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Aktenstau und Aufpasser: Hessens Problemgericht liegt in Offenbach

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Von: Matthias Dahmer

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Die FDP-Landtagsabgeordnete Marion Schardt-Sauer.
Stellte bei der Anhörung kritische Fragen: Die FDP-Landtagsabgeordnete Marion Schardt-Sauer.    © Privat

16 Seiten schonungslose Bestandsaufnahme: Aus dem Protokoll einer Landtagsanhörung zur Lage am Amtsgericht Offenbach.

Offenbach – Die Situation am Amtsgericht Offenbach beschäftigt spätestens seit vergangenem Jahr auch die Landesregierung. Ende November informierte sich Justizminister Roman Poseck an der Kaiserstraße über Sorgen und Nöte an Hessens Problemgericht und versprach Abhilfe. Zuvor schon hatte die FDP-Landtagfraktion die Zustände thematisiert.

Jüngster Vorstoß der Liberalen war eine Anhörung im rechtspolitischen Ausschuss des Landtags. Deren Protokoll liegt vor. Es handelt sich um 16 Seiten schonungslose Bestandsaufnahme, die aber zugleich etwas Hoffnung auf Besserung machen. „Klar ist für mich, dass das Amtsgericht Offenbach auch weiter der engen Begleitung und umfassender Unterstützung bedarf. Es bleibt das Ziel, das Angebot des Amtsgerichts Offenbach für die Menschen so zu verbessern, dass es dem Standard der hessischen Justiz entspricht“, gibt Poseck zu Protokoll.

Zu dieser engen Begleitung gehört als wenig schmeichelhaftes Ergebnis einer Innenrevision durch das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt Ende Januar, das auf Geschäftsleiter-Ebene, welche den nicht-richterlichen Bereich zu verantworten hat, zwei Aufpasser des OLG nach Offenbach geschickt werden. Im Protokoll der Anhörung heißt es: „Außerdem werde das Oberlandesgericht zwei in der Geschäftsleitung erfahrene sowie mit den Abläufen eines Gerichts vertraute Führungskräfte an das Amtsgericht abordnen und sie der dortigen Geschäftsleitung zur Seite stellen. Die entsprechenden Personalgespräche würden bereits geführt.“

Amtsgericht Offenbach: „Was ist denn da jahrelang schiefgelaufen?“

Welche Dimensionen der Aktenstau am Amtsgericht angenommen hat, verdeutlicht eine weitere Maßnahme infolge der Innenrevision: So wird zur weiteren Unterstützung der Nachlass- und Grundbuchabteilung eine vierstellige (!) Zahl von Akten zur „Endbearbeitung“ an andere Amtsgerichte abgegeben. Ziel sei die vollständige Abarbeitung der Rückstände, sodass sich die Nachlass- und Grundbuchabteilung des Amtsgerichts Offenbach auf das laufende Geschäft konzentrieren könne, heißt es.

Die Ausführungen des Ministers nahm die FDP-Landtagsabgeordnete Marion Schardt-Sauer laut Protokoll zum Anlass, nachzuhaken: „Sie erläutern, dass für nahezu alle Bereiche des Amtsgerichts ein Einarbeitungskonzept, ein Organisationskonzept, eine Verbesserung der telefonischen Erreichbarkeit umgesetzt wird. Da stellt sich mir die Frage: Was ist denn da jahrelang schiefgelaufen?“ Ein Einarbeitungskonzept etwa gehöre zum kleinen Einmaleins für die Organisationseinheiten, so Schardt-Sauer. Und: „Die anderen Amtsgerichte werden sich freuen, wenn sie vierstellige Aktenzahlen bekommen, um den Offenbachern zu helfen, auf null zu kommen.“

Posecks Antwort gleicht einem höflichen Tritt vors Schienbein der lokalen Verantwortlichen: „Ich möchte offen einräumen, dass ich mir auch gewünscht hätte, dass bestimmte organisatorische Maßnahmen, die jetzt auch auf Grundlage des Berichts der Innenrevision veranlasst werden, bereits vorher innerhalb des Amtsgerichts umgesetzt worden wären.“ Seinen Antworten sei zu entnehmen, so Poseck weiter, dass man gezielt unter anderem an der Spitze Unterstützung leiste, damit dort in der Führungsebene entsprechende organisatorische Maßnahmen getroffen werden könnten.

Amtsgericht Offenbach: „So viel Personal habe ich gar nicht zur Verfügung“,

Das Hauptproblem am Amtsgericht liegt laut Poseck bei den sogenannten Serviceeinheiten, zu denen etwa Justizfachangestellte gehören. Von 2009 bis 2014 (Anm. d. Red.: unter FDP-Justizminister Jörg-Uwe Hahn) sei massiv Personal abgebaut worden. Damals habe es Sparvorgaben für die Justiz gegeben, welche die einzelnen Abteilungen nach eigenen Prioritäten hätten umsetzen können, und es sei die Entscheidung getroffen worden, relativ viel dieses Sparbeitrags über Einsparungen bei Serviceeinheiten zu erbringen. Dieses Problem sei bis heute nicht beseitigt.

Amtsgerichtspräsident Stefan Mohr bestätigt, dass die Erkenntnisse der Innenrevision nun umgesetzt werden. Um die strukturellen Defizite in den Griff zu bekommen, seien zwei „hochrangige Beamte“ von anderen Gerichten abgeordnet worden. Die Versendung einer vierstelligen Zahl von Akten zur Bearbeitung an anderen Gerichten stehe kurz bevor. Den Vorwurf, bestimmte organisatorische Maßnahmen hätten früher umgesetzt werden können, kontert Mohr mit einem Beispiel: Unter anderem sei der Vorschlag gemacht worden, eine mit acht bis neun Leuten besetzte Beschwerdestelle einzurichten, die alle Eingänge sofort bearbeitet. Nur: „So viel Personal habe ich gar nicht zur Verfügung“, bedauert Mohr. (Matthias Dahmer)

Kaum eine Institution in der Stadt kann auf eine so lange Geschichte zurückblicken: Das Amtsgericht Offenbach gibt es seit 1879. Und: Dort werden längst nicht nur Urteile gefällt.

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