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Kirchenpräsident sieht Letzte Generation „in der Tradition von Jesus“

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Von: Peter Hanack

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Berechtigter Protest? Die „Letzte Generation“ blockiert immer wieder Straßen wie hier in Berlin. Kirchenpräsident Volker Jung hält dies für vertretbar.
Berechtigter Protest? Die „Letzte Generation“ blockiert immer wieder Straßen wie hier in Berlin. Kirchenpräsident Volker Jung hält dies für vertretbar. © dpa

Die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau will ihr eigenes Klimagesetz schaffen. Sie entschuldigt sich bei queeren Menschen und fordert mehr Hilfe für Geflüchtete.

Frankfurt - So viele Menschen wie nie zuvor haben binnen eines Jahres der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) den Rücken gekehrt. 30.000 waren es 2022, wie Kirchenpräsident Volker Jung mitteilte. Als Grund vermutete er sexualisierte Gewalt in Kirchen und die wirtschaftliche Lage, die dazu führe, dass Menschen die Kirchensteuer sparen wollten.

Unter diesen Vorzeichen tagt noch bis zum Samstag (29. April) in Frankfurt die Synode der EKHN, eine Art Kirchenparlament. Diese Zusammenkunft diskutiert und fasst Beschlüsse, um die Kirche in die Zukunft zu führen und in der Gesellschaft zu positionieren.

Ein Schuldbekenntnis gegenüber queeren Menschen wurde von der Synode mit großer Mehrheit angenommen. In geheimer Abstimmung hätten 81 Mitglieder mit Ja votiert, fünf mit Nein bei neun Enthaltungen, teilte die EKHN mit.

„Würde von Gottes Geschöpfen verletzt“: Evangelische Kirche bittet queere Menschen um Vergebung

In dem Bekenntnis steht, Lesben, Schwule, Trans- und Intersexuelle hätten in Gemeinden und Einrichtungen der EKHN Diskriminierung erfahren. Damit habe die Kirche „die Würde von Gottes Geschöpfen verletzt“. Viel zu lange habe man die Vielfalt der Geschlechter, unterschiedlicher sexueller Orientierungen, Lebensweisen und Familienmodelle nicht geachtet.

„Als Kirchenleitung und Kirchensynode bitten wir vor Gott und den Menschen dafür um Vergebung“, heißt es in dem Bekenntnis, für dessen Annahme Jung ausdrücklich geworben hatte. Dieses Schuldeingeständnis solle keinen Schlusspunkt setzen, sondern weitere Diskussionen auslösen und die Sensibilität erhöhen.

Zu den Protesten der „Letzten Generation“ sagte Jung, diese seien vertretbar, solange die Sicherheit von Menschen gewährleistet werden könne und lediglich passiver Widerstand geleistet werde. Gewalt dürften die Protestierenden nicht ausüben. Die Ziele und Forderungen der „Letzten Generation“ seien nachvollziehbar und gerechtfertigt. Sie führe mit ihren Aktionen in aller Dringlichkeit die unausweichlichen Folgen des Klimawandels vor Augen.

Evangelische Kirche Hessen sieht Klimawandel als „zentrale Herausforderung unserer Zeit“

Sie stünden damit „in der biblischen Tradition endzeitlicher Denker wie der Propheten oder sogar Jesus selbst“. Zweifel äußerte Jung aber an der Wirksamkeit der Proteste. Deren Form wecke zwar mediale Aufmerksamkeit, führe aber in ihrer Rezeption weg von der eigentlichen Auseinandersetzung damit, was gegen den Klimawandel zu tun sei. Dennoch müsse die Gesellschaft solche Protestformen aushalten. Jung forderte, mit den Protestierenden ins Gespräch zu gehen. Diese als Terrorist:innen zu bezeichnen, sei völlig unangemessen.

Die EKHN selbst sieht Jung auf dem Weg zu einem kirchlichen Klimaschutzgesetz. Es werde sich an der Klimaschutzlinie der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) orientieren. Ziel sei es, die Treibhausgasemissionen bis 2035 um 90 Prozent und bis 2045 vollständig zu reduzieren. Das Gesetz solle der Synode spätestens im nächsten Jahr vGeorgelegt werden. Der Klimawandel sei „die“ zentrale Herausforderung unserer Zeit. Der Kampf dagegen gehöre zur Glaubwürdigkeit der Kirche.

Evangelische Kirche Hessen-Nassau spricht auf Synode über Erdbebenopfer und Geflüchtete

Für Erdbebenopfer, Kinder und queere Geflüchtete fordert die EKHN-Synode in einem einstimmigen Beschluss mehr Schutz. Man habe den Fokus auf diese Gruppen von Menschen gerichtet, weil sie besonders verletzlich seien, erläuterte Jung. Die Staaten der Europäischen Union seien verpflichtet, die besonderen Schutzbedürfnisse dieser Personen zu berücksichtigen.

Die Kirche sei im Umbruch, befinde sich in einer Zeit tiefgreifender Veränderung, so Jung. Das machten auch die hohen Austrittszahlen deutlich. Man könne daher nicht einfach an Vergangenem festhalten. Dazu gehört auch, dass die EKHN in einem Reformprozess versucht, vom Jahr 2030 an jährlich 140 Millionen Euro weniger auszugeben. Unter anderem geht es dabei um die Zukunft von Tagungshäusern, Schulen oder Funktionsstellen innerhalb der Kirche. Beschlüsse dazu standen bis Redaktionsschluss dieser Ausgabe noch aus.

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