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Patientendaten für jeden einsehbar

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Langen ‐ In einer Langener Arztpraxis landeten hochsensible Patientendaten nicht nur in der Altpapiertonne, sondern wurden (weil der Deckel weit offen stand) durch den Wind auch noch in der Umgebung verstreut. Von Markus Schaible

Rezepte für den Heroin-Ersatzstoff Methadon, Diagnoseergebnisse einer MRT-Untersuchung, ein Reha-Antrag wegen einer mittelgradigen depressiven Episode samt Vermerk „Eine Einschränkung der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft droht oder ist bereits gegeben“ – kein Patient möchte, dass außer den beteiligten Medizinern (und bei Bedarf vielleicht noch die Krankenkasse) jemand diese Daten sieht. Doch in einer Langener Arztpraxis landeten hochsensible Patientendaten nicht nur in der Altpapiertonne, sondern wurden (weil der Deckel weit offen stand) durch den Wind auch noch in der Umgebung verstreut. Ein Passant fand sie – und alarmierte den hessischen Datenschutzbeauftragten. Mittlerweile ermittelt die Polizei.

Datenschützer sind entsetzt

Auf dem Weg zum Bäcker war der Finder, der zufälligerweise auch im Bereich Datenschutz tätig ist, gestern kurz vor 7 Uhr an der Praxis vorbeigekommen. Auf dem Bürgersteig stand eine blaue Tonne (die in diesem Bereich erst am Montag, 31. Januar, das nächste Mal geleert wird), drum herum und auf dem weiteren Weg habe er dann diverse medizinische Unterlagen mit komplett erkennbaren Daten der betreffenden Patienten gefunden, berichtet der Mann (die Schriftstücke sind unserer Redaktion bekannt). Bereits in den vergangenen Wochen habe er dort vereinzelt ähnliches Material bemerkt, allerdings nicht in solch einer Menge. Dieses Mal sammelte er alles ein und informierte das Büro des Datenschutzbeauftragten in Wiesbaden, das wiederum das zuständige Dezernat Datenschutz beim Regierungspräsidium Darmstadt alarmierte.

Dort ist Isolde Holzmann mit dem Fall befasst – und entsetzt über das, was da für jedermann zugänglich in der Gegend herumflog. „Das sind Dokumente, die besonders vertraulich behandelt werden müssen. Gerade solch sensible Daten sind sogar noch einmal besonders im Datenschutzgesetz erwähnt. Die müssen zwingend vernichtet werden und dürfen auf keinen Fall in die Altpapiertonne.“ In diesem Fall hätten sie offenbar sogar noch aufbewahrt werden müssen, denn es handelt sich um Daten unter anderem aus den Jahren 2007 und ’09.

Keine offizielle Stellungnahme zu dem Vorfall

Die von Holzmann beauftragte Polizei fand gestern am späten Vormittag nur noch Blankoformulare in der Tonne, ermittelt aber aufgrund der Unterlagen des Zeugen weiter. Im Raum steht Paragraf 203 des Strafgesetzbuchs: Verletzung von Privatgeheimnissen. Der besagt: „Wer unbefugt ein fremdes Geheimnis, namentlich ein zum persönlichen Lebensbereich gehörendes Geheimnis oder ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis, offenbart, das ihm als Arzt, […] Angehörigen eines anderen Heilberufs, […] Berufspsychologen […] anvertraut worden oder sonst bekannt geworden ist, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.“

„Das ist die stärkere mögliche Sanktion“, erläutert Holzmann. Komme Polizei oder Staatsanwaltschaft zu dem Schluss, dass Paragraf 203 nicht zieht, gehe der Fall zurück an ihr Dezernat, das dann eine Verletzung gegen das Datenschutzrecht prüfe. Dies könne eine Geldbuße wegen einer Ordnungswidrigkeit nach sich ziehen.

Von Seiten der Gemeinschaftspraxis zeigte man sich gestern erst auskunftsfreudig, um dann total umzuschwenken: „Ich bestreite, jemals mit Ihnen gesprochen zu haben“, hieß es nach mehrminütigem Gespräch. Insofern gibt es keine offizielle Stellungnahme zu dem Vorfall.

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