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Corona lässt die Zahl der Online-Glücksspielsüchtigen steigen

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Von: Joshua Bär

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Werben mit dem großen Geld: Internet-Casinos sind Tag und Nacht verfügbar und bergen damit eine große Suchtgefahr. Besonders beliebt sind Poker, Sportwetten oder Automatenspiele.
Werben mit dem großen Geld: Internet-Casinos sind Tag und Nacht verfügbar und bergen damit eine große Suchtgefahr. Besonders beliebt sind Poker, Sportwetten oder Automatenspiele. © dpa

Automaten, Poker, Sportwetten. Während der Corona-Pandemie nutzen Menschen vermehrt Internet-Casinos, um sich die Zeit zu vertreiben. Doch was gegen die Langeweile helfen soll, kann schnell zu einer Sucht führen.

Offenbach – Stefanie Höft weiß, wie gefährlich das Online-Glücksspiel sein kann. Als Beraterin im Suchtberatungszentrum Wildhof in Offenbach hat sie in den vergangenen Jahren erlebt, wie schnell Menschen von den Formaten abhängig werden. „2015 kamen vielleicht zwei Prozent unserer Klienten wegen Online-Spielsucht zu unseren Beratungen.“ Im ersten Pandemiejahr 2020 stieg die Zahl auf´ 20,8 Prozent. Die Klienten sind überwiegend männlich. Rund ein Drittel der pathologischen Glücksspieler – online wie offline – ist zwischen 35 und 44 Jahre alt. 16 Prozent 16 bis 26 Jahre.

„Die beliebtesten Spiele sind die klassischen Casino-Spiele: Automaten, Poker oder Black-Jack“, berichtet die Sozialpädagogin. Aber auch Sportwetten würden immer mehr Menschen dazu verführen, ihr Geld für den schnellen Gewinn einzusetzen. Der Spaß stehe dabei nicht immer im Vordergrund. „Manche Menschen hoffen darauf, wenigstens einmal den Jackpot zu gewinnen, um sich damit dann auch ein Statussymbol leisten zu können.“ Das Risiko, dadurch sein gesamtes Geld zu verspielen, vergäßen die meisten dabei.

Internet-Casinos können Glücksspielsucht jederzeit befriedigen

Jan Gärtner, Suchtberater bei der Awo Main-Kinzig, beobachtet die Online-Glücksspielsucht vor allem bei Jugendlichen, die schon von anderen Stoffen abhängig sind. „So etwas sehe ich oft im Jugendarrest.“ Nach seiner Erfahrung sei jedoch auch das Umfeld dafür entscheidend, ob eine Sucht entwickelt werde oder nicht. „Ich merke aber schon, dass das Thema insgesamt zunimmt.“

Daniela Senger-Hoffmann, Projektleiterin Glücksspiel bei der Hessischen Landesstelle für Suchtfragen (HLS), begründet die Zunahme mit dem leichten Zugang zu Online-Glücksspielen. Mussten Süchtige früher in Spielhallen oder Kneipen gehen, um an Automaten spielen zu können, sei es heute nicht mehr nötig, dafür das Haus zu verlassen. „Das Smartphone oder den Computer hat man ja auch Zuhause“, betont die Projektleiterin. So könnten viele ihre Sucht dauerhaft befriedigen.

Glücksspielsucht durch Internet-Casinos: Vor allem Jugendliche gefährdet

Wie leicht solche Spiele abhängig machen, zeigen aktuelle Zahlen aus Hessen. Dort ist der Anteil an Menschen, die wegen einer Online-Glücksspielsucht die Beratungsstellen der Fachberatung für Glücksspielsucht aufsuchen, stark gestiegen. 2019 lag er bei 19,4 Prozent, 2020 waren es schon 31,9 Prozent. „Für 2021 haben wir noch keine abschließenden Zahlen, aber die Tendenz geht nach oben“, betont Senger-Hoffmann.

Vor allem Jugendliche seien durch die zahlreichen Angebote im Internet gefährdet. Denn im Gegensatz zu den herkömmlichen Automaten in Spielhallen sind die Online-Glücksspiele jederzeit verfügbar. Zwar sei auch das Online-Glücksspiel erst ab 18 Jahren erlaubt, die Betreiber kontrollierten jedoch nicht ausreichend, wer sich anmelde. Senger-Hoffmann kritisiert zudem, dass die Betreiber damit werben, die Ersteinzahlung zu verdoppeln oder gar zu verdreifachen: „Das ist ein großer Anreiz für junge Menschen, diese Glücksspiele auszuprobieren.“ Viele Einsteiger seien sich aber des Risikos solcher Internet-Casinos nicht bewusst.

Die im Glücksspielstaatsvertrag von 2021 festgelegte Einzahlgrenze bei Internet-Glücksspielen vom 1 000 Euro pro Monat hält Senger-Hoffmann für unangemessen. „Ein solch hohes Limit befördert ein exzessives Spielverhalten, was ein großes Suchtpotenzial birgt“, beklagt sie. Die Grenze sollte ihrer Meinung nach bei 300 Euro liegen „und selbst da habe ich noch Bauchschmerzen.“

Glücksspielsucht durch Warnsignale zu erkennen

Ein weiteres Problem sieht sie darin, dass die Online-Spielsucht für Außenstehende – anders als bei Alkohol oder Drogen – kaum zu erkennen sei. „Wir haben doch alle ständig unser Smartphone in der Hand. Da fällt es nicht auf, wenn jemand pausenlos auf diesen Portalen spielt.“

Doch nicht immer weise häufiges Zocken auf eine Sucht hin, meint Stefanie Höfl. „Menschen sind nicht gleich abhängig, nur weil sie sich über einen längeren Zeitraum exzessiv auf einem dieser Portale bewegen.“ Gerade bei Jugendlichen sei es oft so, dass das Interesse an Neuem schnell nachlasse. Dennoch seien die Online-Glücksspiele keine harmlose Freizeitbeschäftigung, betont sie.

Angehörigen oder Freunden rät sie, die Situation zu beobachten. „Gibt es noch andere Interessen außer dem Spiel? Zieht sich die Person immer mehr zurück? Fragt sie auffällig oft nach Geld oder nimmt sie nicht mehr an sozialen Aktivitäten teil?“ Wer eine Sucht bemerkt, sollte den Betroffenen nicht mit Vorwürfen konfrontieren, sondern versuchen, mit Mitgefühl und Empathie zu reagieren. „ansonsten machen die Betroffenen gleich zu“, weiß Höfl.

Von Joshua Bär

Beratungsstellen in der Region

Glücksspielsüchtige finden in der Region zahlreiche Beratungsstellen. Eine Liste als pdf-Format gibt es auf der Internetseite der Hessischen Landesstelle für Suchtfragen (HLS) unter https://www.hls-online.org/arbeitsbereiche/gluecksspiel/gluecksspielsucht/landesprojekt-hessen/.

Die Suchtberatung des Wildhof in Offenbach ist unter 069 9819530 oder per Mail an offenbach@shv-wildhof.de erreichbar. Die Berater der Awo Main-Kinzig erreichen Betroffene und ihre Angehörigen unter 06051 9155880 oder per Mail an verwaltung@suchthilfe-awo-mk.de. jb

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