Corona-Kontrolle in Offenbach eskaliert: Mob bedroht Polizei

In Offenbach gerät eine Corona-Kontrolle der Stadtpolizei außer Kontrolle. Die Situation heizt sich auf, aggressive Männder drohen den Polizisten.
Offenbach – Es soll eigentlich eine harmlose Kontrolle werden am Freitagabend (14.01.2022). Auf der Tagesordnung steht die Überprüfung der Einhaltung der 2G-Plus-Regeln in der Offenbacher Gastronomie. Am Ende steht die Eskalation. Es wird ein gefährlicher Großeinsatz werden. Mit einem pöbelnden Mob, der die Polizei bedroht und einem wütenden Wirt, der soviel Kraft hat, dass es fünf Mann braucht, um ihn zu Boden zu bringen. Und alles nur, weil er offensichtlich keine Maske tragen und die Gäste nicht ordentlich kontrollieren will.
Es beginnt alles um 19 Uhr mit einer Routinetour durch die Stadt. Vor allem Speiserestaurants sind jetzt voll. Sie sollen von der Dienstgruppe B überprüft werden. Unangekündigt, versteht sich. Unter dem Kommando von Dienstgruppenleiter Benno Zeisler schwärmen die Stadtpolizisten aus. Auf ihrer Kontrollliste: bekanntere Restaurants, ausgesucht nach dem Zufallsprinzip.
Der Check beginnt schon am Eingang. Ist ein 2G-Plus-Hinweisschild angebracht? Gibt es einen Bereich am Eingang, an dem die Corona-Impfnachweise überprüft werden? Liegt ein Hygienekonzept vor? Und ganz wichtig: Sind alle Gäste wirklich geboostert, genesen oder geimpft und haben einen gültigen Test dabei?
Corona-Kontrolle in Offenbach: „Alleine kann ich da nichts ausrichten“
„Wenn alles in Ordnung ist, geht das ruckzuck“, sagt Stadtpolizist Sascha. Er hat die Leitung vor Ort und spricht mit dem Wirt, während sein Kollege Alex durch die Gästereihen geht und einzelne Nachweise überprüft. Ihre vollen Namen wollen sie nicht in der Zeitung lesen. Aus Sicherheitsgründen. In der Osteria, dem „Wald und Wiese“ und der Hessestub ist „alles vorbildlich“, sagt Sascha. Zurück geht es zur Dienstelle. Dort wartet ein schnelles Abendessen von KFC auf die Truppe. Als der blau-silberne Transporter durch die Geleitsstraße rollt, fällt den beiden eine Kneipe auf. Der Wirt steht ohne Maske hinterm Tresen. Und auch die Gäste laufen ohne Maske herum. Einsatz!
Die beiden haben schon eine Vorahnung, dass es brenzlig werden könnte, fragen nach Verstärkung. Die anderen Teams sind gerade im Einsatz. Sie beschließen, zu zweit hineinzugehen. Hinter den Scheiben sind im wabernden Zigarettendunst zahlreiche Gäste zu erkennen. Manche sitzen an der Bar, die meisten an den Tischen und spielen im hellen Schein der Neonröhren Rummikub. Als die Stadtpolizisten den Gastraum betreten, herrscht Stille. Alles wie immer: Sascha spricht mit dem Wirt, Alex beginnt mit der Gästekontrolle. Plötzlich Tumult. Ein paar Männer flüchten durch die Hintertür. Alex setzt ihnen nach, entscheidet sich dann dagegen. „Alleine kann ich da nichts ausrichten“, wird er später sagen.
Wütender Wirt bei Corona-Kontrolle in Offenbach
Der Wirt beteuert, dass er alle seine Gäste kontrolliere. Warum die Männer geflüchtet seien, könne er sich nicht erklären. „Vielleicht hat es was mit Drogen oder Waffen zu tun“, sagt er patzig zu Sascha. Warum er selbst keine Maske getragen hat, steht für ihn scheinbar nicht mehr zur Debatte. Die übrigen Gäste können tatsächlich ihre Nachweise vorzeigen. Sascha und Alex entscheiden nach Rücksprache mit Benno Zeisler, dass sie an diesem Abend noch eine Nachkontrolle machen werden.
Ein paar frittierte Hühnerbeine später heißt das Ziel dann erneut: Geleitsstraße. Diesmal rollen gleich drei Wagen durch die enge Gasse hinter dem Komm-Center. In der Einsatzbesprechung haben die Stadtpolizisten ihre Rollen klar verteilt. Die einen sichern den Hinterausgang und erwarten mögliche Flüchtige. Der andere Trupp geht rein – zum Kontrollieren. Mit dabei sind auch eine Kollegin und ein Kollege vom Freiwilligen Polizeidienst. Während Evren vor der Kneipe mit Alex den Impfpass eines Gastes kontrolliert, ist es diesmal Stadtpolizist Marco, der im Inneren den Wirt auf die Regelverstöße anspricht.

Als Evren draußen feststellt, dass es sich wahrscheinlich um einen gefälschten Impfpass handelt und den Mann deswegen durchsuchen will, geht drinnen auf einmal alles ganz schnell. Marco bittet den Wirt, der zwischenzeitlich wieder keine Maske getragen hat, sich auszuweisen. Doch der verweigert sich. Immer und immer wieder weist der Stadtpolizist den renitenten Mann darauf hin, dass er sonst gezwungen sei, die Forderung unter Zwang durchzusetzen. Den Wirt lässt das kalt.
Aggressiver Mob bedroht Stadtpolizisten bei Corona-Kontrolle in Offenbach
Als die vier Stadtpolizisten ihn dann nach draußen zum Einsatzwagen führen wollen, macht sich der Mann stocksteif, wehrt sich mit unbändiger Kraft. Alex und Evren kommen zu Hilfe. Doch selbst zu fünft haben sie keine Chance, den offensichtlich bärenstarken Mann ohne größere Gewaltanwendung in die Knie zu zwingen. Innerhalb von Sekunden formiert sich um den Pulk ein wütender Mob.
Aus den anliegenden Kneipen und Geschäften strömen immer mehr Männer herbei. Sie schreien, beleidigen die Polizisten und stoßen Drohungen aus. Kommen immer näher. „Widerstand. Widerstand“, ruft Alex in sein Funkgerät. Der Wirt liegt da immer noch nicht am Boden. Die Lage ist jetzt bedrohlich. Die Polizisten ziehen ihr Pfefferspray. „Zurück! Sofort! Halten Sie Abstand“, schreit Sascha und richtet die Dose drohend auf den Mob. Mit wenig Erfolg. Die Leute weichen zwar zurück. Doch Angst hat keiner. Im Gegenteil. Die Lage droht zu eskalieren.
Als der Wirt dann endlich im Rindstein zu Boden geht und Handfesseln angelegt bekommt, rauscht die Landespolizei mit Blaulicht heran. Vier Polizisten springen aus dem Fahrzeug, sichern ab. Die Waffen an ihrem Gürtel machen auf die wütende Menge offenbar mehr Eindruck als das Pfefferspray. Sofort weichen die Männer zurück, beginnen, sich zu zerstreuen. „Komm wir hauen ab, bevor wir ne Anzeige bekommen“, zischelt einer seinem Kumpel zu. Nach und nach löst sich die Gruppe auf. Der Wirt wird später im Einsatzbus zur Besinnung kommen und sich ausweisen.
Corona-Kontrolle in Offenbach außer Kontrolle: Mutter wirft Polizisten Polizeigewalt vor
Währenddessen stößt seine Mutter dazu, in Hausschuhen und mindestens so wütend wie der Mob zuvor. Sie beginnt die Polizisten zu beschimpfen, faselt etwas von Polizeiwillkür und Gewalt. Vor allem aber: Sie bedrängt die Stadtpolizisten, redet aggressiv wie ein Wasserfall, will sich trotz mehrmaliger Aufforderung von Alex nicht vom Einsatzbus entfernen. Auch die Ankündigung, Zwang anzuwenden sowie ein Platzverweis, beeindrucken die Mutter genauso wenig wie ihren Sohn zuvor.
Als Alex die Frau dann sachte wegdrücken will, geriert die sich plötzlich als Opfer von Polizeigewalt. „Aua, mein operierter Arm“, schreit sie. „Er hat mich verletzt. Ich zeige sie an.“ Sie erntet von den versprengten Überbleibseln des Mobs grölende Zustimmung. Alex´ Miene wirkt währenddessen wie versteinert. „Gott sei Dank haben fast alle Kollegen den Vorfall mitbekommen“, sagt er. „Das war alles nur Theater, um uns eins auszuwischen, weil wir ihren Sohn festgenommen haben“, sagt er. „An solchen Situationen merkt man, wie weit sich immer mehr Menschen von den Grundwerten der Gesellschaft entfernen. Das ist purer Hass auf den Staat.“
An den Fakten kann die offensichtliche Schauspieleinlage der Frau jedoch nichts mehr ändern. Die Kneipe wird versiegelt und wird das wohl auch in kommenden Tagen bleiben. Auf den Besitzer kommt laut Ordnungsamt ein empfindliches Ordnungswidrigkeitsverfahren in Höhe von mehreren tausend Euro zu. Und der Wirt selbst wird sich vor Gericht wegen seines Widerstands gegen die Stadtpolizei verantworten müssen. Das Ignorieren der 2G-Regel bei einigen Händlern in Offenbach hatte ebenfalls Konsequenzen. Bei einer Razzia riegelte die Polizei gleich zwei Tedi-Filialen ab. (Christian Reinartz)