Drohen wegen Corona leere Regale in den Supermärkten? Das sagen Speditionen und Handel

Die Corona-Zahlen steigen auch in Hessen weiter an. Der Bundesverband der Berufskraftfahrer schlägt wegen möglicher Personalengpässe Alarm, die Supermärkte sehen sich gut vorbereitet.
Offenbach - Die rapide steigenden Corona-Zahlen beunruhigen nicht nur Politiker. Angesichts der sich ausbreitenden Omikron-Variante warnt der Bundesverband Güterverkehr Logistik und Entsorgung (BGL) davor, dass bei hohen Personalausfällen Transporte verschoben werden könnten. Die Lebensmittelhändler versichern hingegen, sie seien auf fehlende Mitarbeiter und ausbleibende Lieferungen vorbereitet.
Was passiert, wenn etwa ein Drittel aller Berufskraftfahrer wegen einer Corona-Infektion gleichzeitig ausfallen? In einer Vorsorgeprüfung hat der BGL diese Situation simuliert. Ergebnis: Sollten rund 30 Prozent des Personals fehlen, „können die Lieferketten nicht mehr vollständig gewährleistet werden“. So müssten Speditionen Transporte verschieben oder neue Aufträge ablehnen. Laut BGL hätte dies eine Priorisierung von Lieferungen zur Folge.
Aber: Nicht Lebensmittel würden dann in den Lagern bleiben, sondern andere Waren wie zum Beispiel Elektronikartikel. „Der bestellte Computer kommt dann eben ein oder zwei Wochen später“, sagt BGL-Sprecher Martin Bulheller. Nach Angaben des Verbandes liege der Krankenstand im laufenden Januar rund fünf bis zehn Prozentpunkte höher als zu dieser Jahreszeit vor Corona.
Trotz Corona: Logistikverband in Hessen sieht keine Lieferprobleme
Thorsten Hölser sieht die Grundversorgung trotz Omikron nicht gefährdet. Der Geschäftsführer des Speditions- und Logistikverbandes Hessen Rheinland-Pfalz betont: „Die meisten Lebensmitteltransporte werden vom regionalen Verkehr übernommen. Daher ist das Risiko in dieser Branche geringer.“ Als Begründung führt Hölser die kurzen Wege zu den Märkten, regelmäßigen Test sowie eine hohe Impfbereitschaft unter den Fahrern an.
Eine genaue Impfquote sei ihm zwar nicht bekannt, er gehe aber davon aus, dass diese etwa im Bundesdurchschnitt liegt. Er sehe daher keinen Grund, warum die Regale plötzlich leer bleiben sollten. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Grundversorgung ausfällt.“ Gänzlich ausschließen könne Hölser dieses Szenario jedoch nicht.
Das gilt auch für das Unternehmen Dachser. Der Logistiker, der Lebensmittelmärkte unter anderem aus Erlensee beliefert, versichert jedoch, dass seit Beginn der Pandemie alles unternommen werde, um für ausreichend Ware zu sorgen. „Wir sind uns unserer Verantwortung bewusst und zuversichtlich, mit unseren strengen Schutz- und Sicherheitsmaßnahmen die Lieferketten im Lebensmittelbereich im Rhein-Main-Gebiet am Laufen halten können“, teilt das Unternehmen auf Nachfrage mit. So würden alle Fahrer regelmäßig getestet, ebenso habe es innerhalb des Unternehmens eine eigene Impfkampagne gegeben. Zu Einschränkungen bei den Lieferungen ist es laut Dachser bisher nicht gekommen.
Wegen Corona: Speditionen bereiten sich auf Personalengpässe vor
Die Nagel Gruppe, Deutschlands größter Lebensmittelspediteur, der auch in Groß-Gerau einen Standort betreibt, hat ebenfalls für den Ernstfall vorgesorgt. So könnten „Notfall-Teams“ einspringen, sollten zeitgleich mehrere Mitarbeiter einer Abteilung ausfallen, berichtet Pressesprecher Julian Mester. Zudem setze das Unternehmen auf ein zentrales interdisziplinäres Krisen-Team, um bei einem möglichen Corona-Ausbruch am jeweiligen Standort reagieren zu können.
Ein größerer Personalausfall, – gerade bei Lkw-Fahrern oder Kommissionierern – sei allerdings schwer zu kompensieren, räumt Mester ein. Daher arbeitete der Logistiker zusammen mit Verbänden und Behörden an Lösungen. Dass ein Standort aufgrund von massenhafter Quarantäne komplett geschlossen werden muss, befürchtet Mester aber nicht. „Wir werden eher einzelne Arbeitsbereiche isolieren müssen.“
Lebensmittel-Importe nach Hessen steigen
Im vergangenen Jahr sind mehr Lebensmittel nach Hessen importiert worden. Das geht aus Zahlen des Statistischen Landesamtes hervor. Demnach brachten ausländische Händler im untersuchten Zeitraum von Januar bis Oktober rund 1,74 Millionen Tonnen Nahrungs- und Genussmittel, wie Käse, Weizen oder Rohtabak, über die Landesgrenze. Im Vorjahreszeitraum überquerten noch knapp 1,7 Millionen Tonnen Güter die hessische Grenze.
Am häufigsten wurden 2021 Backwaren und andere Zubereitungen aus Getreide nach Hessen importiert. Insgesamt 149 397 Tonnen hatte der Güterverkehr geladen. jb
Lager in den Supermärkten auch in Corona-Zeiten gut gefüllt
Und wie ist die Situation bei den Märkten? „Die Warenversorgung ist gesichert, die Lager sind gut gefüllt“, versichert Rewe-Sprecher Thomas Bonrath. Ein hoher Personalausfall und damit einzelne Filial-Schließungen drohe ebenfalls nicht. Die Mitarbeiter des Konzerns seien bislang nicht überdurchschnittlich oft krank, zudem könne Rewe schnell auf mögliche Krankheitsfälle reagieren, so dass „selbst bei derzeit realistischen Worst-Case-Szenarien“, keine Einschränkungen für Kunden drohten, betont Bonrath.
Bei Edeka Südwest sieht die Lage ähnlich aus. Der Konzern passe sein Hygienekonzept stetig an die neuen Empfehlungen an, ein Personalengpass sei nicht zu befürchten, sagt der stellvertretende Pressesprecher Florian Heitzmann.
Auch bei Aldi Süd rechnet man nicht mit Versorgungsproblemen. Zwar sei es nicht auszuschließen, dass es durch die Omikron-Variante zu veränderten Lieferketten kommen könne. Das Unternehmen versichert jedoch, dass genügend Lebensmittel verfügbar seien, da man „mit unseren Lieferanten und Logistikexperten im ständigen Austausch“ stehe, teilt Sprecherin Nastaran Amirhaji mit.
Von Joshua Bär