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40 Wochen Wartezeit

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Von: Frank Sommer

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Ersatzteile fehlen: Mechatroniker Mohammad Sadeqi (rechts) zeigt Kämmerer und Eigenbetriebs-Dezernent Martin Wilhelm, weshalb die elektrische Kleinkehrmaschine außer Betrieb ist.
Ersatzteile fehlen: Mechatroniker Mohammad Sadeqi (rechts) zeigt Kämmerer und Eigenbetriebs-Dezernent Martin Wilhelm, weshalb die elektrische Kleinkehrmaschine außer Betrieb ist. © Sommer

Offenbach – Mit gelb-schwarzem Flatterband ist die kleine elektrische Kehrmaschine in der Werkstatthalle der Stadtwerke abgesperrt. Seit Wochen kann das Fahrzeug nicht genutzt werden. „Ein Kabel und eine Schaltverteilerbox sind defekt und müssen ersetzt werden“, erläutert Werkstattleiter Tim Schimmele. So einfach das klingt: Dahinter verbirgt sich ein großes Problem.

Denn Elektronikteile oder Computerchips sind gerade weltweit Mangelware. Selbst ein einfaches Kabel für die Kehrmaschine ist momentan nicht zu bekommen. Grund sind gestörte Lieferketten durch die Corona-Pandemie: Ganze Werke mussten gerade in der ersten Welle vorübergehend geschlossen werden, die Produktion stand still. Dazu kamen noch Transport-Stopps. Fertig produzierte Waren für andere Werke, die Ersatzteile herstellen, blieben teils lange Zeit liegen. Während in der ersten Zeit der Corona-Pandemie noch auf knappe Lagerbestände zurückgegriffen werden konnte, sind diese nun leer. In der Folge spüren immer mehr Menschen, dass es erheblich dauern kann, bis Ersatzteile oder ganze Geräte geliefert werden können.

Die Stadtwerke machen dabei keine Ausnahme. „Früher haben wir per Expresslieferung noch am gleichen Tag ein Ersatzteil erhalten, heute dauert es Wochen“, sagt Jessica Ritter, Projektleiterin der Werkstatt. Bemerkbar gemacht habe sich die Problematik erstmals um Weihnachten 2020, seitdem sei die Beschaffung immer schwieriger geworden.

Bei der defekten Kehrmaschine werden Kabel oder Verteilerbox nur von einem einzigen Unternehmen hergestellt – Alternativen gibt es nicht. Mit nicht dafür ausgewiesenen Teilen zu arbeiten, hätte zur Folge, dass Garantie oder Versicherungsschutz erlöschen. „Uns bleibt leider nur, abzuwarten“, sagt Schimmele. Wann die fraglichen Teile geliefert werden können, weiß nicht einmal der Hersteller.

Selbst zum Grundbedarf für Werkstätten zählende Verschleißteile wie etwa Bremsbeläge hätten inzwischen erschreckend lange Lieferfristen: Wartezeiten von 40 Wochen seien nicht ungewöhnlich.

Dazu kommt, dass die Stadtwerke mit anderen Unternehmen oder kommunalen Eigenbetrieben in Konkurrenz stehen: Auch diese warten auf Ersatzteile. Dank guter Kontakte und eines guten Leumunds aber ließe sich dennoch im Einzelfall etwas bewirken, heißt es aus der Werkstatt. Im Fall der Bremsbeläge etwa erinnerte sich ein Mitarbeiter an eine Firma, die diese Teile aufarbeitet – also wurde dort bestellt. Statt 40 Wochen Wartezeit waren es nun nur noch vier. Wenn aber bei den Herstellern die Lager leer seien, würden auch die besten Kontakte nicht mehr helfen.

Damit die Stadtwerke ihrem Auftrag zur Reinigung der Straßen nachkommen können, müssen sie auf Ersatzfahrzeuge zurückgreifen. „Aber die Leihfahrzeuge sind inzwischen auch knapp, da andere Stadtwerke ähnliche Probleme haben – der Markt ist sehr umkämpft“, sagt Ritter, „und außerdem steigen die Preise sehr deutlich.“

Nicht nur bei Ersatzteilen und Leihfahrzeugen gibt es Schwierigkeiten, auch bei Neuanschaffungen, da für diese ebenfalls lange Wartezeiten anfallen. „Wir haben eine neue Großkehrmaschine bestellt: Früher dauerte es gut acht Monate, bis die ausgeliefert wurde“, sagt Schimmele, „doch davon können wir jetzt nur noch träumen.“

Vom Hersteller heißt es, die Auslieferung sei für Ende 2023 geplant – nicht zugesichert. „Für die Zeit, bis wir die Maschine erhalten, müssen wir wieder eine andere leihen“, betont Ritter. Auch müsste der bestehende Fuhrpark häufiger zum Einsatz kommen, wodurch dieser in kürzeren Abständen gewartet werden müsste – und dafür würden dann erneut Ersatzteile benötigt.

„Solche Anmietungen belasten natürlich unseren Wirtschaftsplan“, sagt Geschäftsführer Heiko Linne. Das Investitionsvolumen im Haushalt der Stadtwerke müsse deutlich erhöht werde. Stetig steigende Preise für Ersatzteile und Leihfahrzeuge erschweren jedoch eine belastbare Kostenplanung, so der Geschäftsführer. „Uns fehlen verbindliche Lieferzusagen“, sagt Linne.

Eine Entwicklung, die auch Kämmerer Martin Wilhelm Sorge bereitet. Es sei gut möglich, dass in den kommenden Monaten der Haushaltsplan für die Stadtwerke angepasst werden müsste, wenn sich durch die Zusatzbelastung ein Defizit ergebe. „Wir werden versuchen, die Auswirkungen für die Bürger gering zu halten“, sagt Wilhelm.

Von Frank Sommer

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