Nach Sensationsfund bei Grabungen: Jetzt wird um die Mauerreste gekämpft
In Frankfurt gibt geteilte Meinungen zu Ausgrabungen in der Römerstadt Nida. Der Museumsdirektor stellt nun mehrere Möglichkeiten für die Zukunft vor.
Frankfurt - Die Ansage ist klar. „Für das Archäologische Museum erscheint der Erhalt der letzten Reste Nidas an Ort und Stelle unentbehrlich für eine künftig intensivierte Vermittlung vor Ort“, schreibt Wolfgang David, seit 2019 Leiter des Ausstellungshauses in der Karmelitergasse in Frankfurt. Fast 30 Seiten und drei Dutzend Bilder und Pläne umfasst das Exposé zur musealen Zukunft des 9000 Quadratmeter großen Geländes. Es ist der letzte noch nicht erforschte oder überbaute Teil des Verwaltungsmittelpunktes der Civitas Taunensium. Offizielle Anschrift: In der Römerstadt 126 bis 134. Auch wenn hier noch kein Haus steht. Bislang.
Bereits im September 2022 verfasst und kaum gelesen, erlangt Davids Werk nach dem sensationellen Fund eines Kellers neue Bedeutung. Wie berichtet wurde in der südöstlichen Ecke des Areals ein etwa 2,5 mal 2,5 Meter großer unterirdischer Lagerraum aus dem 1. Jahrhundert von Nida (ca. 75 bis 260 n. Chr.) freigelegt. Der Clou: Bei einem verheerenden Feuer vor mehr als 2000 Jahren wurden die hölzernen Wand- und Treppenverkleidungen zu Holzkohle verschmort. Und somit vor Fäulnis und Verfall bewahrt. So blieben auch die Jahresringe im Holz erhalten: Eine fast aufs Jahr genaue Datierung von Frankfurts ältestem Keller ist möglich. Außerdem wurden zwei (zerstörte) Öl-Amphoren, eine fein gerippte Bronzeschale und eine Sichel ausgegraben. Der Abdruck einer Leder-Sandale ergänzt das Fund-Ensemble.
Von neuer Bedeutung für Frankfurt: Grabungen in Römerstadt Nida
Den Keller an Ort und Stelle für die Nachwelt zu erhalten ist - technisch - nicht möglich. Und - planerisch - nicht erwünscht, will die städtische ABG Frankfurt Holding auf dem Areal doch acht Gebäude mit 190 Wohnungen sowie eine Kita errichten.

Doch es gibt noch mehr Funde. Seit Beginn der aktuellen Grabungskampagne im Herbst 2021 - die dem ABG-Vorhaben vorangehen muss - wurden Reste eines Paradepanzers, Schmuck, Münzen und tausende Scherben zutage gefördert. Und bereits in den 90er Jahren Mauerreste. Töpferöfen, ein Brunnen sowie ein ominöser „Kult-Keller“; sie sind heute unter Schutzbauten gesichert. So weisen es die alten Grabungsberichte aus. Ist der Kult-Keller weiteres Mithras-Heiligtum, wie Außenstehende vermuten? „Nein, nein“, sagt David. „Der wurde nur so genannt.“ Und der Museumsdirektor muss es wissen. Kuratierte er doch eine große, viel beachtete Ausstellung zu der Gottheit, die am Oster-Wochenende endete. Um die erwähnten Befunde zu sichern, wurden sie vor 30 Jahren teilweise wieder komplett zugeschüttet.
Versetzung kommt nicht in Frage: Diskussionen um Römerstadt Nida in Frankfurt gehen weiter
„Die Bedeutung dieser in situ (am Platz, Anmerk. d. Red.) gefundenen architektonischen Strukturen steht und fällt mit ihrem Verbleib in originaler Lage. Eine Versetzung - etwa in eine Grünanlage - kommt nicht in Frage“, schreibt David. Überhaupt spricht sich der promovierte Vor- und Frühgeschichtler generell gegen das Umplatzieren von Mauern und Mörtel aus.
Er verweist dabei auf die hitzigen Diskussion zur neueren Geschichte der Frankfurter Judengasse, die unter dem Verwaltungsgebäude der Stadtwerke an der Kurt-Schumacher-Straße ihre aktuelle Bleibe fanden. Das war 1987. Die Älteren erinnern sich. Damals war von einem „Geschichtsentsorgungspark“ die Rede. Das soll sich nun nicht wiederholen.
Grabungen in Frankfurt: Wie soll mit Mauerresten aus Römerstadt Nida umgegangen werden?
Gleichwohl bleibt auch Wolfgang David in seiner Zukunftsperspektive im Allgemeinen. Aber er weist auf Lösungen in Innsbruck und Ljubljana hin. Dort wurden historische Reste in Tiefgaragen, Korridoren und durch „Fenster in die Vergangenheit“ sichtbar erhalten. Letzte sind ganz profane transparente Fußböden. Auf dem Burgberg in Bratislava befinden sich römische Böden und Mauerreste unter einem hölzernen Fußboden, der bei Bedarf und Interesse wie eine umgekehrte Falltür hochgeklappt werden kann.
Das sieht ABG-Chef Frank Junker kritischer. „Wir werden jetzt sicher nochmals überlegen, wo wir Teile der Funde in die Gebäude integrieren können. Oder sie versetzten. Aus denkmalpflegerischer Sicht gibt es keine Hindernisse für eine Translozierung“, sagt Junker. Gemeint ist eine Rekonstruktion der Funde und Artefakte an anderer Stelle. Das habe ihm die Leiterin des Denkmalamtes, Andrea Hampel, zugesichert. Für seinen Wohnungbaugesellschaft sei aber ein offener Pavillon denkbar.
Grabungen in Frankfurt: Verstimmungen in der Politik zum Thema Römerstadt Nida
Der zuständige Ortsbeirat 8 (Nordweststadt, Niederursel, Heddernheim) und das Archäologische Forum Nida mit Sitz in Heddernheim kämpfen seit über 30 Jahren für eine ansprechende Präsentation der römischen Überreste. Vor Ort. Vergangenes Jahr erstritten sie einen Runden Tisch, der sich mit der Problematik auseinandersetzen sollte. Den verließ nun ausgerechnet die Leiterin des Denkmalamtes mit der spröden Erklärung, sie könne „nichts mehr beitragen“. Was für einige Verstimmungen und Irritationen bei den Stadtteilpolitiken sorgte. Und nicht nur dort.
Die CDU-Fraktion hat nun angekündigt, in der nächsten Sitzung des Gremiums am Donnerstag, 4. Mai, eine entsprechende Protest-Note einzubringen. Deren Ansage scheint klar. Oscar Unger
Kommentar zu Grabungen in Frankfurt: Hinter den Rubikon zurück
Der Runde Tisch für den Erhalt der antiken Funde auf dem Areal der römischen Stadt Nida war von Anfang an eine Alibi-Veranstaltung. Erstritten vom Ortsbeirat, der in den Jahrzehnten zuvor zwar Antrag um Antrag stellte, gleichwohl Absage um Absage kassierte und nur sehr halbherzig die Idee eines Römer-Parks verfolgte. An dem die Stadt - aus welchen unerfindlichen Gründen auch immer - nie Interesse hatte.
Der Rubikon ist längst überschritten. Alea iacta est. Planungs- und Baurecht marschieren. Doch Geschichte muss sich nicht wiederholen. Nun bedürfte es eines schnellen und historisch verantwortungsvollen Einlenkens der Stadt und der ihr mehrheitlich gehörenden ABG Frankfurt Holding, um zumindest in dem nordwestlichen Teil des fast einen Hektar großen Areals eine repräsentative Dependance des Archäologischen Museums zu schaffen. Dort, wo in den 90er Jahren Töpferöfen, Brunnen und der inzwischen wieder zugeschüttete Kult-Keller ausgegraben wurden. Platz wäre vorhanden. Vielleicht tun es ja auch nur sechs oder sieben Wohngebäude. Statt der geplanten acht Mehrfamilienhäuser. Der Verweis auf die Wohnungsnot ist da nur ein sehr schwaches Argument. Was sind 20 Wohnungen im Vergleich zu 2000 Jahren Frankfurter Geschichte? (Oscar Unger)