinbar Alkohol, behauptet Gulp. Dabei gehe es um die Ausschüttung von Endorphinen. Die gebe es auch woanders: „Sport ist eine ziemlich preisgünstige Droge“, sagt Gulp. Ein Marathonläufer spüre nach 35 Kilometern seine Füße nicht mehr. Dafür habe er aber das Gefühl, er könne fliegen. Und um diese Droge zu konsumieren, brauche man lediglich ein paar Schuhe, und die gebe es nicht etwa beim Straßendealer, sondern legal zu kaufen.
„In Hackedicht geht es um den verantwortungsvollen, selbstverantwortlichen Umgang mit Suchtmitteln“, erklärt Christian Briesen vom Deutschen Kinderschutzbund, der das Projekt zusammen mit der Krankenkasse „Knappschaft“ finanziert. In den Genuss der „Hackedicht Schultour“, mit der Gulp seit 2010 bundesweit unterwegs ist, sind laut Briesen bereits rund 19000 Kinder und Jugendliche gekommen. Das sind, angesichts der 1536 Jugendlichen in Hessen, die 2013 laut Drogenbericht des Bundesministeriums wegen Alkoholmissbrauchs stationär behandelt worden sind, noch zu wenig.

Seit diesem Jahr hat die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Marlene Mortler, die Schirmherrschaft der Hackedicht-Schultour übernommen. 2011 war Gulp zum ersten Mal zu Gast in der Ernst-Reuter-Schule (ERS). Schulleiter Georg Köhler freut sich über den erneuten Besuch: „Die Resonanz 2011 von Lehrern und Schülern war sensationell.“ Daher hatte Präventionslehrerin Heike Pritchard die ERS erneut für das Präventionsprojekt beworben. Gulps Programm sei für Achtklässler genau richtig, da es auf die zwei Suchtpräventionstage in den siebten Klassen folge, so Pritchard. Komasaufen oder Kiffen seien an der Gesamtschule kein präsentes Problem – auch, weil es keine Oberstufe gebe. Allerdings seien Shishas oder E-Shishas im Trend, wie Pritchard und Köhler berichten.
Gulp verblüfft ein ums andere Mal mit spontanen Aktionen: Etwa als er einen Besoffenen imitiert und bierseelig dem im Publikum sitzenden Polizeidienststellenleiter Klaus Hofmann um den Hals fällt. Auch andere Drogen wie etwa Crystal Meth und Kokain sind Thema. Gulp warnt, legale Süchte wie Alkohol und Nikotin nicht zu unterschätzen und nur in Maßen zu konsumieren. „Ich bin nun 60 Jahre alt, aber noch fit und kann rumhampeln. Mit Drogen wäre das nicht möglich.“