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In der JVA Dieburg, einem einstigen Kapuzinerkloster, sitzen eher leichte Fälle ein

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Von: Jens Dörr

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Außenansicht: Selbst bei freundlichem Wetter ist der Blick auf die JVA Dieburg von der Römerhalle aus fürs Stadtbild kein schmeichelhafter.
Außenansicht: Selbst bei freundlichem Wetter ist der Blick auf die JVA Dieburg von der Römerhalle aus fürs Stadtbild kein schmeichelhafter. © Dörr, Jens

Rund 40 000 Menschen verbüßen der Statistik-Plattform Statista zufolge in Deutschland derzeit eine Freiheitsstrafe. Eingesperrt sind durch Untersuchungshaft (rund 12 000), Jugendstrafvollzug (rund 3 000) und Sicherheitsverwahrung (rund 600) noch einige mehr, in 95 Prozent der Fälle Männer. Bis zu 270 von ihnen kann die Justizvollzugsanstalt (JVA) Dieburg aufnehmen. Seit nunmehr 200 Jahren dient das einzige Kloster seinem heutigen Zweck. Auch darüber hinaus gab es im zu Ende gehenden Jahr in der JVA zwei „Runde“.

Dieburg – Immer wieder finden es Gäste, die Dieburg erstmals besuchen, ziemlich kurios, dass mitten in der Innenstadt und gegenüber der ehrwürdigen Wallfahrtskirche (Gnadenkapelle) ein Gefängnis steht. Besonders der Anblick von der Westseite (Römerhalle) auf die massive Mauer ist fürs Stadtbild wenig schmeichelhaft. Wer in der Gersprenzstadt aufgewachsen ist, nimmt die zentrale Lage irgendwann freilich routiniert hin. Und muss das wohl auch noch für lange Zeit tun, denn konkrete Bestrebungen des Landes Hessen zur Schließung oder zum Neubau der JVA Dieburg auf der grünen Wiese gibt es nicht. Auch im Zuge der Entwicklung des großen Baugebiets im Dieburger Süden, das für einen Ersatzbau Optionen böte, wird dieser Gedanke nicht verfolgt.

So bleibt es beim Standort nur zwei Steinwürfe von der Fußgängerzone entfernt. Das spätere Verwaltungsgebäude der JVA hatten zunächst die in Dieburg (bis vor einigen Jahren noch im Minnefeld) vertretenen Kapuziner als Kloster genutzt. Erst 1822 endete diese Ära, die in die Nutzung des Gebäudes als Arreststätte überging. Landstreicher, Bettler und Zocker waren die Ersten, die in den zweifelhaften „Genuss“ der dortigen Unterbringung kamen. Immer wieder wurde das Gefängnis danach erweitert. Im Dritten Reich saßen auch Widerständler ein.

Das Ursprungsgebäude der JVA wurde vor 130 Jahren, 1892, errichtet. Das erste der neuen Zellengebäude wurde vor 60 Jahren, 1962, fertig. Das zweite der neuen Zellengebäude ging 1964 in Betrieb. Heute beherbergen die Trakte eher leichte Fälle und keine Männer, die grobe Gewalt- oder Sexualverbrechen begangen haben. Stattdessen handelt es sich bei den Insassen in Dieburg um Verurteilte mit Freiheitsstrafen von bis zu zwei Jahren oder um solche, die Ersatzfreiheitsstrafen verbüßen.

Einigen ermöglicht die JVA Dieburg, die seit 2018 von Klaus-Dieter Vogt geleitet wird und in der demnächst der Antrittsbesuch des im Sommer 2022 neu ernannten Hessischen Justizministers Roman Poseck (CDU) ansteht, auch den offenen Vollzug. Der sieht konzeptionell vor, dass der Häftling die Anstalt unter bestimmten Voraussetzungen tagsüber zum Arbeiten verlassen darf. Landgerichte, die Verurteilte mit klassischen Freiheitsstrafen von bis zu 24 Monaten zuweisen, sind jene der Bezirke Darmstadt, Frankfurt, Hanau, Limburg und Wiesbaden. Häftlinge mit sehr kurzen Freiheitsstrafen kommen auch aus den Bezirken Fulda, Gießen, Marburg und Kassel.

Alle Landgerichte in Hessen können zudem Verurteilte mit Ersatzfreiheitsstrafen nach Dieburg schicken. Diese werden dann vollstreckt, wenn eine Person trotz wiederholter Aufforderung eine Geldstrafe säumig bleibt. Nicht bezahltes Geld wird anhand der vom Richter festgelegten Tagessätze in Freiheitsentzug „umgerechnet“. Heißt: Wer zum Beispiel zu 100 Tagessätzen (egal welcher Höhe) verurteilt ist und diese nicht bezahlt, muss ersatzweise 100 Tage ins Gefängnis. Die Ersatzfreiheitsstrafen stehen unter anderem deshalb in der Kritik, weil die Unterbringungskosten für die Häftlinge den Steuerzahler in der Regel deutlich teurer kommen als die entgangene Geldstrafe. Pro Hafttag kostet ein Häftling den deutschen Staat und seine Bürger rund 150 Euro. Etwa jeder zehnte Insasse einer JVA sitzt hierzulande derzeit eine Ersatzfreiheitsstrafe ab. (Jens Dörr)

Innenansicht: Blick über den von einem Fußball-Platz geprägten Hof der JVA Dieburg. Im Hintergrund erhebt sich der Turm der Gnadenkapelle.
Innenansicht: Blick über den von einem Fußball-Platz geprägten Hof der JVA Dieburg. Im Hintergrund erhebt sich der Turm der Gnadenkapelle. © dörr

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