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Idylle mit Steuerbonus

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In einem der Offiziershäuser, die hinter den Bäumen auf Höhe des Teichs am Naturschutzgebiet „Campo Pond“ in Wolfgang zu erkennen sind, wohnt seit einigen Monaten OB Claus Kaminsky mit seiner Familie. Foto: Häsler © Häsler

Hanau - Auf Bildern mutet es wie ein kleines Idyll an: Üppige Bäume hinter den Häusern, ein Teich nur einen Steinwurf entfernt, dahinter das Wildpferdereservat „Campo Pond“.Von Christian Spindler und Dirk Iding

Im Wohngebiet des „Argonner Parks“ in Wolfgang hat unter anderem Oberbürgermeister Claus Kaminsky (SPD) mit seiner Familie ein Domizil in einem der 39 früheren US-Offiziershäuser bezogen. „Wir fühlen uns da sehr wohl“, sagt er. Doch die Idylle hat Risse bekommen.

Kurz vor der Kommunalwahl waren Berichte aufgetaucht, die Mauscheleien beim Hauserwerb und der Grundstücksvergabe nahelegten. Die Kabarettgruppe „Brennesseln“ stimmte darüber ein Spottlied an, der CDU-Nachwuchs der Jungen Union sprach von einem „faden Beigeschmack beim Hauskauf des OB“. Wenige Tage vor dem Wahlgang wurden Meldungen an Redaktionen lanciert zu den Vorgängen, die ein Jahr zurückliegen.

Grundstück im Dezember 2009 erworben

Was ist dran an dem Fall? Im Dezember 2009 hatte die K. W. Projektsteuerung GmbH & Bauträger New Argonner KG der Investoren Albrecht Krebs und Karl Wolf das ehemalige Kasernengelände von der Bundesanstalt für Immobilienangelegenheiten (BImA) gekauft. Filetstücke in dem Paket waren die 39 Offiziershäuser, Baujahr 1958, die von den Investoren dann zu recht günstigen Preisen angeboten wurden: 150.000 Euro soll ein Doppelhaus mit durchschnittlich 1000 Quadratmetern Grund kostet haben. Für sein frei stehendes Haus habe er 210.000 Euro bezahlt, diese Zahl nannte OB Kaminsky nun erstmals gegenüber unserer Zeitung.

Allesamt günstige Preise, bei denen nicht nur der Rathauschef zugriff, sondern auch die Geschäftsführerin einer städtischen Gesellschaft, ein Sparkassen-Direktor, Ärzte, Geschäftsleute - viele von ihnen stehen in geschäftlichen oder gesellschaftlichen Beziehungen zueinander. Und bei den Verhandlungen zwischen Investoren und BImA saß die Stadt stets mit am Tisch.

Erwerb im Januar 2010 perfekt gemacht

Kaminsky sagt, dass er unmittelbar nach einer Pressekonferenz im Dezember 2009, bei der das Projekt vorgestellt wurde, offiziell sein Kaufinteresse bekundet, im Januar 2010 die Kaufreservierung unterschrieben und dann den Erwerb perfekt gemacht habe. Er räumt zugleich ein, bereits lange zuvor gegenüber den Investoren grundsätzliches Interesse bekundet zu haben.

Möglich, dass viele, die Offiziershäuser erworben haben, Insiderwissen oder Kontakte untereinander nutzten, um zuzugreifen, bevor es andere tun konnten. Belegen lässt sich das nicht. Kaminsky sagt, dass er als Oberbürgermeister in vielen Dingen „einen gewissen Informationsvorsprung“ hat, betont aber, dass beim Kauf alles regulär abgewickelt worden sei und er Preise bezahlt habe wie die anderen Käufer auch. „Ich habe mir nichts vorzuwerfen.“

Das ist im juristischen Sinne unstrittig. Nicht nur Stadtverordnetenvorsteher Jürgen Scheuermann (CDU) bescheinigt in einer schriftlichen Erklärung, dass Kaminsky seinen „Kaufwunsch gegenüber den städtischen Gremien transparent“ gemacht habe. Bei Beratungen und Entscheidungen über den „Argonner Park“ habe er den Raum verlassen und somit „den kommunalverfassungsrechtlichen Regularien in vollem Umfang Genüge getan“.

Nahe liegt, dass ein ausgewählter Personenkreis zum Zuge kam

Die Liste der Käufer der Offiziershäuser, die unserer Redaktion vorliegt, legt freilich nahe, dass ein ausgewählter Personenkreis zum Zuge kam, bevor die Filetstücke in den freien Verkauf gingen. Eine breite Vermarktung war auch gar nicht nötig. Bereits kurz nach der offiziellen Bekanntgabe meldeten die Investoren: Alles verkauft. „Die Bewerbungen für die Grundstücke wurden von uns chronologisch nach Eingang abgearbeitet“, schreibt Thomas Eichhorn in einer Presserklärung. Eichhorn ist Anwalt der Investoren-Gesellschaft - und angeblich selbst Käufer eines der Offiziershäuser.

Womöglich lagen etliche Bewerbungen auch deswegen vor, weil die Interessenten wussten, dass im „Argonner Park“ neben günstigen Preisen satte Steuervorteile winken. Möglich wird das, da die Stadt das Kasernengelände zum „Sanierungsgebiet“ gemacht hat. Das können Kommunen tun, wenn rechtliche Voraussetzungen erfüllt sind, um die Entwicklung zu fördern. Das Stadtparlament hat dem im März 2010 zugestimmt. Die Hauskäufer haben damit Abschreibungsmöglichkeiten, die es ansonsten nicht gibt, und können bis 2025 Sanierungskosten steuerlich geltend machen. Der Wunsch, dass die Stadt diese Voraussetzungen schaffe, sei „von den Investoren ausgegangen“, sagt Stadtentwickler Martin Bieberle.

Zusätzlich 90.000 Euro in Haussanierung investiert

Bislang wurde das nur im „Argonner Parks“ angewendet. Bei künftigen Kaserneprojekten werde man das prüfen. Im Fall der Cardwell-Kaserne, wo ebenfalls US-Wohngebäude saniert wurden, seien die Voraussetzungen nicht erfüllt gewesen.

Zum Zeitpunkt seines Hauskaufs „wusste ich nichts von der Möglichkeit“ des Steuervorteils, beteuert OB Kaminsky. Er habe zusätzlich zum Kaufpreis 90.000 Euro in die Haussanierung investiert.

Die Stadt hatte freilich bereits seit 2008 die Möglichkeiten eines Sanierungsgebiets prüfen lassen. Und in einem Wochenbericht der Rotarier Offenbach zu einer Veranstaltung mit einem der Hanauer Investoren ist im Januar 2010 auch von den „steuerlichen Vorteilen“ in Sachen „Argonner Park“ die Rede. Vorsitzender der Rotarier ist der Hanauer Stadtplanungsamtschef.

Aber auch das gehört zu der Geschichte: Alle Beschlüsse zum Bebauungsplan und Sanierungsgebiet wurden im Stadtparlament einstimmig getroffen. Niemand hatte Fragebedarf. Und auch die Journaille griff das Thema lange nicht auf, das erst kurz vor der Wahl eines wurde.

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