Greifvogel contra Windräder

„Wenn die Planungen schon so weit fortgeschritten sind, was sollen die Bürger dann eigentlich noch entscheiden?“ Zumindest ein Bürger fühlte sich wohl von den Fakten überholt und tat das mit einem schriftlichen Kommentar zur digitalen Auftakt-Veranstaltung eines Bürgerdialogs über die Nutzung von Vorrangflächen für Windräder auf dem Gebiet der Gemeinde Schaafheim kund.
Schaafheim - Aber eigentlich gibt es überhaupt noch keine Planung. Bislang sind durch die Regionalversammlung Südhessen lediglich zwei Vorrangflächen ausgewiesen worden. Die waren – und sind noch – blockiert durch ein Veto der Deutschen Flugsicherung, weil der Betrieb von Windenergieanlagen (WEA) die Funktion des nahen Funkfeuers Charly auf Großostheimer Gebiet stören könnte. Dessen Technik soll allerdings umgestellt werden, und das hat Bewegung in die Sache gebracht.
„Zwei Hände voll Investoren und Projektentwickler“ seien inzwischen schon in Schaafheim vorstellig geworden, berichtete Bürgermeister Daniel Rauschenberger (CDU), der den Bürgerdialog zusammen mit der LandesEnergieAgentur Hessen (LEA) angestoßen hat. Allerdings sei es zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht einmal möglich, eine Genehmigung zu beantragen, schränkte Angelika Buschkühl-Lindermann vom Regierungspräsidium Darmstadt (RP) ein, denn noch sei die Technik nicht umgestellt. Wenn dies geschehen ist, sei die Deutsche Flugsicherung zu einer neuen Stellungnahme aufgefordert.
Der Bürger muss sich also nicht um seine Beteiligung sorgen. Rein rechtlich sind seine Möglichkeiten aber beschränkt, da es sich bei der Errichtung von WEA um ein „privilegiertes Bauvorhaben im Außenbereich“ handelt, das vom RP nach Maßgaben des Bundesimmissionsschutzgesetzes (BImSchG) beurteilt wird. Letztlich ist dann erst die Genehmigung verwaltungsrechtlich anfechtbar.
Diese Rechtslage hat in der Vergangenheit nicht selten zur Verhärtung des Fronten zwischen Windkraftbefürwortern und -gegnern beigetragen.
Auf jeden Fall sei es besser, frühzeitig Dialog und Konsens zu suchen, gab Christiane Freitag vom Bürgerforum Energiewende Hessen zu bedenken, die die Online-Veranstaltung moderierte.
Angelika Buschkühl-Lindermann erläuterte, wie das RP im Auftrag der Regionalversammlung Südhessen Vorrangflächen für WEA ausgedeutet hat. Maßgabe des Landes Hessen ist es, zwei Prozent der Landesfläche für WEA auszuweisen. Dieses Ziel werde insbesondere in Südhessen nicht ganz erreicht, so die Vertreterin des RP.
Auf Schaafheimer Gebiet sind es zwei Flächen – die Fläche 2-88, mit einer Größe von 28 Hektar in offener Feldflur auf dem Hang zwischen Straßenhof und Kerngemeinde unweit des Naturschutzgebiets Buchertsgräben, und 2-117, mit 81 Hektar deutlich größer, im Wald zwischen den Schaafheimer Ortsteilen Radheim und Mosbach und dem Groß-Umstädter Stadtteil Dorndiel.
Bürgermeister Rauschenberger machte recht deutlich, dass er die Nutzung der Fläche 2-88 „sehr kritisch“ sieht. Und zur Überraschung von RP-Frau Angelika Buschkühl-Lindermann wies Straußenhof-Bäuerin Stephanie Roth auf eine Rotmilan-Kolonie im Gehölz der Buchertsgräben hin. Es wäre nicht das erste WEA-Projekt, das am Schutz dieser Vogelart scheitert. Kollisionen mit Windenergieanlagen sind die häufigste gemeldete Todesursache bei Rotmilanen in Deutschland.
Besser nutzbar scheint 2-117. Je nach Positionierung biete diese Fläche Raum für drei bis vier große WEA, erläuterte Christopher Lüning von der LEA – „Strom für etwa 4000 Haushalte“. Möglichkeiten, den verbilligt an Schaafheimer Bürger abzugeben, gebe es allerdings nicht. Allenfalls könnten sie über Beteiligungsmodelle profitieren. Bürgermeister Rauschenberger schloss allerdings aus, dass sich die Gemeinde an die Spitze einer energiegenossenschaftlichen Bewegung stellt. Das Investitionsvolumen für die Errichtung von WEA sei so groß, dass Investoren und Projektentwickler mit ins Boot müssten.
Einige Teilnehmer sorgten sich um den Wald. „Pro WEA muss aber nur ein halber Hektar gerodet und eins zu eins wieder aufgeforstet werden“, versicherte Lüning. Ehe am Rande wurde die Vorrangfläche 2-95 auf Groß-Umstädter Gebiet thematisiert, für die bereits drei WEA projektiert sind. Mit weiteren drei bis vier auf 2-117 könnten sich einige der rund 460 Einwohner Dorndiels dann schon ein wenig umzingelt fühlen. (sr)