„Abgeschottet wie eine Trutzburg“: Heftige Kritik an Bürgerservice und Finanzamt

Bei den Bürgern in Offenbach wächst der Frust: Etliche Beschwerden über die schlechte Erreichbarkeit des Finanzamtes gehen ein.
Offenbach - Alles wunderbar im Einflussbereich des Finanzamtes Offenbach oder doch eine bürgerabweisende Servicewüste? Die Meinungen über das Finanzamt gehen weit auseinander: Leser beklagen, dass es seit Beginn der Corona-Pandemie fast unmöglich geworden sei, mit den dortigen Mitarbeitern in Kontakt zu kommen – die Oberfinanzdirektion dagegen lobt die „Neuausrichtung des Serviceangebots zu mehr telefonischer und digitaler Erreichbarkeit“.
Zur Erinnerung: Vor knapp zwei Jahren irritierte die Finanzverwaltung mit der Nachricht, dass große Teile der Mitarbeiter von Offenbach nach Gelnhausen umziehen werden – Bürger befürchteten, dass sie an der Bieberer Straße nicht mehr persönlich mit Mitarbeitern sprechen könnten. Der Standort bleibe erhalten, beschwichtigte die Oberfinanzdirektion Frankfurt, lediglich 40 Finanzbeamte würden nach Gelnhausen wechseln. In Offenbach könnten die Bürger weiterhin direkt in Kontakt mit den Mitarbeitern treten.
Offenbach: Besucherverkehr im Finanzamt weiterhin eingestellt
Als im März vergangenen Jahres durch die Corona-Pandemie das öffentliche Leben zum Erliegen kam, wurde verständlicherweise auch der Besucherverkehr im Finanzamt eingestellt. Mittlerweile aber hat sich in fast allen Bereichen des öffentlichen Lebens wieder Normalität eingestellt – nur das Finanzamt zeigt sich weiterhin für die Bürger verschlossen.
Leser beklagen, dass es viel Zeit koste, mit dem Finanzamt Kontakt aufzunehmen und oftmals geben sie entnervt auf. Selbst Werner Frei, als Offenbacher Schiedsmann sonst auf Ausgleich bedacht und wahrlich nicht als Polterer bekannt, schimpft, dass sich das Finanzamt „abschotte“ und zur „Trutzburg“ geworden sei. „Man darf nicht hinein, telefonisch läuft man ins Leere, der Formularservice funktioniert überhaupt nicht oder es ist am PC so kompliziert, dass es irgendwann nicht weiter geht und man aufgibt“, sagt Frei.
Für den Partnerschaftsverein Offenbach-Orjol wollte Frei wie in jedem Jahr die Steuer einreichen, hatte aber Fragen. Früher habe man dafür einfach das Finanzamt aufsuchen können, an einem der Schalter im Erdgeschoss sei einem geholfen worden. „Nicht einmal Formulare kann man vor Ort abholen“, sagt Frei, der Bürgerservice sei katastrophal.
Offenbach: Vor-Ort-Termin laut Oberfinanzdirektion vielfach nicht mehr notwendig
Das sieht die Oberfinanzdirektion erwartungsgemäß anders. Auf eine entsprechende Anfrage unserer Zeitung heißt es, dass das Serviceangebot der Finanzämter seit Mitte März vergangenen Jahres konsequent den Bedürfnissen der Bürger angepasst worden sei. „So sind seitdem alle hessischen Finanzämter nunmehr montags bis freitags von 8 bis 18 Uhr telefonisch erreichbar“, schreibt eine Sprecherin.
Über 98 Prozent der Bürgeranliegen würden sich auf diesem Weg erledigen lassen, so dass ein Vor-Ort-Termin vielfach nicht mehr notwendig sei. Außerdem gebe es ein umfassendes digitales Serviceangebot, mit dem Bürger von zuhause alles am Computer erledigen könnten. Und in besonderen Fällen könne trotzdem ein Termin für eine Beratung in der Bieberer Straße gebucht werden, nach telefonischer Anmeldung.
Allerdings: Sowohl Frei wie andere Leser beklagen, dass die in höchsten Tönen gelobte telefonische Erreichbarkeit eher eine theoretische Größe denn eine praxisnahe Tatsache sei. Auch Frei berichtet davon, dass er bei mehreren Anrufversuchen nach einer automatischen Ansage in einer Warteschleife landete. „Und dann plötzlich ertönte das Besetztzeichen, der Anruf war beendet.“ Das Finanzamt dagegen spricht davon, dass die telefonische Erreichbarkeit „durchweg gegeben“ sei: „Die im bisherigen Jahresmittel durchschnittliche Wartezeit liegt dort bei nur wenigen Minuten.“
Offenbach: Finanzamt nicht erreichbar? Oberfinanzdirektion verweist auf Internet
Den Verweis auf das Online-Angebot der Oberfinanzdirektion lässt er nicht gelten: Erstens habe längst nicht jeder Bürger einen Computer samt Internetzugang und zweitens sei auch nicht jeder so versiert im Umgang damit. „Ich arbeite nun wirklich viel am PC, aber der Formularausdruckservice des Finanzamtes hat trotzdem nicht funktionieren wollen.“
Gerade älteren Bürgern wäre laut Frei schon geholfen, wenn das Finanzamt etwas einrichten würde, damit diese wenigstens die Vordrucke vor Ort abholen könnten. „Das ist doch keine große Sache und wäre für viele wirklich hilfreich“, sagt der Schiedsmann. Doch die Oberfinanzdirektion verweist in dieser Angelegenheit auf das digitale Angebot.
Ob jemals wieder der alte Vor-Ort-Service herrschen wird, bleibt offen, schließlich schreibt die Oberfinanzdirektion: „Durch die bewusste Neuausrichtung des Serviceangebots zu mehr telefonischer und digitaler Erreichbarkeit verfolgt die Hessische Steuerverwaltung weiter das Ziel, einen zeitgemäßen und passgenauen Bürgerservice anzubieten“. Frei hat übrigens einen Steuerberater nun mit der Steuer des Vereins beauftragt. „Aber das kann ja nicht die Lösung für alle sein.“ (Frank Sommer)