Zurück in die Vergangenheit

Langen - Schloss Wolfsgarten wird sein Erscheinungsbild in den kommenden Jahren komplett verändern: Die roten Bruchsteine, die für viele Besucher derzeit den romantischen Reiz der Gebäude ausmachen, verschwinden hinter Putz. Von Markus Schaible
Das mag erst einmal seltsam erscheinen – doch damit wird der Zustand der Anlage im 19. Jahrhundert wiederhergestellt. „Zurück in die Vergangenheit“ – unter diesem Motto steht die Sanierung, die derzeit schon in vollem Gang ist, deren Ende aber noch nicht absehbar ist. Ebenso sieht es bei den Kosten aus, doch dazu später mehr. Die Notwendigkeit der Maßnahme steht außer Frage: „Als das Schloss 1986 von Prinzessin Margaret auf die Hessische Hausstiftung übertragen wurde, bestand schon ein gewaltiger Instandsetzungsstau“, sagt Landgraf Donatus von Hessen. Allerdings mussten in den vergangenen Jahren erst einmal dringendere Projekte bewältigt werden. Immerhin kümmert sich die Stiftung um zahlreiche historische Gebäude, darunter allein vier Schlösser, Aussichtstürme, Pavillons, Mausoleen und Wachhäuser. Ein Schwachpunkt sind dabei meist die Dächer – 61 200 Quadratmeter sind zu unterhalten, so viel wie achteinhalb Fußballfelder (davon 5000 Quadratmeter mit Reet).
Die Dächer waren es auch in Schloss Wolfsgarten (immerhin 3000 Quadratmeter), die ein Handeln erforderten. Nachdem bisher immer nur ausgebessert worden war, sollte nun in größerem Umfang neu gedeckt werden. Doch dann zeigte sich, dass das hölzerne Tragwerk teilweise extrem in Mitleidenschaft gezogen ist. Gleichzeitig wurde klar: Auch die Außenwände müssen saniert werden. Denn ohne den Putz früherer Jahrhunderte, der einst aus modischen Gründen entfernt wurde, ist das Mauerwerk sehr anfällig. In enger Abstimmung mit dem Landesamt für Denkmalpflege in Wiesbaden und der Unteren Denkmalschutzbehörde des Kreises Offenbach hat die Hausstiftung unter der Federführung ihres Vorsitzenden Landgraf Donatus von Hessen ein Konzept erarbeitet, das den langfristigen Erhalt des ehemaligen Jagdschlosses sichern soll. Mit der Umsetzung wurde direkt nach dem Fürstlichen Gartenfest im September begonnen.

Doch es ist nicht so, als wüssten die Handelnden genau, auf was sie sich da eingelassen haben. Es ist vielmehr eine große Herausforderung: „Wir heben einen Ziegel an, schauen, was darunter ist, prüfen, überlegen, handeln“, beschreibt der leitende Architekt Roland Partisch aus Hofheim die diffizile handwerkliche Herangehensweise. Denn die Gebäude sind zwar alle im gleichen Zeitraum entstanden, dennoch wurde jedes auf andere Weise errichtet. Warum, ist unklar – möglicherweise, weil unterschiedliche Handwerker im Einsatz waren. Somit kann die Ausführung nicht bei einem exemplarisch für alle anderen festgelegt werden.
Die Dächer werden zwar mit Ziegeln neu gedeckt, die eine spezielle Farbe namens „Schloss Wolfsgarten“ haben, dennoch erscheinen sie mangels Patina erst einmal in einem anderen Ton als der Altbestand. Doch das ist eine Kleinigkeit gegen das, was die Hausstiftung an den Fassaden plant: Farbiger Putz soll wie einst die bis zu 50 Zentimeter dicken Mauern vor Wind und Wetter schützen. Dabei orientieren sich Stiftung, Architekt und Denkmalschützer an einer Ansicht, die Ernst August Schnittspahn 1844 (zu Zeiten von Großherzog Ludwig III.) gemalt hat. Nach diesem Bild und der Analyse diverser Mauerreste durch einen Restaurator haben Experten des Instituts für Steinkunde in Mainz den ursprünglichen Farbton benannt. Ihre Ergebnisse waren schließlich Grundlage für die Rezeptur des Putzes, eine Spezialanfertigung nur für Schloss Wolfsgarten. Dieser Putz soll 100 Jahre halten.
Fürstliches Gartenfest
„Man muss sehr behutsam vorgehen und die richtigen Materialien wählen“, weiß auch der zuständige Denkmalpfleger Udo Schreiber. Aber in dieser Frage habe es nie Diskussionen mit der Hausstiftung gegeben. Die Denkmalbehörden seien sehr daran interessiert, dass die historische Substanz erhalten bleibt, betont Schreiber. Einen kleinen Unterschied zum Zustand von 1844 wird es aber geben: Die Fenstergewände, Türschwellen und Eck-Lisenen (Mauerblenden) aus glattem Sandstein werden nicht verputzt oder gestrichen, weil die Farbe darauf schlecht hält. In einem ersten Sanierungsabschnitt (etwa 18 Monate) sind derzeit die Seitengebäude mit so wohlklingenden Namen wie Prinzessinenbau, Damenbau, Prinzenbau und Kavalierbau eingerüstet. Die erste Schicht des Putzes ist bereits aufgebracht, die zweite folgt im Frühjahr. Herrenhaus mit der großen Freitreppe und Marstallgebäude mit Glockenturm werden später in Angriff genommen.
Der Zeitpunkt dafür hängt auch davon ab, wie sich die Kosten weiter entwickeln. Ursprünglich sei von zwei Millionen Euro ausgegangen worden, sagt Landgraf Donatus von Hessen. Jetzt seien schon vier Millionen sicher, und das werde nicht reichen. Das Land beteiligt sich in einem ersten Schritt mit 150.000 Euro, weil es sich bei dem „schlossartigen Gutshof“ um ein „herausragendes Kulturdenkmal“ handele, so Schreiber. Die Erhaltung von Schloss Wolfsgarten für künftige Generationen ist auch Hauptanliegen des Landgrafen. In späteren Jahren will er dort außerdem seinen Hauptwohnsitz haben. Zur Rhododendronblüte im Mai werden die Besucher dann schon die ersten großen Veränderungen sehen können. Zum Gartenfest im September 2014 gibt es zudem hinter dem Marstall einen mit Kopfsteinpflaster sanierten Remisenhof zu bestaunen; der ornamentale Holzzaun als Abgrenzung zum Obstgarten wird bis dahin erneuert sein und in frischem Weiß strahlen.