1. Startseite
  2. Region
  3. Neu-Isenburg

Stadt erinnert an die Barbarei der Bücherverbrennung

Erstellt: Aktualisiert:

Kommentare

Neu-Isenburg - Mit der beeindruckenden Aktion „Fünf vor Zwölf“ will die Stadt an die Bücherverbrennung durch die Nazis vor 83 Jahren erinnern. Die Neu-Isenburger werden gebeten, sich am gemeinsamen Gedenken zu beteiligen. Von Holger Klemm

Die Barbarei der Nationalsozialisten hatte eine klare Hierarchie, zuerst die Bücher, dann die Menschen. Der Auftakt am 10. Mai 1933 in Berlin und 21 Universitätsstädten war eine brutale Abrechnung mit der Freiheit des Wortes. In mehr als 50 Städten brannten Scheiterhaufen, um die Bücher von 131 missliebigen – vor allem jüdischen, liberalen, kommunistischen oder sozialkritischen – Autoren den Flammen und dem Vergessen zu übergeben.

Auch in Neu-Isenburg brannte auf dem Wilhelmsplatz, am 24. Juni, „undeutsches Schrifttum“. Damals wurde daraus ein abstoßendes Volksfest mit Gesangsdarbietungen und einem Tanzreigen. An den barbarischen Akt, dem so viele weitere folgen sollten, erinnert seit 2015 eine Gedenktafel am Alten Feuerwehrhaus, dem Haus der Vereine. Diese schließt mit den Worten: „Die Erinnerung an die Bücherverbrennung mahnt, uns stets mit aller Kraft für die Freiheit des Denkens und der Kultur in einer toleranten und weltoffenen Gesellschaft einzusetzen.“

Dafür steht auch die Aktion „Fünf vor Zwölf“ anlässlich des Jahrestags der Bücherverbrennung in Neu-Isenburg. Die Stadt verteilt und veröffentlicht den Text „Über das Verbrennen von Büchern“ von Erich Kästner auf der Homepage (www.neu-isenburg.de). Diese soll dann um „Fünf vor Zwölf“ am Freitag, 24. Juni, an den unterschiedlichsten Orten, an Schulen, in Senioreneinrichtungen, Kitas, Büchereien, städtischen Einrichtungen, Kirchen, Moscheen oder im Einkaufszentrum vorgetragen werden.

Die Abschlussveranstaltung ist dann um 17 Uhr auf dem Wilhelmsplatz vorgesehen. Dort wird der Text von Bürgermeister Herbert Hunkel vorgelesen und mit der Musik verfemter Komponisten untermalt. Hunkel bittet alle Bürger um Mithilfe und Beteiligung beim Mahnen, Gedenken und Erinnern. Alle, die bei der Aktion mitmachen, werden gebeten, ein Foto der jeweiligen Lesung ins Rathaus (E-Mail-Adresse: stadt.archiv@stadt-neu-isenburg.de) zu senden. Die Fotos sollen auf der Homepage der Stadt und auf Facebook eingestellt werden. Im Anschluss ist geplant, die Fotos in einer Ausstellung zusammenzufassen und im Stadtarchiv, Frankfurter Straße 53-55, zu präsentieren.

Für Fragen zur Aktion stehen die Mitarbeiterinnen der Seminar- und Gedenkstätte Bertha-Pappenheim-Haus, 06102/241-754 oder -755, und des Stadtarchivs, 06102/249911, E-Mail claudia.lack@stadt-neu-isenburg.de, zur Verfügung.

Erich Kästner (1899 - 1974) war der einzige der verfemten Schriftsteller, der der Verbrennung seiner Bücher auf dem Opernplatz in Berlin beiwohnte und seine Gedanken niederschrieb. Nirgends ist der Zivilisationsbruch der Bücherverbrennungen unmittelbarer beschrieben als bei ihm, der die eigenen Schriften unter Goebbels Hasstiraden brennen sah. Der Erfolgsschriftsteller, der die NS-Zeit nur mit viel List überstehen konnte, ist immer wieder in aller Schärfe auf die Geschehnisse im Mai 1933 zurückgekommen.

Sein Urteil blieb unverrückbar: „Ich habe Gefährlicheres erlebt, Tödlicheres – aber Gemeineres nicht!“ In seinem 1947 entstandenen Text zum „Jubiläum einer Schandtat“ spricht er von einem „unvergesslich widerwärtigen Schauspiel, das unauslöschbar in den Annalen der Menschheit eingetragen bleiben wird“. Er schreibt aber auch: „Wir wussten damals nicht, was heute, nach vielen entsetzlichen Jahren die ganze Welt weiß: Mit solchen Methoden kann man zwar ein Volk vernichten, Bücher aber nicht.“

Auch interessant

Kommentare