Offenbach baut elektrischen Nahverkehr aus – nicht alles klappt wie geplant

In Offenbach fahren inzwischen knapp die Hälfte der Busse elektrisch. Doch es gibt noch einige Hürden, die der kompletten Umstellung im Weg stehen.
Offenbach – Knapp 40 Millionen Euro hat Offenbach in die Elektrifizierung seiner Busflotte gesteckt, 45 Prozent der Busse sind nun elektrisch unterwegs. Allen Unkenrufen zum Trotz funktioniert der Betrieb reibungslos, nach gut einem Jahr ziehen die Verkehrsbetriebe ein positives Fazit. Für den Systemwechsel waren aber einige Veränderungen nötig auf dem Betriebsgelände an der Hebestraße.
Hartnäckig hält sich in sozialen Medien die Mär, dass die Offenbacher Elektrobusse die Steigung am „Bieberer Schlupf“, der Bahnüberführung an der Seligenstädter Straße, nicht schaffen würden. Tatsächlich verkehrt kein Elektro-Bus durch die Unterführung, sondern biegt lediglich an der Unterführung in die Bremer Straße ab. Vor einigen Monaten kam es, wie OVB-Prokurist Olaf Ortmann erläutert, durch einen Software-Fehler dazu, dass Busse einfach anhielten. „Durch eine Sensormeldung wurde fälschlicherweise vom System die Haltstellenbremse aktiviert – das ist das ganze Geheimnis hinter der Geschichte am Bieberer Schlupf“, sagt Ortmann.
Der Fehler ist freilich längst behoben, inzwischen sind sämtliche 36 Elektro-Busse im Linienverkehr auf der Straße. „Sieben Busse sind schon seit einem Jahr unterwegs, die restlichen haben wir nach und nach in den Linienplan eingestellt – die letzten erst im November“, sagt OVB-Geschäftsführerin Anja Georgi.
Offenbach stellt auf Elektrobusse um: Wie von der Kutsche zum Auto
Damit stehen 45 Prozent der OVB-Busflotte unter Strom. Im laufenden Betrieb fast die Hälfte der Busflotte umzustellen und dafür eine komplett neue Infrastruktur auf dem Betriebshof in der Hebestraße zu schaffen, sei eine gewaltige Herausforderung gewesen. „Das muss man sich vorstellen wie die Umstellung damals von Pferdekutschen aufs Automobil“, sagt Prokurist Ortmann.
Die Kosten für die Elektrifizierung der Busflotte belaufen sich auf knapp 40 Millionen Euro – 12,7 Millionen Euro beträgt der Eigenanteil der OVB. Günstig sind die Busse nicht: Für den Preis eines E-Busses könnten zwei konventionelle angeschafft werden. Aber besonders mit Blick auf die Luftreinhaltung sei die Entscheidung für Elektro-Busse die richtige gewesen, betont Georgi.
Die E-Busse stellen völlig andere Anforderungen als die konventionellen Diesel-Fahrzeuge: Die OVB haben sich für Elektrobusse mit Pantografen (Stromabnehmer mittels bügelförmiger Elemente auf dem Fahrzeugdach) entschieden, da diese zwei Vorteile bieten. „Einerseits können die Busse im laufenden Betrieb schnellgeladen werden, andererseits passen sie bei der Ladung über Nacht auch alle in unser Depot in der Hebestraße“, sagt Georgi.
Elektrobusse in Offenbach: Neue Infrastruktur für höheren Stromverbrauch
Der nötige Platz, um die Busse mittels Steckertechnologie zu beladen, hätte auf der begrenzten Fläche der Hebestraße nicht ausgereicht. „Die Kabel für Steckerladung hätten sämtliche Fluchtwege blockiert – schon aus Arbeitsschutzgründen kam das Steckersystem für uns nicht in Frage“, sagt Mobilitätsdezernentin und Bürgermeisterin Sabine Groß.
Auf dem Betriebshof, auf dem für den gesteigerten Strombedarf eigens drei neue Trafohäuschen gebaut werden mussten, wurde eine 300-KW-Schnellladestation errichtet. Vier weitere Stationen fürs flotte Stromtanken wurden am Kaiserlei platziert. „Während der vorgeschriebenen Pausenzeiten wird der Bus unter die Ladestation gefahren und aufgeladen“, sagt Ortmann.
Die Ladestände im Blick zu haben, gehört zu den Aufgaben von Guido Müller: Er arbeitet in der Leitstelle der Verkehrsbetriebe, sechs Bildschirme umfasst sein Arbeitsplatz. „Die Leitstelle ist 24 Stunden besetzt, wir arbeiten im Drei-Schicht-System“, sagt Müller. Ein Bildschirm zeigt an, wo sich sämtliche Busse, ob mit konventionellem oder mit Elektro-Antrieb, gerade befinden. In Echtzeit kann er die Fahrer so auf mögliche Unfälle oder Umleitungen hinweisen.
Offenbach: Batterie der Elektrobusse hält nicht bis Betriebsende
Auf einem weiteren Bildschirm werden die Ladestände der E-Busse angezeigt: Sobald eine bestimmte Prozentzahl, momentan liegt diese bei 20 Prozent, unterschritten wird, ordnet Müller die Fahrt zum Kaiserlei an. Da die Busse der Linien 105 und 106 nicht diesen Weg nehmen und somit nicht rasch mal ein paar Ampere tanken können, muss die Leitstelle deren Batteriezustand besonders im Auge behalten. „Bis Betriebsende würde die Batterie nicht halten, die Busse müssen vorher zur Hebestraße geleitet werden“, sagt Ortmann. Liegen geblieben sei noch kein Bus, betont Müller und fügt schmunzelnd hinzu: „Anschieben mussten unsere Fahrgäste bisher nicht.“
Wie weit die Busse mit einer Ladung fahren können, dazu werden immer noch Erfahrungen gesammelt. Dass die Witterung dabei einen Einfluss hat, wie mancher etwa bei Telefon- oder Kamera-Akkus bemerkt, gehöre bei E-Bussen eher ins Reich der Legenden, sagt die für E-Mobilität zuständige Prokuristin Janine Mielzarek. „Die Bus-Akkus unterscheiden sich vom Aufbau deutlich von denen unserer Haushaltsgeräte, beides lässt sich nur schwer vergleichen“, sagt sie. Bei den Bus-Akkus sei nicht die Batteriezelle, sondern das Batteriemanagementsystem entscheidend.
Damit die Busse über Nacht aufgeladen werden können, musste im Depot eigens eine Zwischendecke für die Ladeeinheiten – 36 große, jeweils rund 250 Kilo schwere Schränke – eingezogen werden. Netze sichern den Bereich gegen Vögel ab, die sich in die Halle verirren. Unter der Decke führen Kabelbahnen zu den 36 Ladestationen der Busse. Bisher sei man sehr zufrieden mit den Bussen, versichert Mielzarek. Noch gelte aber auch die 36-Monats-Garantie des Herstellers pro Bus, räumt sie ein.

Elektrobusse können nicht auf allen Linien in Offenbach fahren
Auch wenn der Antrieb der neuen Busse im Bereich der Achsen sitzt und es weniger Verschleißteile als bei den Diesel-Vertretern gibt, auf Mechaniker für konventionelle Busse können die OVB nicht verzichten, schließlich sind weiterhin Diesel-Busse im Einsatz. „Nach Öl wird es auch weiterhin riechen“, sagt Ortmann. In der Werkstatt arbeiten nun zwei Teams: eins für Diesel- und eins für E-Busse. Noch erreichen die Techniker das Dach, auf dem sich die Stromabnahmetechnik verbirgt, nur mittels einer mobilen Arbeitsbühne. Erst im kommenden Jahr soll eine feste Arbeitsbühne für die E-Busse eingerichtet werden.
Die Stromabnehmer sind es auch, die momentan verhindern, dass die E-Busse auf sämtlichen Offenbacher Linien rollen. Die 101 und die 102 können nämlich derzeit nicht elektrisch betrieben werden, der Aufbau auf dem Busdach ist zu hoch, um durch den „Bieberer Schlupf“ zu kommen. „Da müssten wir auf Steckerladung setzen statt auf Pantografen, aber mit Steckern können wir die Busse nicht schnell aufladen – die Batterieleistung würde dann nicht ausreichen“, sagt Georgi. Erst wenn die Entwicklung voranschreite und kleinere Aufbauten in Serie gingen, ließe sich das ändern. (Frank Sommer)
Die Stadt Offenbach will Geld im Nahverkehr einsparen. Zum Fahrplanwechsel vor Kurzem gab es deshalb ein paar Änderungen.