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Messerstiche nach Raser-Duell auf der A661

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© Symbolbild: dpa

Egelsbach/Langen - Dass sich aggressive Autofahrer gegenseitig beleidigen oder Schläge androhen, ist nicht unbedingt eine Seltenheit. Dass einer der Kontrahenten nach einer Messerattacke fast sein Leben lässt, erscheint dagegen als neue Dimension im Straßenverkehr. Von Silke Gelhausen-Schüßler

Mit diesem ungewöhnlichen Fall beschäftigt sich seit heute die elfte Strafkammer des Landgerichts Darmstadt. Angeklagt ist ein bislang unbescholtener 45-jähriger Familienvater aus Langen, der am 17. Juni vergangenen Jahres nur mal schnell in die Notdienst-Apotheke nach Neu-Isenburg wollte, um der zahnwehgeplagten Tochter ein Schmerzmittel zu holen.

Nach erfolgreichem Einkauf steuert der Sizilianer seinen silbernen Alfa Romeo wieder auf die Autobahn. Die ist gegen 22 Uhr eigentlich problemlos zu befahren, doch irgendwie kommt ihm ein schwarzer Skoda-Kombi in die Quere. Was sich dann abspielt, erklärt der geständige Zweiradmechaniker wie folgt: „Ich sehe im Rückspiegel ein Auto, das mit hohem Tempo heranrast, gehe rechts rüber, lasse ihn überholen. Er setzt sich vor mich, bremst mich aus und betätigt die Scheibenwaschanlage – wohl, um mich zu ärgern.“

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Autofahrer attackiert und lebensgefährlich verletzt

Offensichtlich provoziert, überholt nun der Angeklagte den Gegenspieler. Bis zum Autobahnende geht dieses „Spielchen“ mit Tempo 150 weiter, ein Zeuge wird die gegenseitigen Überholmanöver später als „Doppelhelix“ beschreiben, „bei dem einer dem anderen nichts gegeben hat“. Die Abfahrt Langen fliegt vorbei (hier wollte der Angeklagte eigentlich abfahren) das Autobahnende kommt. „Er hat mich sogar noch mal auf dem einspurigen Zubringer überholt, wo ich mich nur noch gefragt habe: Was will der Mann von mir?“ so der Langener.

An der Ampel kommt es zum Showdown

An der Ampel müssen beide hintereinander warten – es kommt zum Showdown. Der Angeklagte: „Ich war auf 180. Ich bin zu seinem Auto hin, er hatte schon die Tür auf und sagte mit einem Messer in der Hand: ,Ich stech’ dich ab.‘ Da hab ich Angst bekommen!“ Dass er daraufhin zurück zum Auto geht und selbst ein Messer holt, ist für den Vorsitzenden Richter Volker Wagner allerdings alles andere als nachvollziehbar: „Ganz einfach: Wenn man Angst hat, steigt man ins Auto und fährt heim!“

Genau das will anscheinend der Kontrahent im Skoda machen, bekommt aber den Wagen in der Grün-Phase nicht vom Fleck. Der Sizilianer kehrt mit der Stichwaffe zurück zu dessen Wagen, es folgt eine Rangelei, bei der der Angeklagte mindestens vier Mal in Brust und Bauch des 52-jährigen Rödermarker Unternehmensberaters einsticht. Der erleidet eine lebensbedrohliche Verletzung der Zwischenrippenschlagader, muss im Krankenhaus notoperiert werden. Der Täter flüchtet. Seine Version: „Wir standen beide auf und gingen zum Auto zurück. Da ich Blut am T-Shirt hatte, dachte ich sogar, ich sei schwerer verletzt als er.“

Messerattacke: Streit unter Autofahrern eskaliert

Dieses Blut stammt jedoch vom Opfer, dessen Glück es ist, dass ein weiteres Auto mit zwei Insassen auf der Nebenspur die ganze Szenerie verfolgt, beide Nummernschilder notiert und den Rettungsdienst ruft. Die Schilderung der Zeugen weicht naturgemäß in einem entscheidenden Punkt von der des Angeklagten ab. Die beiden Eventmanager auf dem Weg von Offenbach nach Darmstadt sagen aus, der hintere Fahrer habe sich zu dem vorderen Fahrer über den Sitz gelehnt und zugeschlagen oder gestochen und ihn dann herausgezerrt. Dann folgte ein Gerangel auf der Straße, aufgrund dessen sie ihren eigenen Wagen ein Stück zurücksetzten – „damit die mehr Platz hatten“. Direkt vor ihrer Stoßstange soll der Angeklagte auf dem Geschädigten gekniet haben, bevor er geflüchtet sei.

Diverse Polizisten, ein psychiatrischer Gutachter und ein Rechtsmediziner sollen im Lauf der Verhandlung weitere Fakten liefern. Vier Prozesstage bis Anfang Februar hat die Kammer eingeplant.

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