Fairness bis zur Ladentheke

Seligenstadt - In diesem Jahr feiert der Seligenstädter Weltladen achtjähriges Bestehen. Jetzt erhielt er die offizielle Bescheinigung, dass die Standards für fairen Handel eingehalten werden. Von Sabine Müller
Für die 60 Vereinsmitglieder ein wichtiges Aushängeschild, nachdem der gerechte Handel in die Kritik geraten ist. Der Markt mit sozial gehandelten Produkten boomt: Laut Statistik ist der Umsatz von 2005 bis 2013 in Deutschland von 72 Millionen auf 654 Millionen Euro gestiegen. Immer mehr Kunden wollen anscheinend mit ihrem Konsumverhalten ein Zeichen setzen. „Dennoch sind wir bei fairem Handel noch immer Entwicklungsland“, sagt Lothar Wegener. Der Seligenstädter gehört zu den Gründern des Vereins Weltladen Seligenstadt und ist heute in der Vorstandsriege. Seit 2008 agierte er im Vorstand des Weltladen-Dachverbands, in dem auch Seligenstadt Mitglied ist. Die vergangenen drei Jahre als dessen Vorsitzender, bis er dieses Amt im Juni abgab. Glaubwürdigkeit und Profilierung seien Schlagwörter, die künftig die Arbeit von Weltläden maßgeblich bestimmen werden, erklärt der Dachverband. Denn nachdem ihre Produkte in die Regale von Supermärkten, Discountern und Tankstellen gewandert sind, behaupten Kritiker, fairer Handel habe politisch motiviert begonnen und sei mittlerweile zur Marketing- und Profitmasche verkommen - auf Kosten der Menschen im Süden. Außerdem tauchten immer mehr Gütesiegel auf, die wie die Bezeichnung „Bio“ ungeschützt und damit Definitionssache seien.
Durch die stärkere öffentliche Wahrnehmung sehen sich auch die Weltläden verpflichtet, ihre Arbeit zu reflektieren und auf die Einhaltung der Kriterien des fairen Handels hin zu überprüfen. Im Jahr 2013 fand wieder ein Monitoring-Durchlauf statt, an dem sich der Seligenstädter Weltladen zum zweiten Mal beteiligte. Die Selbstauskunft der Dachverbandsmitglieder wird in einem mehrseitigen Fragebogen erfasst. Neben statistischen Angaben wird abgefragt - danach durch ein Prüfverfahren kontrolliert - inwieweit die sieben Standards der Konvention der Weltläden erfüllt werden. Das Ergebnis: Bei den Kriterien „Handelspraktiken“, „Arbeitsbedingungen“, „Bildung und Information“ sowie „Öffentlichkeitsarbeit“ liegt Seligenstadt in seiner Referenzgruppe nahe oder sogar über dem Durchschnitt der meisten Weltläden. In den Bereichen „Transparenz“ (zum Beispiel regelmäßige Finanz-/Jahresberichte, transparente Entscheidungsprozesse) und „Umweltschutz“ (bewusster Umgang mit Müll/Verpackungen) gibt es noch Verbesserungsmöglichkeiten. Bisher bekamen nur fünf Weltläden in ganz Deutschland das Aushängeschild „Fairer Handel. Garantiert.“ Seit Juni gehört Seligenstadt dazu. Der Laden darf damit neben dem Markenzeichen des Weltladen-Dachverbandes das der World Fair Trade Organization (WFTO) tragen, in der weltweit soziale Produzenten, deren Vermarktungsorganisationen, Importeure und Weltladen-Verbände vereinigt sind.
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Mit der WFTO-Zertifizierung wollen die ehrenamtlichen Akteure ihr Image verbessern. Das grün-blaue Logo auf schwarzem Grund - Erkennungszeichen von Fairtrade International - reicht ihnen nicht mehr aus. Die Fairness müsse sich von der Produktion bis zur Verkaufstheke erstrecken. „Viele Supermärkte bieten Waren mit diesem Zeichen feil“, sagen die Weltladen-Initiatoren Claus Ost und Eckhard Musch. Doch bei der WFTO, die keine Produkte, sondern ein Unternehmen oder eine Organisation als Ganzes siegele, würden etwa Aldi und Lidl, die nicht gerade als soziale Arbeitgeber bekannt seien, durchfallen. Außerdem weiche das Gütesiegel immer mehr auf: Es reiche, wenn Mischprodukte (Eis, Schokolade, Kekse) nur noch zu 20 Prozent aus zertifizierten Zutaten bestünden. „Wir sagen, es müssen mindestens 70 Prozent sein“, erklärt Lothar Wegener. Die Gepa, größter europäischer Importeur fair gehandelter Waren und Gründungsmitglied des fairen Handels, verpasse ihren Produkten deshalb kaum noch das Fairtrade-Siegel. Sie hebt sich mittlerweile mit dem Logo „Fair+“ ab.
Wer mit fairem Handel die Strukturen des Welthandels gerechter gestaltet möchte, dem empfehlen Wegener, Ost und Musch den Gang ins „Fachgeschäft“: Am kommenden Samstag, 11 bis 15 Uhr, beteiligt sich der Weltladen an der Kampagne „Faire Woche“ mit einer „Weltladentafel“: An der Aschaffenburger Straße 43 kann man sich informieren, Produkte probieren und zusammensitzen.