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Sternenkinderfeld in Offenbach: „Eltern brauchen einen Ort für ihre Trauer“

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Von: Christian Reinartz

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Häufig wissen Eltern in Offenbach nichts vom Bestattungstermin ihres totgeborenen Babys. Dabei ist die Bestattung des eigenen Sternenkindes ein wichtiger Schritt bei der Trauerbewältigung.

Offenbach – Der Schmerz ist für viele der Betroffenen kaum auszuhalten, andere wiederum verarbeiten den Verlust eines heranwachsenden Fötus verhältnismäßig gut. So oder so gilt: Die Bestattung des eigenen Sternenkinds ist ein wichtiger Schritt bei der Trauerbewältigung. Davon ist Klinikseelsorgerin Sibyll Konersmann zutiefst überzeugt. Betroffen sind mehr als man sich vorstellen mag. Bis zu 60 totgeborene Kinder in allen Stadien, vom Zellhäuflein bis hin zum weit gereiften Fötus, verzeichnen das Ketteler-Krankenhaus und das Sana-Klinikum alle drei Monate. Im Jahr sind das 240 Kinder. Dennoch kommen zu den vierteljährlichen Gemeinschafts-Bestattungen häufig nur wenige Eltern.

Einer der Hauptgründe: Die Eltern wissen gar nichts von dem Beerdigungstermin. „Die betroffenen Mütter erhalten auf den Stationen im Sana-Klinikum und im Ketteler-Krankenhaus ein Infoblatt, in dem auf die Bestattungen hingewiesen wird“, erklärt Konersmann das Prozedere. Doch das reiche oft nicht, denn die Frauen und auch die Väter seien meist traumatisiert und hätten in diesem Moment keine Kraft, sich damit auseinanderzusetzen. „Später anschreiben können wir die Betroffenen auch nicht“, erklärt die Klinikseelsorgerin. Das liege zum einen am Datenschutz, zum anderen aber auch daran, „dass wir immer Gefahr laufen würden, bis dahin vielleicht schon verheilte seelische Wunden wieder aufzureißen.“ Die Entscheidung sei ganz individuell und müsse initiativ von den Eltern getroffen werden.

Wird oft besucht: Das alte Sternenkinderfeld.
Wird oft besucht: Das alte Sternenkinderfeld. © Reinartz, Christian

Kliniken in Offenbach: Bestattungszeremonie findet im vierteljährlichen Rhythmus statt

Nun wollen Konersmann und ihre fünf Kolleginnen und Kollegen an die Öffentlichkeit gehen, damit die Betroffenen wissen, dass sie die Möglichkeit haben, in einem würdevollen Rahmen Abschied zu nehmen. „Und dass es einen Platz gibt, an dem sie ihr totgeborenes Kind besuchen können“, erklärt sie.

Was Sternenkinder sind

Kinder, die bei ihrer Geburt weniger als 500 Gramm wiegen oder vor Vollendung der 24. Schwangerschaftswoche geboren werden und bei denen kein Lebenszeichen nachzuweisen ist, erhalten nach der Personenstandsgesetzgebung keinen Eintrag als Person im Geburten- und Sterberegister. Folglich gilt auch keine Bestattungspflicht. Dennoch können sie durch die Eltern bestattet werden.
Kommen die Kinder im Sana-Klinikum oder im Ketteler-Krankenhaus zur Welt und es liegt kein anders lautender Elternwunsch vor, sorgen jedoch die Kliniken und die Stadt in Kooperation mit der Krankenhausseelsorge für eine würdevolle Bestattung auf dem Sternenkinderfeld auf dem Neuen Friedhof. Der Begriff Sternenkinder ist angelehnt an die Zeile aus dem Kinderlied „Weißt du, wieviel Sternlein stehen“. Sie lautet: „Gott, der Herr, hat sie gezählet, dass ihm auch nicht eines fehlet.“ Die Bestattungsform ist kostenfrei für alle betroffenen Eltern. Unterstützt wird das Sternenkinderfeld durch die Pietät Baar sowie durch Spenden.

Die Zeremonie finde im vierteljährlichen Rhythmus statt. So lange würden in den zwei Offenbacher Kliniken die Überreste der Kinder aufbewart, um dann gemeinsam in einem Kindersarg bestatt zu werden. „Das ist sehr würdevoll“, erklärt Konersmann. „Jedes Kind, egal ob ausgebildet oder noch ein Zellhäuflein, wird in Stoff eingeschlagen und dann in den Sarg gebettet.“ Die Feier selbst folge keinem speziellen Ritus, sondern sei interreligiös. „Der Großteil der totgeborenen Kinder haben einen muslimischen Hintergrund“, weiß Konersmann.

Offenbach: „Das Ganze findet ohne irgendeine Erwartung an die Eltern statt“

Deshalb sei auch so gut wie immer ein Imam zugegen, der als Pendant zum klassischen Psalm 139 die entsprechende Suren spreche. Den Seelsorgern ist wichtig, dass die Zeremonie für die Betroffenen keine Hürde darstellt: „Das Ganze findet ohne irgendeine Erwartung an die Eltern statt. Wir sprechen niemanden an, aber wir stehen für Gespräche bereit, wenn Eltern das Bedürfnis haben.“

Beerdigt werden die Sternenkinder auf dem zweiten, neuen Gräberfeld auf dem Neuen Friedhof. Dort wurde kunstvoll eine Art Parkanlage mit Rundwegen um die vielen noch leeren Gräber angelegt. In der Mitte steht eine steinerne Sternenstele, die an die Kinder erinnert und die Platz für Eltern bietet, einen Stern für ihr Kind anzubringen, wenn sie dies möchten. Auch das alte Gräberfeld am Rand des Friedhofs wird noch regelmäßig von Eltern besucht.

Eine steinerne Sternenstele inmitten von kreisförmig angeordneten Gräberfeldern: Klinikseelsorgerin Sibyll Konersmann zeigt, wo die totgeborenen Sternenkinder aus den Offenbacher Kliniken ihre letzte Ruhe finden.
Eine steinerne Sternenstele inmitten von kreisförmig angeordneten Gräberfeldern: Klinikseelsorgerin Sibyll Konersmann zeigt, wo die totgeborenen Sternenkinder aus den Offenbacher Kliniken ihre letzte Ruhe finden. © Reinartz

Sternenkinder in Offenbach: Oft merken Eltern erst viel später, dass ihnen etwas fehlt

Unzählige Engelsfiguren sind dort aufgestellt, frische Blumen gepflanzt und ein paar Grablichter brennen, während auf dem neuen Gräberfeld noch nicht allzu viel zu sehen ist. Konersmann erklärt: „Oft ist es so, dass die Eltern erst viel später merken, dass ihnen etwas fehlt und dass sie einen Ort für ihre Trauer brauchen. Umso wichtiger ist es, dass die Betroffenen gleich von Anfang an wissen, wo dieser Ort ist.“

Die Bestattungsfeiern finden an jedem ersten Dienstag eines Quartals, also im Januar, April, Juli und Oktober statt und beginnen um 14 Uhr in der Trauerhalle auf dem Neuen Friedhof. Der nächste Termin für die Angehörigen der Kinder, die in den Monaten Juli, August und September tot zur Welt gekommen sind, ist am Dienstag, 4. Oktober, um 14 Uhr. (Christian Reinartz)

Weitere Informationen zum Sternenkinderfeld finden sich auf der Webseite des Sana Klinikums Offenbach.

Auch auf dem neuen Friedhof in Schöneck (Main-Kinzig-Kreis) gibt es eine Sternenkindergrabanlage. Diese soll Eltern aus der Gemeinde einen würdigen Ort für ihre Trauer bieten, sagte Bürgermeisterin Cornelia Rück (SPD) bei der Vorstellung des neuen Grabfeldes.

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