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Die Geheimnisse der Burg Nieder-Modau: Heimatverein will Licht ins Dunkel bringen

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Von: Claudia Kabel

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Truppen aus Frankfurt, Mainz und Worms sollen die Burg in Ober-Ramstadt zerstört haben. Viel Wissen ist nicht bekannt, daher will der Heimatverein nachforschen.

Ober-Ramstadt - An die geheimnisvolle Burg auf dem Schlossberg bei Nieder-Modau in Ober-Ramstadt erinnert heute eine Tafel im Wald. Mauerreste der Anlage, die vermutlich aus dem 8. bis 11. Jahrhundert stammt, gibt es keine. „Die Steine wurden systematisch abgetragen und für den Bau von Häusern und Straßen in der Umgebung verwendet“, sagt Klaus Mangold. Der ehemalige Polizist aus Ober-Ramstadt (Landkreis Darmstadt-Dieburg) kam schon als Kind hoch auf den Schlossberg, um „nach Schätzen zu graben“, wie er erzählt. Seit 15 Jahren engagiert er sich im Verein für Heimatgeschichte und hat sich der Erforschung der Burggeschichte verschrieben.

Rekonstruktionsversuch der Burg Nieder-Modau auf dem Schlossberg bei Ober-Ramstadt von 1960.
Rekonstruktionsversuch der Burg Nieder-Modau auf dem Schlossberg bei Ober-Ramstadt von 1960. © Verein für Heimatgeschichte Ober-Ramstadt

Burg Nieder-Modau soll eine der größten Burgen im Odenwald gewesen sein

Die 280 Meter hohe Erhebung im heutigen Ober-Ramstädter Ortsteil Nieder-Modau hat man schnell erklommen. Unter Bäumen ist ein Plateau zu erkennen. Umgeben wird die ovale Anlage von einem Burgwall. Auch dieser ist bepflanzt, um Erosion zu verhindern. Laut Mangold war die Burg eine der größten im Odenwald. Wann und von wem sie erbaut wurde, ist nicht dokumentiert, wie Heimatvereins-Kollege Reinhold Reinmöller sagt. Vermutet werde, dass ihre Errichtung an dieser eigentlich ungünstigen Stelle mit dem gegenüberliegenden Silberberg, in dem auch Metalle gefördert wurden, zusammenhing.

Reinhold Reinmöller und Klaus Mangold vom Verein für Heimatgeschichte Ober-Ramstadt stehen am Burggraben.
Reinhold Reinmöller und Klaus Mangold vom Verein für Heimatgeschichte Ober-Ramstadt stehen am Burggraben. © Michael Schick

Reinmöller und Mangold haben jüngst einen Artikel über die Burg verfasst. Denn ihre Zerstörung jährte sich vergangenes Jahr zum 640. Mal. Zerstört haben soll sie ein Trupp, den die Städte Frankfurt, Mainz und Worms aussandten. Am 30. August 1382 verbuchte der Frankfurter Stadtrechner unter der Rubrik Kost und Zehrung Ausgaben von „32 Gulden, 1 Schilling, 60 Mannen mit Gleven und 1 eynspennigen und 4 Schiffen als man Dannenberg besah und Werner Kalb schedigte“.

Burgherr Werner von Kalb überfiel Händler, die nach Frankfurt reisten

Burgherr Werner Kalb von Reinheim hatte sich als Raubritter einen Namen gemacht und zahlreiche Angriffe auf Kaufmannsleute und Händlerzüge, die nach Frankfurt reisten, unternommen. Dagegen gingen die Städte vor und schickten ihre Mannen zuerst auf die Burg Tannenberg bei Seeheim, wo Kalb Amtmann war. Als man ihn dort nicht antraf, zog die Horde weiter in das zwölf Kilometer entfernte Nieder-Modau. Unterwegs brandschatzte und plünderte man die Dörfer.

Tannenberg, von wo aus Kalb mit seinen Mannen ebenfalls Raubzüge unternahm, wurde 1399, also 17 Jahre später, dem Erdboden gleich gemacht. Während dieses Ereignis jedoch durch Dokumente und Funde belegt ist, gibt es zum Angriff auf die Burg Nieder-Modau keine Zeugnisse. Das finden Mangold und Reinmöller seltsam, zumal Kalbs Lehnherren, die Grafen von Katzenelnbogen, nach der Brandschatzung eine detaillierte Verlustliste aus den Dörfern Modau, Rohrbach und Wembach anfertigten und Schadensersatz von Frankfurt verlangten. Nicht aufgeführt war dabei die Burg auf dem Schlossberg.

„Warum wird die inmitten dieser Dörfer liegende Burg in all den Akten nicht erwähnt, wo sie doch angeblich bis 1382 kontinuierlich bestand als mutmaßlicher Besitzmittelpunkt Werner Kalbs und das Ziel dieser Aktion hätte sein müssen“, fragte auch Lokalhistoriker Thomas Steinmetz in einem Aufsatz aus dem Jahr 2014.

Burg Nieder-Modau im heutigen Ober-Ramstadt: Verbleib von Steingeschossen ungeklärt

Arthur Funk, ein inzwischen verstorbenes Mitglied des Heimatvereins, berichtet indes 1985 in seinem Buch „Zur Geschichte des Schloßbergs bei Nieder Modau“ von behauenen Steinen „groß wie Kindsköpfe“, die ein Landwirt 600 Meter südlich des Schlossplateaus Anfang der 1980er Jahren auf seinem Acker gefunden habe. Es soll sich um Brocken aus rötlichem Granit gehandelt haben, die als Geschosse einer Blide fungierten, einer Wurfmaschine, wie sie 17 Jahr später gegen Tannenberg eingesetzt wurde. Für Funk ist dies der Beweis, dass die Zerstörung beider Burgen ähnlich verlaufen sein muss.

Wo sich die Steingeschosse heute befinden, ist unklar. Auch Thomas Becker, Bezirksarchäologe des Landesamts für Denkmalpflege Hessen, weiß davon nichts. „In unserem Ortsarchiv sind keine Funde von möglichen Blidenkugeln eingetragen“, sagt er auf Anfrage. Mangold geht indes davon aus, dass die Burg zwei Mal zerstört wurde. Als ein Bagger im Herbst 1980 auf dem Schlossberg ein Loch für einen Sendemast grub, seien darin zwei Brandschichten zu Tage gekommen. Auch sollen dabei unter anderem Tonscherben, Knochen, Eisenteile und Ziegel gefunden worden sein. Doch auch über deren Verbleib ist Becker nichts bekannt.

Die Burg Nieder-Modau sei „ein weißer Fleck“ und bisher nicht mit modernen wissenschaftlichen Methoden untersucht worden. „Die ersten Einträge bei uns stammen von Begehungen aus den 1990er Jahren, bei denen unter anderem Keramikfunde gemacht wurden, die ins 13. und 14. Jahrhundert datieren“, so der Archäologe. Außerdem gebe es erste Funde aus dem 19. Jahrhundert.

Wappen des Bernhard II. Kalb von Reinheim (l.) und Grabplatte mit Wappen der Kalb von Reinheim.
Wappen des Bernhard II. Kalb von Reinheim (l.) und Grabplatte mit Wappen der Kalb von Reinheim. © Michael Schick

Heimatverein will Burg Nieder-Modau als Denkmal sichtbar machen

Wenn es nach dem Heimatverein geht, soll bald Licht ins Dunkel kommen. Vorsitzender Michael Knopp wirbt derzeit dafür, ein Konzept zu erarbeiten, um die Burganlage zu erforschen – eventuell mithilfe einer Ausgrabung.

„Denkbar wäre eine kleine Grabung“, sagt Bezirksarchäologe Becker. Es müsse aber eine geophysikalische Untersuchung des Geländes vorausgehen, „damit man nicht an der falschen Stelle gräbt und etwas zerstört“. Mit einem Bodenradar könnte man herausfinden, ob es Türme gab, wo sich Hohlräume – also Keller – befinden, oder ob Anbauten existierten. Dafür müssten laut Becker keine Bäume gefällt werden. „Grundsätzlich haben wir wissenschaftliches Interesse“, sagt Becker.

Er fände es erfreulich, wenn man das Denkmal für die Öffentlichkeit besser wahrnehmbar und zugänglich machen könnte. Hierfür würde er gerne mit Verein und Kommune zusammenarbeiten. Die Initiative müsse aber von vor Ort kommen. Knopp will im März die Idee der Interessengemeinschaft Modau vorstellen. Bisher sei er nur auf Wohlwollen und Begeisterung gestoßen, sagt er. Man müsse sich aber bewusst sein, „dass dies ein sehr langwieriges Projekt wird“. (Claudia Kabel)

Zum Weiterlesen:

Bei Darmstadt: Menschliches Skelett auf Burgruine Tannenberg gefunden

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