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Mühlheimer Zeichner Klaus Puth lässt den Golem auferstehen

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... oder der Golem durch die Straßen des Prager Ghettos geistert. Am Ende sollen bis zu 40 Illustrationen entstehen.
Der Golem geistert durch die Straßen des Prager Ghettos. Am Ende sollen bis zu 40 Illustrationen entstehen. © Puth

Mühlheim - Vor 100 Jahren veröffentlichte Gustav Meyrink den gespenstisch-surrealen Klassiker „Der Golem“. Der bekannte Mühlheimer Zeichner und Karikaturist Klaus Puth arbeitet zurzeit an einem malerisch-expressiven Golem-Zyklus. Von Reinhold Gries

Klaus Puth in seinem Zeichenatelier
Klaus Puth in seinem Zeichenatelier © Archiv

Wie bei seinen inzwischen bundesweit bekannten Illustrationen zu Grimmelshausens „Simplicissimus“ knüpft Klaus Puths meisterhafte Zeichenkunst da an, wo sie einst bei seinem Offenbacher HfG-Studium begann. „Angeregt durch meine Frau, die sich mit jüdischer Mystik beschäftigt, las ich mich in Meyrinks Roman ein. Am Anfang blickte ich kaum durch, dann wurde – auch in meinem Kopf als Zeichner – die Erzählwelt voller Bilder und absurd-surrealer Typen immer faszinierender. Für das Hell-Dunkel der Geschichte musste ich aber etwas Neues und Passendes entwickeln, weg von gewohnten Strichelzeichnungen.“

Beim Golem-Zyklus arbeitet er flächig mit überzeichneten Figurationen, die er mit Rohrfeder, Tusche und schwarzer Ölfarbe auf Büttenpapier wirft. Vorbereitet durch intensives Textstudium und vorherige Skizzen, arbeitet er oft schnell. Da kann es vorkommen, dass vier bis fünf große Blätter in wenigen Stunden entstehen. Bisher hat Klaus Puth rund 15 Bilder geschaffen, am Ende wird der Zyklus wohl 30 bis 40 Blätter stark werden. Puth dazu: „Das Ganze ist eine Gratwanderung zwischen Textnähe und freier Formfindung, die einerseits den Augenblick einer Szene festhält, andererseits das Davor und Danach der Erzählung spürbar machen soll.“

Klaus Puth hat prägnante Szenen aus dem Roman treffend zu Papier gebracht. Ob ein Marionettenkopf zu neuem Leben erwacht ...
Ein Marionettenkopf erwacht zu neuem Leben ... Klaus Puth hat prägnante Szenen aus dem Roman treffend zu Papier gebracht. © Puth

Es ist fesselnd, wie Puth das in eigener Formensprache gelingt. Tief hinein gerät man beim Betrachten in die Legende um den kabbalakundigen Rabbi Löw, der den Golem als Wesen aus Lehm fürs Ghetto schuf und per Zauberformel lebendig machte. Meyrinks Perspektive ist die des Erzählers Athanasius Pernath, des Gemmenschneiders, der im Halbschlaf träumt, wie er im Gassengewirr Alt-Prags dem Golem begegnet. Im Roman ist er zum alle 33 Jahre erscheinenden, sprachlosen Gespenst mit mongolischem Gesichtsausdruck und schleppendem Gang geworden, das in ein verschlossenes Haus ohne Tür und mit vergittertem Fenster hineingeht. Als ein Neugieriger versucht, den Golem zu beobachten, und sich vom Dach des Hauses am Seil herablässt, reißt das Seil.

Markant porträtiert Puth auch den steinreichen Trödelhändler Aaron Wassertrum, der Menschen ins Unglück stürzt. Und in zarteren Formen das kindliche Strichmädchen Rosina, das nicht nur in der Kaschemme „Salon Loisitschek“ zum Freiwild wird. Szenen, als der Marionettenmacher einen Puppenkopf auf die Straße schleudert oder isolierte Köpfe, die einem voller Angst vor dem Augenarzt entgegen starren, prägen sich ein.

Mit großer Einfühlung erfasst Puth die Zwielichtigkeit des düsteren Prager Stadtviertels, beherrscht von einer angespannten Atmosphäre aus Leidenschaft, Angst und Verbrechen. Da ist förmlich zu greifen, wie nicht nur Pernaths Welt aus den Fugen gerät, als er sich vom anderen Ich verfolgt sieht und die phantastische Golem-Welt von seinem Alltag zunehmend Besitz ergreift. Intuitiv spiegelt Klaus Puth in seinen Blättern auch heutige Identitätsängste, bei denen so manches angstvolle Golem-Hintergründe bekommt, während sich das Leben im Vordergrund als Kolportage abspielt.

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