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Krise: Druck auf reiche Städte steigt

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Wann springt die Ampel wieder auf Grün? Die Finanz- und Wirtschaftskrise zehrt am Geldpolster der Städte oder verschärft deren Armut noch. Der Aufschwung kann sich hinziehen - aber die Ausgaben sind meist gesetzlich festgelegt. Da wird Sparen zum Kraftakt. © dpa

Frankfurt - Die Stadt Frankfurt wird ihren Gewerbesteuerhebesatz von 460 Punkten frühestens im Jahre 2011 senken. Dies machte Stadtkämmerer Uwe Becker bei einer Veranstaltung der „Montagsgesellschaft“ im „House of Finance“ der Goethe-Universität klar. Von Michael Eschenauer

Wir haben 670 000 Einwohner, tagsüber durch die Berufspendler eine Million. Da muss eine gewisse Infrastruktur vorgehalten werden“, sagte der CDU-Politiker. Diese Tatsache erlaube vorerst keine Senkung dieser wichtigsten Kommunalsteuer. Frankfurt hatte seinen Hebesatz im Jahre 2007 um 30 Punkte gesenkt. Thema der Veranstaltung war die Finanzmarktkrise und ihre Auswirkungen auf die kommunalen Haushalte.

Professor Joachim Wieland, Experte für Finanz- und Steuerrecht an der Hochschule für Verwaltungswissenschaften in Speyer, sieht nur wenige Möglichkeiten, wie öffentliche Haushalte kurzfristig sparen können. „Einnahmen und Ausgaben sind in vielen Bereichen gesetzlich so stark fixiert, dass eine Reaktion nicht leicht fällt.“ Allenfalls sei es möglich, durch „Benchmarking“ Kosten zu überprüfen. Dies bedeute, dass zum Beispiel die Städte untereinander vergleichen, welches Angebot in welcher Stadt wie viel kostet. Anschließend sei dann zu untersuchen, wie es der Preisgünstigere schaffe, billiger zu arbeiten. „Frankfurt lebt derzeit in vielen Bereichen auf hohem Niveau“, sagte Wieland. Dies sei eine politische Entscheidung, die auch von der Einnahmesituation abhänge.

Frankfurt ist gut gewappnet für die Finanzkrise

Kämmerer Becker sieht die Mainmetropole gut für die Finanz- und Wirtschaftskrise gewappnet. Zwar werde man in diesem und im kommenden Jahr jeweils 600  000 Euro von den bis zu 1,7 Milliarden Euro an Gewerbesteuereinnahmen verlieren. „Aber es ist uns gelungen, in den guten Jahren unsere Schulden von zwei auf 1,1 Milliarden Euro zu reduzieren.“ Die kurzfristigen Kassenkredite lägen bei null. Allerdings sagte Becker auch: „Wir werden Schulden machen müssen. Nicht zuletzt wegen der steigenden Arbeitslosigkeit.“ Und ein Ende der mageren Jahre sei auch für Frankfurt nicht absehbar.

Zur Strategie, wie seine Stadt mit den Einnahmeausfällen umgehen wird, sagte der gelernte Bankkaufmann, er müsse das Ergebnis der Gespräche mit den Dezernenten abwarten, die in den kommenden Wochen stattfänden. Er hatte schon vorher deutlich gemacht, dass er mit harten Verhandlungen rechnet. Bei seinem Auftritt im „House of Finance“ machte Becker klar, das es keine Einschnitte im Sozial- und Bildungsbereich sowie bei der Bauunterhaltung geben werde. Dies sei kontraproduktiv.

Von Finanzexperte Wieland stammt das auf das Verschuldungsverbot für Bund und Länder gemünzte Zitat: „Die Politiker verhalten sich wie Alkoholiker, die kurz vor der Entziehungskur nochmal einen tiefen Schluck aus der Pulle nehmen.“ Ein ausgabenpolitisches Gegensteuern angesichts der Wirtschaftskrise, wie es jetzt geschehe, sei unvermeidbar, sagte er bei der Diskussion. Er vermute aber, dass in Erwartung rigider Vorschriften so manches übertrieben werde. Die Länder dürfen ab 2020 keine neuen Schulden machen. Der Bund hat ab 2016 pro Jahr nur noch einen Spielraum von 0,35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, was etwa neun Milliarden Euro entspricht.

In der Krise explodieren die Ausgabe für die soziale Sicherung

Finanziell besser gestellte Städte wie Frankfurt müssten, so Wieland, dann mit massivem Druck rechnen. Denn wenn zugleich der Solidarpakt II ab 2019 für die neuen Bundesländer wegfalle, wüchsen die Begehrlichkeiten und würden auf den Länderfinanzausgleich umgelenkt.

Das Tückische der Gewerbesteuer sei, da waren sich Becker und Wieland einig, dass sie unmittelbar zu Einnahmeausfällen führt. So sinkt das Aufkommen in ganz Deutschland von 41 Milliarden Euro 2008 in diesem Jahr um sechs Milliarden oder 15 Prozent. Gleichzeitig explodierten in der Krise die Ausgaben für die soziale Sicherung.

Wehren könnten sich die Städte bei der Geldverteilung nur schwer, so der Finanz- und Steuerexperte. Bei der Steuergesetzgebung habe der Bund das Heft in der Hand. Die Städte seien weniger Gestalter als Getriebene.

Die Krise schafft aber Druck, der für Veränderungen notwendig ist“, sagte Wieland. Zu der Idee, ein Insolvenzrecht für Städte einzuführen, sagte er: „Ein Insolvenzverfahren für ein Land oder eine Stadt ist im Grunde nicht denkbar. Denn der Staat hat immer Geld.“ Und er könne auch nicht einfach verschwinden oder Platz machen für andere „Firmen“, die wirtschaftlich besser dastünden, wie es in der Marktwirtschaft der Fall sei. Allerdings sei der Gedanke nützlich, weil er den Kopf öffne für bessere Kontrollmöglichkeiten, die im Vorfeld Überschuldungssituationen verhindern könnten.

Für die Rhein-Main-Region, so der Professor aus Speyer, der bis vor kurzem an der Goethe-Uni lehrte, sei es in schwierigen Zeiten notwendig, den Zusammenhalt zu verbessern. Wieland widersprach der Idee, eine Großkommune mit Frankfurt als Mittelpunkt zu schaffen. Man sollte weniger die Struktur der Selbstverwaltung ändern, als Formen und Bereiche der Kooperation stärken. Unverzichtbar sei es auch, die Verteilung des Geldes zwischen Zentrum und Peripherie zu überdenken.

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