400 Millionen für grünen Umbau

EVO will in Fernwärme und Erweiterung des Hochspannungsnetzes investieren. Dafür soll auch das Energiewerk an der Dietzenbacher Straße erweitert werden.
Offenbach – Mehr als 400 Millionen Euro will die Energieversorgung Offenbach AG (EVO) in den nächsten Jahren in die Energiewende stecken.
Wie der EVO-Vorstandsvorsitzende Dr. Christoph Meier gestern bei Vorstellung der Jahresbilanz berichtete, sollen mit den Investitionen die Klimaschutzziele erreicht und zugleich die Versorgungssicherheit nach dem russischen Überfall auf die Ukraine gesichert werden. „Unsere Mittel fließen vor allem in den Ausbau grüner Fernwärme und in die Erweiterung des Hochspannungsnetzes für Stadt und Kreis“ sagte Meier.
Die EVO will, wie berichtet, bis zum Ende dieser Dekade den vollständigen Ausstieg aus der Kohle vollziehen. Das gesamte Unternehmen soll zudem Schritt für Schritt bis zum Jahr 2040 klimaneutral werden – als erster Energieversorger in Hessen.
Innovationsstandort für Dekarbonisierung
Der regionale Energieversorger hat dafür ein ganzes Bündel von Vorhaben geschnürt: So soll für mehr als 150 Millionen Euro das Wärmesystem für Zehntausende Kunden in Offenbach, Dietzenbach, Heusenstamm und Gravenbruch auf eine nachhaltige Grundlage gestellt werden. Das in Energiewerk umbenannte Müllheizkraftwerk an der Dietzenbacher Straße soll in den nächsten Jahren zum „Innovationsstandort für die Dekarbonisierung“ ausgebaut werden. „Wir werden dort die Auskopplung von Abwärme deutlich erhöhen – ohne eine einzige Tonne Abfall mehr zu verbrennen“, sagte Meier. Unter anderem sollen Anlagen für die Nutzung des Turbinen-Abdampfs und der Abwärme aus Rauchgasen errichtet und ein Fernwärmespeicher gebaut werden. Geplant ist darüber hinaus der Bau einer Anlage, mit der Wärme aus elektrischer Energie erzeugt werden kann; zu einem späteren Zeitpunkt soll eine weitere Anlage zur Abscheidung des klimaschädlichen Kohlendioxids folgen. Angepeilt ist laut Meier, die Leistungsfähigkeit des Energiewerks von derzeit 250 auf 350 Gigawattstunden zu erhöhen. Mit der Erhöhung könnten 5000 Drei-Personen-Haushalte zusätzlich versorgt werden.
Für die Erweiterung des Energiewerks an der Dietzenbacher Straße, das derzeit von drei Seiten von mehr oder minder dichtem Wald umgeben ist, wird die EVO Platz benötigen. Wie viel das sein wird, dazu hielt sich Vorstandschef Meier gestern noch bedeckt: „Wir brauchen Fläche drumherum“. Zugleich geht er davon aus, dass es möglicherweise ein langwieriges Verfahren um die Erweiterung geben könnte. EVO-Sprecher Harald Hofmann ergänzte am Rande der Pressekonferenz, man befinde sich wegen des Verfahrens in enger Abstimmung mit der Stadt. Im Übrigen werde nach den derzeitigen Planungen nur Fläche zwischen dem Energiewerk und der Autobahn benötigt.
Auf dem angestammten Unternehmensgelände will der Versorger als technologischer Vorreiter der Region die Abwärme aus Rechenzentren für die Wärmeerzeugung einsetzen. Auf dem Campus soll zudem Wärme aus dem Main mit Flusswasser-Wärmepumpen erzeugt werden. Darüber hinaus soll ein Kohlekessel zu einem Pellet-Heizwerk umgerüstet werden.
Die Leistung des Hochspannungsnetzes soll mehr als verdreifacht werden.
Das zweite große Projekt ist laut Technikvorstand Günther Weiß die Erweiterung des 110-kV-Hochspannungsnetzes in Stadt und Kreis. Die Erweiterung sei notwendig, denn die Energiewende führe zu einer erhöhten Nachfrage nach Strom. Zum Beispiel nehme die Zahl der E-Fahrzeuge rasch zu, zudem könne die Wärmewende mit Wärmepumpen nicht ohne Ökostrom funktionieren. Insgesamt soll die Leistungsfähigkeit des Netzes mehr als verdreifacht werden. Investitionsvolumen: über 250 Millionen Euro.
Die Arbeiten für „das Zukunftsnetz“ in der Region haben seinen Angaben zufolge laut bereits 2021 begonnen. Gegenwärtig werde in Seligenstadt das Umspannwerk ertüchtigt und eine weitere Trasse vom Umspannwerk in Dettingen unter dem Main nach Seligenstadt verlegt. Anfang nächsten Monats beginnen laut Weiß die Arbeiten an der Trasse von Heusenstamm nach Offenbach. Vom Umspannwerk Friedrichsring in Offenbach soll die bestehende Leitung durch eine Leitung mit höherer Übertragungskapazität ersetzt werden. Die Trasse verläuft entlang der Waldstraße bis zur Stadthalle, danach diagonal durch den Stadtwald bis zur Querung der Autobahn 3 – und von dort nach Heusenstamm zum Umspannwerk.
Verkäufe sichern die Finanzierung
Dank positiver Sondereffekte habe die EVO die Grundlage für die Finanzierung der Zukunftsprojekte bilden können, berichtete Vorstandschef Meier weiter. Dazu habe man Geschäftsanteile am Rechenzentrum MAIN DC 1 veräußert und sich unter anderem von der Beteiligung an der Firma „mobiheat“ getrennt – Marktführer in Deutschland für mobile Heizanlagen. Die Beteiligungen zählten laut Meier nicht zum Kerngeschäft.