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Motorradfahren: Gefühl von Freiheit und wiederkehrender Streitpunkt

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Von: Jan Lucas Frenger, Joshua Bär

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Trotzt Wind und Wetter: Zoe Orth bei einem Ausflug auf ihrem Motorrad.
Trotzt Wind und Wetter: Zoe Orth bei einem Ausflug auf ihrem Motorrad. © Frenger

Motorradfahrer lieben ihre Maschinen, die meisten verbinden damit weit mehr als nur ein Hobby. Mit Anwohnern besonders beliebter Routen kommt es aufgrund des Lärms jedoch häufig zu Streit.

Offenbach/Hanau – Motorradfahrer empfinden auf ihrem Gefährt oft das Gefühl der Freiheit. Ob einem der Fahrtwind ins Gesicht weht oder die Maschine unter den Beinen vibriert – Biker sehen in ihrem Zweirad mehr als ein Hobby, es ist eine Leidenschaft. Doch die kommt nicht bei jedem gut an.

„Bei uns im Club fahren alle schon seit Jahrzehnten Motorrad“, sagt Thorsten Kruppka. Der 53-Jährige ist 3. Vorsitzende der Rhein-Main Rockets aus Offenbach und einer von 15 festen Mitgliedern der vereinseigenen „Mopedfreunde“. Im Schnitt sind die Mitglieder, zu deren Treffen und Ausflüge sich regelmäßig 20 Gäste gesellen, über 50 Jahre alt. Es gebe aber auch ein paar jüngere Fahrer, betont Kruppka. „Manche fangen gerade erst mit dem Führerschein an.“ Dabei seien immer weniger junge Menschen für ein Motorrad zu begeistern,. „In der jungen Generation ist der Führerschein, egal ob für zwei oder für vier Räder, eben nicht mehr so gefragt“, bedauert er

Offenbacher Fahrschule: Motorrad- und Rollerführerschein begehrt

Boris Hafner teilt diese Einschätzung nicht. In seiner Fahrschule Trenkler in Offenbach sei vor allem die Fahrlizenz für die Klasse AM, mit der Menschen ab 15 Jahren zum Beispiel Zweiräder bis 45 Kilometer pro Stunde fahren dürfen, begehrt: „In dieser Klasse ist die Anfrage mindestens doppelt so hoch wie sonst.“ Viele Jugendliche verbänden mit dem motorisierten Zweirad ein Stück Unabhängigkeit, sagt er.

Zoe Orth kennt dieses Gefühl. Die 20-Jährige aus Alzenau fährt bereits seit ihrem 17. Lebensjahr Motorrad: „Es ist insbesondere am Anfang ein starkes Gefühl von Freiheit, da man schon vor dem Autoführerschein selbstständig und mobil ist.“ Wenn man wie sie in einem kleinen Dorf aufwächst, sei ein Motorrad oftmals das einzige Mittel, um auch ohne Auto oder öffentliche Verkehrsmittel schnell von einem Ort zum anderen zu gelangen, erläutert sie.

Motorradfahren: Führerschein Klasse B erweitern

Das sei für viele Jugendliche noch immer ein wichtiger Grund, schon mit 15 Jahren einen eigenen Roller oder ein Moped fahren zu wollen, erläutert Hafner. Der Fahrlehrer hat allerdings festgestellt, dass sich während der Corona-Pandemie auch ältere Menschen für einen Motorradführerschein anmeldeten. „Die meisten davon wollten den Führerschein schon lange machen, hätten aber bisher nicht die Zeit dazu gefunden.“ Insgesamt 78 Schülern brachte er 2020 das Fahren in einer der drei Klassen A2, A1 und A bei. In diesem Jahr hat Hafner bisher 58 Schüler ausgebildet.

Seit Anfang 2020 besteht für Autofahrer die Möglichkeit, ihren Führerschein der Klasse B um die Schlüsselzahl 196 zu erweitern, was ihnen ermöglicht, ein leichtes Motorrad auch ohne Ablegen einer entsprechenden Prüfung zu führen. Voraussetzung: Der Fahrer muss zehn Übungsfahrstunden absolvieren, 25 Jahre alt sein und seit mindestens fünf Jahren einen B-Führerschein besitzen.

Fahrschule in Hanau: Motorradführerscheine stehen hoch im Kurs

Das Modell sei wegen des geringeren Zeitaufwands vor allem bei älteren Menschen beliebt, berichtet Mehmet Kayci, Geschäftsführer der Fahrschule Gote in Hanau. 40 Schüler absolvierten dort allein im vergangenen Jahr die Erweiterung. Die Kosten dafür liegen ungefähr bei 700 Euro.

Und auch die anderen Klassen wie AM, A1, A2 und A stünden derzeit hoch im Kurs. Der Trend gehe weiter „deutlich nach oben“, sagt Kayci. 2021 wurden in der Fahrschule Gote 113 Schüler in den unterschiedlichen Klassen ausgebildet, darunter auch zehn Jugendliche, die einen Rollerführerschein gemacht haben.

58 Schüler haben sich in diesem Jahr bei Fahrlehrer Boris Hafner (links) für den Motorradführerschein in den Klassen A2, A1 und A angemeldet.
58 Schüler haben sich in diesem Jahr bei Fahrlehrer Boris Hafner (links) für den Motorradführerschein in den Klassen A2, A1 und A angemeldet. © bär

Lärmbelästigung durch Motorräder: Nicht der Regelfall

Boris Hafner sieht allerdings einen großen Unterschied zwischen einem Roller, mit dem Jugendliche durch die Stadt fahren, und einem schweren Motorrad: „Die nutzt du ja nicht, um einfach nur von A nach B zu kommen.“ Dass die Bikes nicht überall beliebt sind, weiß er. „Natürlich hörst du Geschichten von Anwohnern, die Ölspuren legen, damit die Fahrer aus den Kurven fliegen.“ Verständnis, dass sich manche über zu laute Motorräder beschweren, hat Hafner durchaus. „Ich muss mir ja keinen Auspuff montieren, der 120 Dezibel hat, nur damit ich laut bin.“

Zoe Orth sieht das ähnlich. Für sie rase der typische Motorradfahrer nicht rücksichtlos mit aufheulendem Motor über die Straßen. „Die meisten fahren bei schönem Wetter am Wochenende entspannt durch die Gegend.“

Apell an Motorradfahrer: „Mehr Rücksicht nehmen“

Welche Konsequenzen rücksichtloses Verhalten einzelner Fahrer haben kann, lässt sich derzeit am Großen Feldberg beobachten. Dort wird das Gebiet um den Feldberg ab dem kommenden Jahr zwischen April und Oktober an jeweils einem Wochenende für alle Biker gesperrt. Damit wolle man dem „Ruhebedürfnis“ der Anwohner gerecht werden, heißt es von Seiten des zuständigen Hochtaunuskreises sowie der betroffenen Kommunen Schmitten, Glashütten und Oberursel. „Das einzelne Streckenabschnitte für Motorradfahrer gesperrt werden, ist natürlich ärgerlich. Vor allem dann, wenn man extra von weit her angereist ist, um eine bestimmte Route zu fahren“, sagt Orth.

„Mopedfreund“ Thorsten Kruppka nimmt seine Biker-Kollegen daher in die Pflicht: „Es liegt an uns selbst, wie wir uns verhalten.“ Als Motorradfahrer müsse man sich die Frage stellen, ob es nötig ist, mit niedriger Drehzahl durch den Ort zu fahren oder die Maschine möglichst laut zu starten. „Wir müssen alle wieder mehr Rücksicht aufeinander nehmen“, betont er. (Jan Lucas Frenger und Joshua Bär)

Motorradfahrer in der Region

Im Kreis Offenbach sind aktuell 70 583 Führerscheine für Motorräder ausgestellt. Die Stadt Offenbach verzeichnete im vergangenen Jahr insgesamt 3 940 zugelassene Krafträder. In ähnlichen Sphären bewegen sich die derzeitigen Zahlen für die Stadt Hanau. Dort sind 3 384 Maschinen zugelassen. Im Main-Kinzig-Kreis liegt die Anzahl registrierter Motorräder momentan bei 20 654. Das ist Höchstwert in den vergangenen vier Jahren. Mit Ausnahme vereinzelter Einbrüche Anfang 2020 und 21 sind die Zahlen kontinuierlich gestiegen. 2017 meldete der Kreis noch 15 514 zugelassene Krafträder.

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