Wende im Dietzenbacher Fernwärmestreit

Dietzenbach - Das Amtsgericht Offenbach rät der EVO, im Rechtsstreit mit einem Dietzenbacher Fernwärmebezieher einen Verjährungsverzicht zu erklären. Offenbar erwartet das Gericht eine bedeutsame Anzahl an Klagen betroffener Bürger. Von Ronny Paul
Ein Dietzenbacher hat versucht, sich dem Fernwärmemonopol entgegenzusetzen. Seit der Fernwärmepreisanpassung 2012 hat der Kunde sich geweigert, der Energieversorgung Offenbach AG (EVO) den geforderten Mehrbetrag wegen „strittiger Abrechnungsergebnisse“ zu zahlen. Die EVO hat dagegen Klage vor dem Amtsgericht Offenbach eingereicht und 580 Euro Nachzahlung vom Dietzenbacher Fernwärmebezieher gefordert. Zum Verständnis: Bei einem Betrag unter 600 Euro entscheidet der Amtsrichter alleine, das Urteil erlangt Rechtsgültigkeit und der Gang zur nächsthöheren juristischen Instanz ist im Regelfall nicht vorgesehen (wir berichteten).
Allerdings bekam der Fernwärmekunde in etwa zeitgleich mit der eingereichten Klage des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen gegen die EVO Anfang August ein Schreiben, in dem es heißt: Aus wirtschaftlichen Gründen mache es keinen Sinn, den Rechtsstreit fortzuführen. Daher sei die Klägerin, sprich die EVO, bereit, auf den geforderten Betrag endgültig zu verzichten und sämtliche Kosten des Rechtsstreits zu übernehmen. Mutmaßlich, um dem selbst geworfenen Bumerang auszuweichen. Offensichtlich war der EVO die drohende Niederlage vor Gericht zwischenzeitlich peinlich.
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Dazu sagt die EVO: Man habe die erwartete Entscheidung antizipiert und bereits dem Kunden eine Gutschrift über die noch ausstehende Summe von 580 Euro erteilt. „Damit ist für uns der Rechtsstreit beendet“, sagt EVO-Sprecher Harald Hofmann. Warum die EVO das getan hat, erläutert er ebenfalls: „Wir wollten den Fall bereinigen.“ Der Beklagte sei auch kein EVO-Kunde mehr. Jedoch sind Dietzenbacher Fernwärmebezieher seit Oktober 2014 Kunden der Energieversorgung Dietzenbach, an der die EVO 50 Prozent der Geschäftsanteile hält.
Nun hat das Amtsgericht Offenbach schriftlich einen Beschluss gefasst, in dem dem Kläger, sprich der EVO, nahegelegt wird, „schlichtweg einfach auf den Klageanspruch“ zu verzichten. Weiter heißt es, „eine Klagerücknahme ist ohne Zustimmung des Beklagten nicht mehr möglich, da streitig verhandelt wurde“. Der Beklagte allerdings erwartet ein Urteil. Abschließend regt das Amtsgericht an, „dass die Klägerin“ – die EVO – „unabhängig von einer Entscheidung dieses Rechtsstreits einen Verjährungsverzicht erklären sollte, um eine kostenintensive Verfahrensflut zu vermeiden“. Bei einer zu treffenden Entscheidung, heißt es weiter, und das ist wie eingangs beschrieben nicht der Regelfall, müsste „ohnehin eine Berufung zugelassen werden. Gegebenenfalls müsste das Landgericht Darmstadt auch eine Revision zulassen“. Das Amtsgericht erwartet offenbar eine bedeutsame Anzahl an Klagen betroffener Bürger, die es personell nicht bearbeiten kann.
Für die Dietzenbacher und die Neu-Isenburger Interessensgemeinschaften (IG) ist das Wasser auf die Mühlen, der Fall könnte somit als Präzedenzfall gelten. Die IG EVO ruft Fernwärmekunden dazu auf, noch bis Jahresende der Preiserhöhung von 2012 zu widersprechen. Weitere Infos: interessengemeinschaft-evo-ev.de.