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Ein Deserteur als Glücksfall für Langen

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In Langen erinnert der Keßler-Brunnen auf dem gleichnamigen Platz an der Kreuzung von Bahn- und Friedrichstraße an den Gründer des Verkehrs- und Verschönerungsvereins.
In Langen erinnert der Keßler-Brunnen auf dem gleichnamigen Platz an der Kreuzung von Bahn- und Friedrichstraße an den Gründer des Verkehrs- und Verschönerungsvereins. © Strohfeldt

Langen ‐ Ohne diesen Mann wäre Langen um vieles ärmer: Friedrich Keßler gründete im Jahr 1877 den Verkehrs- und Verschönerungsverein Langen (VVV). Dabei war er erst kurz zuvor in die Sterzbachstadt gezogen und hatte sein Leben eigentlich gar nicht in Deutschland verbringen wollen.

Denn Keßler war von Abenteuerlust getrieben – vor genau 150 Jahren zog es den damals 17-Jährigen erstmals in ferne Länder. Der Offenthaler Heimatforscher Heinz Hang hat den Lebensweg Keßlers zusammengefasst, wobei er auf die Forschungen seines Langener Vorgängers Karl Baeumerth zurückgreifen konnte. Geboren am 16. Januar 1843 in Hausen, Kreis Ziegenhain (heute Teil des Schwalm-Eder-Kreises), sollte Friedrich Keßler eigentlich Lehrer werden. Er entschied sich aber für das Soldatenleben, weil in ihm unter anderem durch das Lesen von Abenteuergeschichten ein unwiderstehlicher Wandertrieb geweckt worden war. Als Soldat, so spekulierte er, würde er am ehesten – und noch dazu kostenlos – in fremde Länder gelangen. An das Kriegführen bzw. Kämpfen hatte er dagegen nicht ernsthaft gedacht.

1860, im Alter von erst 17 Jahren, fuhr er deshalb nach Italien und diente kurze Zeit bei der Freischar Garibaldis. Da der Krieg in Italien aber inzwischen zu Ende war, trat er in die französische Fremdenlegion ein und kam nach Algerien. Auf Antrag seiner Eltern ließ er sich jedoch freistellen und kehrte nach Deutschland zurück. In Kassel trat er freiwillig in die Armee ein, desertierte aber bald wieder und folgte seinem Trieb in die Ferne

In Mexiko zur Elite-Truppe versetzt

Dieses Mal beabsichtigte er, in die Vereinigten Staaten zu gehen, um den dort ausgebrochenen Bürgerkrieg mitzumachen. Über Paris und Belgien gelangte er aber nur nach Holland, wo er hoffte, zum Dienst in den ostindischen Besitzungen angenommen zu werden. Da seine Papiere jedoch nicht ausreichten, meldete er sich zum zweiten Mal zur Fremdenlegion, die sich damals schon teilweise in Mexiko befand. Auf Kosten der Franzosen – so hoffte er – würde er von dort in die Vereinigten Staaten gelangen.

In Mexiko angekommen, wurde er bald in eine Elite-Truppe versetzt, schmiedete aber sogleich heimlich Fluchtpläne und befasste sich besonders mit der spanischen Sprache bzw. mit den Verhältnissen im Land. Schon bald versuchte er, seine Pläne auch in die Tat umzusetzen. Die Flucht gelang zunächst, aber kurz darauf wurde Keßler wieder gefasst und in ein Gefängnis eingeliefert. Nachteile hatte er dadurch nicht, im Gegenteil: Er kam in eine Freikompanie für Deserteure, die ein hübsches Leben führte, wie er selbst berichtete.

Friedrich Keßler
Friedrich Keßler © Strohfeldt

Von dort machte er sich erneut aus dem Staub, wurde aber schon am nächsten Tag wieder festgenommen – und dieses Mal sollte er wegen wiederholter Desertion erschossen werden. Das Erschießungs-Kommando stand schon bereit, als sich der diensthabende Offizier durch Bitten seiner Leute erweichen ließ, von der Exekution einstweilen abzusehen. Kessler kam wieder ins Gefängnis, ein erneuter Fluchtversuch misslang abermals. Mittlerweile aber waren die Kampfhandlungen in Mexiko beendet und so er kam unversehens frei.

Im Laufe der nächsten Monate wechselte er mehrmals die Seiten, erhielt bei den Kämpfen einen Schuss durch den Schenkel, arbeitete eine Zeit lang als Zeichner im topografischen Büro des Generalstabs und hatte damit einen angenehmen Posten. Trotzdem desertierte er erneut. Nach langem Hin und Her gelangte er schließlich nach Kuba und von dort nach Philadelphia. Nachdem sein Geld aufgebraucht war, wanderte er zu Fuß nach New York, dann den Hudson hinauf über Albany nach Montreal in Kanada und weiter nach Ottawa und Buffalo.

Schließlich hörte er von einem Werbe-Büro für die Armee der Vereinigten Staaten. Er wurde tatsächlich angenommen und als Zeichner einer Vermessungs-Kompanie zugeteilt.

Dann kam der Frühling 1870. König Wilhelm I. von Preußen rief sein Volk gegen Frankreich zu den Waffen. Friedrich Keßler ließ sich nicht mehr halten, nahm Urlaub und schon am nächsten Tag befand er sich an Bord eines englischen Dampfers, mit dem er schließlich Deutschland erreichte. Er gelangte nach Kassel und wurde bei seinem alten Regiment wieder eingestellt. Mit seiner Batterie kam er bis vor Paris.

Nach Kriegsende wollte er eigentlich in die USA zurückkehren, blieb aber auf Bitten seiner Mutter zunächst in Kassel. 1873 trat er eine Stelle bei der Königlichen Eisenbahn-Direktion als Zeichner an und siedelte ein Jahr später nach Frankfurt über. Kurz danach zog er zu seiner Schwester in Langen, die hier mit einem Gastwirt verheiratet war.

1877 war Friedrich Keßler der Gründer des VVV

In der ersten Vereinssatzung wurden als Aufgaben unter anderem folgende Punkte aufgeführt:

Privat hatte Keßler weniger Glück: Seine erste Frau verstarb früh, die zweite Frau verschied 1890 nach kurzem qualvollen Leiden während der Entbindung eines fünften Töchterchens, das jedoch tot zur Welt kam.

Am Ende eines umfangreichen Berichtes an seinen Sohn Karl, in welchem er im September 1887 sehr anschaulich sein bewegtes Leben schilderte, zog Friedrich Keßler Bilanz:

„Wenn ich mich in Bezug auf meine Zukunft auch keinen Illusionen hingebe, da ich recht glücklich doch nie mehr werden kann, so hoffe ich doch, dass mich der liebe Gott so lange erhalten wird, bis ich euch, meine lieben Kinder, selbstständig genug weiß, als redliche und brauchbare Menschen durch dieses Leben zu bringen. Das walte Gott!“ Am 7. September 1917 starb Friedrich Keßler in Langen.

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