Der Hahn strahlt wieder auf der Kirche

Langen - Um 9.09 Uhr hebt der Wetterhahn ab – und mit ihm die gesamte Kirchturmspitze von St. Albertus Magnus. Meter um Meter wird er vom Schwerlastkran nach oben gezogen, dann schwebt er kurz über dem Turm, ehe er sich langsam herabsenkt. Von Markus Schaible
Zwei Stunden später sind alle Schrauben festgezogen, die Handwerker entfernen die Befestigungsbänder: Die katholische Kirche in der Stadtmitte hat wieder eine Spitze. Die Kinder der Albertus-Magnus-Kita applaudieren, bevor sie von den Erzieherinnen in ihre Räume zurückgeführt werden. Gebannt haben sie das Schauspiel mitverfolgt. In aller Frühe ist der Schwerlastkran vorgefahren, zudem legen die Mitarbeiter einer Metallbaufirma letzte Hand an. Aus fünf Teilen haben sie die Kirchturmspitze auf dem Hof vor dem Gemeindesaal zusammengefügt, nun wird eine Transportversteifung angeschraubt, damit dem guten Stück bei seiner Reise nach oben nichts mehr passiert.
Pfarrer Ulrich Neff zückt immer wieder sein Smartphone, postet Bilder und Videos bei Facebook. „Und der Gockel strahlt ...“, kommentiert ein Mitglied des Pfarrgemeinderats eines der Fotos. Sichtlich entspannt ist auch Architekt Bernhard Noll, der die Sanierungsarbeiten am Turm koordiniert. Denn es war bei Weitem nicht nur die Spitze, die den Einsatz von Handwerkern erforderte. Bereits vergangenen November waren die Fugen des Zwischengesimses erneuert worden, weil die Steine nach außen gedrückt wurden. In den vergangenen Wochen erhielten dann alle vier Zwischenebenen neue Abdichtungen. Sämtliche Durchstiegklappen wurden aus Sicherheitsgründen erneuert. Zudem waren Betonsanierungsarbeiten vorzunehmen.
Am Augenfälligsten aber war natürlich das Fehlen der Krone. Am 10. April hatten die Fachleute sie aus 29 Metern Höhe zu Boden geholt. Schnell stand fest: Die Metallteile sind viel zu kaputt, um nach einer Überarbeitung weiterhin genutzt werden zu können. „An den Schraubverbindungen war Wasser eingedrungen, das bei Kälte gefror“, erklärt Noll. Folge: Die geraden Flächen der Vierkantrohre bogen sich erst rund nach außen, platzten dann auf. Noch war die Konstruktion sicher, wäre sie aber weiterhin auf dem Turm geblieben, hätte in ein paar Jahren (etwa bei einem Sturm) Absturzgefahr bestanden.
Alles ist allerdings nicht neu an der Spitze: Die Krone, die Kugeln und der Wetterhahn konnten wiederverwendet werden. Kreuz und die vier Seitenteile wurden dagegen vom Original kopiert. „Das Gestell ist innen und außen voll verzinkt und einbrennlackiert“, erläutert der Architekt. „Und zwar in der ursprünglichen Originalfarbe. Wir haben lange gebraucht, bis wir diese bestimmen konnten, da sie natürlich ausgebleicht war. Aber wir haben dann Stellen gefunden, die keine Sonne abbekommen hatten.“
In hellem Gold erstrahlen als Kontrast der Hahn und die Kugeln. In der großen mittleren fanden die Arbeiter Originaldokumente von 1985, dem Jahr der Erbauung der Kirche St. Albertus Magnus: eine Festschrift, Münzen und eine Langener Zeitung. „Wir haben alles neu eingeschweißt und durch aktuelle Münzen und eine Zeitung aus diesem Jahr ergänzt“, berichtet Pfarrer Neff. Für den Geistlichen, der erst seit Kurzem in der Langener Großgemeinde St. Jakobus tätig ist, ist die Kirchturmsanierung eine große Sache – und eine, die gleich reichlich Geld kostet: Knapp 100.000 Euro sind letztlich fällig, die je zur Hälfte vom Bistum und der Gemeinde zu tragen sind. Da kommt die Spende von 2000 Euro von der Sparkasse Langen-Seligenstadt genau richtig. Zudem hat die Gemeinde etliche Aktionen zur Finanzierung gestartet: Es gibt goldene Gockelanstecker, auch wird „Gockelwurst“ (Bierschinken, Bierwurst und Tiroler Wurst) verkauft.
Oben auf dem Turm haben die Metallbauer mittlerweile die Transportversteifung entfernt und die Schrauben festgezogen. Als Letztes kommt ein kleiner Kniff zum Tragen: Damit sie nicht im Turminneren über die Glocken hinabklettern müssen, wurde eine (von unten nicht zu erkennende) Tür in eines der Seitenteile eingebaut. Und da die Spitze auch richtig herum montiert wurde, können die Arbeiter durch sie aufs Gerüst klettern. Der Kirchturm ist wieder komplett – und so dürften auch viele Blicke nach oben gehen, wenn auf dem Gelände rund um das Gemeindezentrum von Albertus Magnus am morgigen Fronleichnamstag nach der Prozession ein großes Begegnungsfest stattfindet. „Dann werden wieder Gockelanstecker und -würste verkauft“, verrät Pfarrer Neff. Auf dass weiter Geld für den Anteil der Gemeinde an der Sanierung zusammenkommt.