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Erhellendes über die Etikette

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Glühbirnen-Kunst: Unterlassungsverfügung für Frankfurter Künstler wegen „Inverkehrbringens“
Glühbirne in der Dose von dem Kunst-Verleger Florian Koch (Frankfurter Metermorphosen GmbH) © p

Frankfurt - Als drei Herren der Hessischen Eichdirektion an der Tür läuten, kommt Kunst-Verleger Florian Koch eine dunkle Vorahnung. „Wir würden uns gern mal ansehen, was Sie hier herstellen.“ Von Sebastian Faerber

In dieser „Frage“ hält sich etwas versteckt, dessen Relevanz Koch erst später realisiert. Bereitwillig zeigt er der Delegation das Produkt seiner Frankfurter Metermorphosen GmbH: die sogenannte Kultur-Reserve. Materiell gesehen eine Konservenbüchse mit eingeweckter 60-Watt-Glühbirne. Künstlerisch betrachtet Kritik am Aus der geliebten Glühbirne und Erinnerungsstück für Licht-Nostalgiker. Zuhaben für 6,90 Euro. Ein Exemplar behalten die Herren zur näheren Untersuchung.

Einen Monat nach dem Besuch erfüllt sich die Vorahnung und eine Untersagungsverfügung der Eichdirektion flattert Koch ins Haus: Die Dosen-Glühbirne erfülle nicht die Anforderungen des „Energieverbrauchsrelevante-Produkte-Gesetzes“ (EVPG). Koch solle den Verkauf sofort einstellen.

Seit einem Jahr dürfen 60-Watt-Glühbirnen nicht mehr hergestellt werden

Zur Erinnerung: Seit rund einem Jahr dürfen auch 60-Watt-Glühbirnen in EU-Ländern nicht mehr hergestellt werden. Baumärkte und andere Geschäfte dürfen sie aber verkaufen, solange der Vorrat reicht.

Wo also liegt das Problem? Wie Florian Koch sich durch das Untersagungsschreiben kämpft, Paragrafen und Amtsdeutsch nach abermaligem Lesen übersetzt hat, stellt er fest: Weil er die Glühbirnen neu verpackt, begreift ihn die Eichdirektion nicht als Wiederverkäufer, sondern als Hersteller. In der Untersagung „Inverkehrbringer“ genannt. Das wenig gelenkige Wort findet sich auf dem Schreiben in Nachbarschaft zur Drohung, bei Zuwiderhandlung 2000 Euro Zwangsgeld zahlen zu müssen.

Mit vier Partnern betreibt Koch die Metermorphosen GmbH

„Das Glühbirnen-Verbot aus Brüssel war frech, und es bei uns durchzusetzen, ist von der Eichdirektion kühn“, sagt Koch. Mit vier Partnern betreibt er die Metermorphosen GmbH. Doppelsinnige und charaktervolle Kunst- und Kulturgüter zu verkaufen, ist das Geschäftsmodell, die Produkte beispielsweise in Museen, Buchhandlungen und Geschäften für Geschenkideen erhältlich.

Die „Kultur-Reserve“ ist dem Kopf des Offenbacher Künstlers Lutz Jahnke entsprungen. 2010 baute der zur Luminale ein großes Glühbirnen-Denkmal in seiner Heimatstadt auf dem Aliceplatz und erregte damit einiges an Aufmerksamkeit. Die Glühbirnen-Büchse sei in ähnlicher Mission unterwegs. Sie soll eine originelle Geschenkidee sein – aber auch auf zweierlei Weise zum Gespräch über das, so Koch, „unsinnige Verbot der EU“ anregen.

Kunst und Zeitkritik in der Dose

Einerseits unsinnig, weil die umweltgerechte Rücknahme neuer, quecksilberhaltige Energiesparlampen noch gar nicht zu Ende gedacht sei. „Außerdem sollten 200 Jahre Kultur mit und um die Glühbirne nicht einfach durch Brüssel abgeschafft werden. Nur weil dort Lobbyisten am Werk sind.“ Kunst und Zeitkritik in der Dose also.

Wie die da reinkommen? Im zweiten Stock des Verlagshauses an der Frankfurter Gaußstraße ist die Verpackungsstätte zu finden. Immer, wenn sich der Vorrat gen Ende neigt, sitzen dort eine Handvoll Mitarbeiter an einem großen Tisch. Einige stellen die Büchsen-Rohlinge bereit, andere geben die Glühbirnen hinein und kleben Etiketten auf. Am schweißtreibenstens ist die Arbeit an der Maschine, die sich Metermorphosen zum Einwecken von einem Dosenhersteller leiht: Ein Hebel will mit Kraft runter gedrückt werden, um das Blech zu verschließen. Nur mit einem Dosenöffner lässt sich das rückgängig machen.

5000 befüllte Büchsen

Zumindest verdingten sich die Mitarbeiter noch im Februar mit dieser Arbeit. Also bevor Paragrafen die Idee festsetzten. Seitdem Verkaufsstopp warten 5000 befüllte Büchsen in Regalen auf das endgültige Urteil. Denn gegen die Untersagungsverfügung wird der Anwalt von Metermorphosen Einspruch einlegen. „Das wir ein Inverkehrbringer seien, ist ein hanebüchener Vorwurf“, sagt Koch. Mit Rechnungen könne die Firma belegen, dass sie nur Käufer der Glühbirnen ist, nicht der Hersteller. Zudem wanderten die Glühbirnen mit ihrer originalen Verpackung in die Dosen. Zu einem Missverständnis könne es also nicht kommen.

Auf Nachfrage verweist die die Eichdirektion darauf, dass sie zu laufenden Verfahren keine Auskunft geben dürfe. In einem Schreiben heißt es daher nur, dass jemand, der eine Lampe in einer neue Verpackung mit neuem Namen darauf anbietet, nach allgemeiner Rechtsauffassung als Hersteller des Produkts gelte. Egal, wann und von wem er die Glühbirne erworben hat. „An wen sonst, außer an den aufgedruckten Hersteller, sollte der Kunde sich bei einer Reklamation auch wenden?“, heißt es.

„Kunstfreiheit in Gefahr“

„Die tun natürlich auch nur ihre Pflicht“, sagt Koch. Nichtsdestotrotz sei der momentane Stand äußerst frustrierend. Die Idee des Offenbacher Künstlers Jahnke sei dem Profil der Firma auf den Leib geschneidert. Der sieht durch ein mögliches Verbot gar „die Kunstfreiheit in Gefahr“. Ob die bei der endgültigen Entscheidung eine Rolle spielen wird, wird sich zeigen. Bis dahin kann Koch seinen Kunden nur sagen, dass Metermorphosen die Bestellungen vormerkt. „Für unser Verlagsgeschäft ist das superunbefriedigend.“

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