Fettsack mit Stimm-Format

Frankfurt - Keith Warner inszeniert Giuseppe Verdis „Falstaff“ an der Frankfurter Oper. In der Hauptrolle glänzt Publikumsliebling Zeljko Lucic. Von Klaus Ackermann
Die Komödien-Stellschraube leicht angezogen, die karikierenden Elemente der Musik verschärft - und ein unterhaltsamer, ein anregender Opernabend ist programmiert. In Frankfurt hatte jetzt Verdis „Falstaff“ Premiere. Von dem Briten Keith Warner inszeniert, der das theatrale Potential mit Zirzensischem verband und selbst Klischees nicht verschmähte. Hier auf einer Linie mit dem Dirigenten Bertrand Billy, der das Opern- und Museumsorchester munter plappern und stark trillern ließ, aber auch Schönklang genussvoll zelebrierte. Und einer dominierte nicht nur stimmlich - Bariton Zeljko Lucic entwickelte als Titelheld erstaunliche komödiantische Fähigkeiten.
Ein Paukenschlag gleich zu Beginn: Auf einer Kanonenkugel schwebt Dr. Cajus (Hans-Jürgen Lazar) ein, dabei Hausfassaden zertrümmernd, die von eilfertigen Helfern schnell wieder aufgerichtet werden. Cajus verdächtigt die windigen Saufkumpane des fettleibigen Sir John Falstaff, Bardolfo (Peter Marsh) und Pistola (Alfred Reiter), des Geldraubes, was den heruntergekommenen Ritter kaum schert, der Briefe an zwei reiche Bürgerfrauen schreibt, die er verführen und ausnehmen will.
Kleine rollbare Pavillons im skelettierten Bühnenbau verwandeln sich angelegentlich zu Vitrinen, in der Hirschgeweihe auf Gehörnte warten (Bühnenbild: Boris Kudlicka). Sie erinnern ebenso an Shakespeares Elisabethanisches Theater wie die entlarvenden Kostüme der Protagonisten. Falstaff etwa will die Damen im schäbigen Schottenrock verführen, die seine Absichten längst entdeckt haben und ihrerseits den Ritter foppen wollen. Leah Crocetto setzt da als Alice Ford einen ironisch aufbegehrenden Sopran ein, Claudia Mahnke als komödiantisch gewandte Meg Page ihren elastischen Mezzo. Das durchtriebene Damentrio komplettiert die umwerfend spielfreudige Mrs. Quickly - Meredith Arwady mit gurrendem Alt. Das höfische Machtgehabe ist diesen lustigen Weibern von Windsor nicht fremd. Nutzen sie doch ihre buckelnden Domestiken als Sitzgelegenheit. Ein wenig Sozialkritik schadet auch einer Komödie nicht…
Noch am 13., 15., 19., 21., 23., 27. Februar und 1. März. Karten unter Tel.: 069 21249949.
An die aufwändige Bartpracht des Malers Dali erinnert Alices Gatte Ford, der den Braten gerochen hat. Bariton Artur Rucinskis Eifersuchtsarie hat Otello-Format. Eingebunden in diese intriganten Machtspiele hat Verdi auch die wahre Liebe. Zwischen dem jungen, wie ein verhinderter Baseball-Spieler wirkenden Fenton, der Martin Mitterrutzners Tenor Gelegenheit für strammen Belcanto gibt. Und der in Reitstiefeln antretenden Nannetta (Grazia Doronzio mit fein timbrierten Sopran).
Doch damit hat das Gepiesacke des Ritters beileibe kein Ende. In der Maskerade um den gefoppten Schwerenöter ist Shakespeares „Sommernachtstraum“ wundersam nahe. Und Falstaff hat viel Grund, sich über die Schlechtigkeit der Welt zu beschweren, wobei sein Optimismus grenzenlos erscheint. Wie Bariton Lucic diese schnellen Stimmungswechsel bewältigt, das bezeugt seine große Klasse. Nicht zuletzt in der finalen Fuge bei der auch Frankfurts Opernchor wohltemperiert zum Tableau an die Bühnenrampe tritt: „Alles ist Spaß auf Erden!“ Dann hat das beifällige Publikum Stunden angeregter Unterhaltung erlebt. Und die Erkenntnis gewonnen - Opas Operette wird in Frankfurt nicht vermisst.