Wie ein Künstler die Büdchen für sich entdeckte

Frankfurt - Noch gibt es diesen Titel nicht offiziell, aber gut möglich, dass er eines Tages an Hubert Gloss verliehen wird. Dr. honoris causa Casa Aqua. Denn der Fotograf und Allround-Künstler macht sich schon seit Dekaden für das Frankfurter Wasserhäuschen stark. Von Detlef Kinsler
Dabei hatte der Kiosk Anfang der Achtziger starke Konkurrenz bei seiner Arbeit. Denn zunächst wurde Gloss vom Kunstverlag Michel & Co. auf „bunte Köpp“ angesetzt und lichtete für eine Postkartenserie Punks ab. Auch Bodypainting war angesagt. Doch dann kamen die Buden ins Spiel und denen blieb der 57-Jährige bis heute treu. „Ich habe schnell entdeckt, dass diese Wasserhäuschen zu Frankfurt gehören wie die Apfelwein-Lokale, Rippchen und Kraut oder Grüne Soße“, kommentiert Gloss seine Annäherung. „Und natürlich kamen mit ihnen die Kindheitserinnerungen. “ Süßigkeiten wie Maoam, Prickel Pit und der Plombenzieher Nappos. „Und ich habe damals meine Comics am Häuschen gekauft. “ Das prägt, aber die Treue erklärt sich auch wie folgt: Anders als am Main, der ja das urbane Frankfurt spiegeln soll, sind die Wasserhäuschen wunderbare Anlaufstellen bei einer Radtour an der Nidda entlang. Ob in Heddernheim, Praunheim oder Rödelheim, hier wie auch in all den anderen Stadtteilen sind die „Jedermann-Bars“ Anlaufpunkte. Kontaktstellen, Kommunikationsorte und Treffpunkte ohne Standesdünkel. „Du kannst im Bademantel hinkommen wie im Schlips“, schwärmt Gloss. „Und ich kaufe lieber ein Bier am Büdchen als das Geld irgendwelchen Global Playern in den Rachen zu schmeißen. “ Abgesehen davon hält er die vielen netten Gespräche, die er an diesen „Oasen in der Wüste der Unmenschlichkeit“ in all den Jahren hatte, in einem Supermarkt für eher unwahrscheinlich.
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Mit seiner Leidenschaft konnte Gloss viele andere anstecken. Zum Beispiel Oliver Kirst. Der Sozialarbeiter schrieb seine Diplomarbeit über die „Gesellschaftliche Funktion von Wasserhäuschen“. Zu zweit sind sie seit Jahren mit Volkshochschulkursen per Fahrrad oder mit der Straßenbahn auf den Spuren der Trinkhallen unterwegs. Kirst kam auf die Idee, „lasst uns ein Quartettspiel daraus machen“. Auch Boris Borm ließ sich vom Virus anstecken. Er gestaltete die 37 Karten liebevoll. Leonore Poth steuerte ein Logo bei. Mehr als zwei Jahre recherchierte das Team. Eine Riesen-Fleißarbeit. Wo bei einem klassischen Autoquartett Hubraum, PS-Leistung, Geschwindigkeit und Neupreis trumpfen müssen, sind es beim Wasserhäuschen-Quartett, das für nur 7,95 Euro zu haben ist, Thekenlänge, Öffnungszeiten, Fruchtgummivariationen, Biersorten und die Eintracht-Fieberkurve. Lokalkolorit wird ganz groß geschrieben. Dabei wird auch eine Lanze gebrochen für die verbliebenen 200 Adressen. 1987 waren noch 647 Betriebe konzessioniert. Das Wasserhäuschen-Quartett wird am heutigen Donnerstag um 19 Uhr im Homburger Hof in der Engelthaler Str. 13 in Frankfurt vorgestellt.