Klagende Unschuldslämmer
Offenbach - Der Ruf, der Anhängern des Fußballclubs Dynamo Dresden vorauseilt, steht kaum dem von Hunnen oder Wandalen in der Völkerwanderungszeit nach. Allerdings waren die Stämme frei vom Rassismus, den ein Teil der Elb-Hooligans pflegt. Von Thomas Kirstein
Wer im Internet nach „Dresden“ und „Fans“ sucht, wird mit einer Fülle von Berichten über Krawalle und antisemitische Hetze bedient.
Beim Spiel Offenbach gegen Dresden gilt also höchste Alarmstufe, zumal in einer Baustelle. Nachdem es dann tatsächlich zu Konfrontationen gekommen ist, gehen die als Provokateure geltenden Sachsen in die mediale Offensive. Die Methode ist bekannt: erst Krawall machen, dann die Unschuldslämmer mimen.
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In einem breit gestreuten Offenen Brief wirft die Fangemeinschaft Dynamo dem OFC und den Ordnungskräften Konzeptlosigkeit und gravierende Fehler vor. Am Eingang sei eine völlig unübersichtliche Situation entstanden; Ordnungskräfte hätten zu schnell zu Pfefferspray gegriffen; die Polizei habe auf Zäunen sitzenden Fans Gewalt angedroht; 31 Verletzte seien zu beklagen.
„Auf die Dresdner loszugehen war natürlich unverzeihlich“
Die Unruhe auf den Rängen verursachen zunächst Kickers-Extreme. Die mögen nicht dulden, wie schwarz-gelbe Dresdner mit im Internet ersteigerten Karten sich in „ihrem“ Block breit machen. Eine schwer ausgerüstete Polizeieinheit trennt die rangelnden Gruppen.
„Auf die Dresdner loszugehen war natürlich unverzeihlich“, sagt OFC-Fanbeauftragter Matthias Schmidt, „die Offenbacher haben sich wohl in ihrer Ehre angegriffen gefühlt, weil sie innerhalb ihres Reviers von gegnerischen Fans provoziert wurden.“ Am Sicherheitskonzept bemängelt Schmidt nur „nicht ganz ideale Kleinigkeiten“. Aber das müsse man Auge in Auge mit der Polizei klären.
Die hatte sich für ein Risikospiel gerüstet. In umbaubedingter Ermangelung eines Zauns wird für das Spiel gegen die Ostkicker eine Mauer aus Überseecontainern errichtet. Laut Einsatzleiter Bernd Denninger ist das Konzept aufgegangen: Der Spielbetrieb konnte aufrechterhalten werden. Dem Leitenden Polizeidirektor lagen Informationen vor, wonach gewaltbereite Dresdner beabsichtigten, Kassenhäuschen und Spielfeld zu stürmen.
Etliche Sachsen kletterten auf den inneren Zaun
Das erklärt Maßnahmen, die im Dresdner Brief kritisiert werden. Als es am Eingang zu massivem Gedrängel kommt, wird im Leonhard-Eißnert-Park abgeriegelt. Dynamo-Hooligans bewerfen die Beamten daraufhin mit Krachern und Flaschen, zünden Bengalos und Rauchpulver, versuchen, die Sperre zu durchbrechen. Die Polizisten greifen zum Pfefferspray.
Gegen Ende des Spiels klettern etliche Sachsen auf den inneren Zaun. Über Megafon wird ihnen Gewalt angedroht, sollten sie nicht herunterklettern. Dass dies auch zum Schutz der Fans selbst geschieht, ist blutig belegt: Einer reißt sich an Metallstäben ein Stück, ein anderer den ganzen Finger ab. Die beiden zählen zu den genannten 31 Verletzten. 14 davon leiden unter dem Tränengas, sieben Ordner bekommen Schläge ab, neben dem Ohr eines Polizisten detoniert ein sogenannter Polenböller. 26 Festnahmen sind protokolliert, davon 16 wegen Alkohols, eine wegen Drogen und eine wegen bestehenden Haftbefehls.
Die Gewaltbereitschaft der Dresdner hat sich übrigens schon bei der Anreise nach Offenbach erwiesen. Für etliche Krawallmacher endet die Tour im fränkischen Hof. Dass nicht so viele wie befürchtet anreisen, verdankt sich wohl auch Public Viewing in Dresden. Das kam offensichtlich erst nach mehrfacher massiver Intervention aus Offenbach zustande.
Oberbürgermeister Horst Schneider berichtet jedenfalls, er habe beim Stellvertreter seiner Dresdner Kollegin so gar kein Problembewusstsein feststellen können: „Der hat gesagt, wir wollten doch bloß kein Dresdner Heimspiel bei uns.“