Diesseits der Grenzwerte

Mühlheim - Mal deutlich, mal knapp, doch immer unter den Grenzwerten - die erste Auswertung der Daten, die Mühlheims drei Fluglärmmessstationen seit Oktober 2011 bis Ende 2012 erlauscht haben, ergibt eine objektive Wahrheit, die viele genervte Bürger subjektiv als Hohn, mindestens aber als Fehler im System empfinden werden. Von Marcus Reinsch
Statistisches Fazit: Nirgendwo in der Stadt ist es lauter, als das Gesetz erlaubt. Politische Schlussfolgerung, bei der Bürgerversammlung am Mittwochabend zu Protokoll gegeben von Bürgermeister Daniel Tybussek: „Die Erkenntnisse bestätigen uns in unserer Forderung, das Nachtflugverbot auf 22 bis 6 Uhr auszuweiten.“ Denn von himmlischer Ruhe kann natürlich auch diesseits der Grenzwerte keine Rede sein.
Vor allem nicht in den sogenannten Nachtrandstunden von 22 bis 23 Uhr und von 5 bis 6 Uhr. In diese Zeitfenster hat sich erwartungsgemäß der Flugverkehr verlagert, der seit dem Inkrafttreten des Nachtflugverbots von 23 bis 5 Uhr in der Luft oder eben auf dem Flughafenboden bleiben muss. Wobei das Wort Verbot nicht wirklich Verbot bedeutet. Die Zahl der Flüge in der sogenannten Kernnacht sei zwar stark zurückgegangen, bestätigte Petra Hopfgarten vom städtischen Sachgebiet Hochbau/Stadtökologie. Doch es gebe eben immer noch die Flieger, die entweder mit Ausnahmegenehmigung unterwegs sind oder beispielsweise schon um kurz vor fünf Uhr zu hören sind, weil sie sich bereits im Sinkflug befinden. Verboten ist das nicht.
Die Messstationen stehen auf den Dächern der Kindertagesstätten an der Schlesierstraße in Lämmerspiel, am Müllerweg in Markwald und an der Raabestraße in Mühlheim. Diese Standorte wurden ausgewählt, weil dort relativ wenige andere Lärmquellen wie Autos oder Züge die Fluglärmdaten verfälschen können. Und natürlich, weil sich nur mit einem solch geographisch breit angelegten Lauschangriff die Auswirkungen des Frankfurter Flughafenausbaus auf Mühlheim erfassen lassen. Seit die Nordwestbahn in Betrieb ist, haben sich die parallel über der Stadt verlaufenden Anfluglinien so verschoben, dass der Krach nun ziemlich flächendeckend ist.
Lämmerspiel bekommt die Flieger zu spüren, die zur Südbahn wollen, der Norden der Stadt hat die Jets mit Ziel Nordwestbahn über sich. Und Markwald ist gefangen zwischen den beiden Linien, befindet sich im akustischen Zweifrontenkrieg.

Das bestätigen auch die Messungen. Die Markwald-Kita weist die höchsten Überflugzahlen auf. Im Dezember 2011 etwa entfielen 6015 der 15 186 über Mühlheim hörbaren Flieger auf den Müllerweg (Schlesierstraße: 5579, Raabestraße 3592). In der Kernnacht, von 23 bis 5 Uhr, waren es im gleichen Monat im Markwald 22, in Lämmerspiel 19 und in Mühlheim 7. Markwald kommt wegen seiner Zwickmühlenlage auch bei anderen Vergleichswerten wie dem Dauerschallpegel am schlechtesten weg.
Generell gilt: Könnte sich Mühlheim einfach komplett in den Westen des Flughafens zaubern, ginge es vielen Mühlheimern besser. Denn wegen des häufigen Westwinds ist die vorherrschende Betriebrichtung des Airports die sogenannte BR25, sprich: Anflug über Hanau, Mühlheim und Offenbach. Im Jahr 2011 war das an 72,5 Prozent aller Tage so, im Jahr 2012 in 76 Prozent.
„Entlastende Tendenzen“ lassen sich zumindest dank einiger Stellschrauben ausmachen. Dran gedreht wurde letzten Oktober mit der teilweisen Umsetzung des Maßnahmenpakets „Aktiver Schallschutz“. Der Anflugwinkel wurde von 3 auf 3,2 Grad erhöht, was die Jets dazu zwingt, über Mühlheim noch nicht ganz so tief wie zuvor zu sein. Außerdem wurde die Überflughöhe erhöht, was wenigstens besonders hohe Schallpegel zu verhindern hilft.
Das Ende der Fahnenstange können solche Kleinigkeiten aus Mühlheimer Sicht natürlich nicht sein. Die Stadt hat mittlerweile den ersehnten Platz in der Fluglärmkommission bekommen, pocht dort auf die Erfüllung ihrer Forderungen nach einer Ausdehnung des Nachtflugverbots und auf die Deckelung der Flugbewegungen. Und bald soll es auf der Bürgerpark-Kita eine vierte Messstation geben.