Angehörige ärgert ungepflegtes Grün: „Das ist eines Friedhofs unwürdig“

Weil der Alte Friedhof zuwuchert, werfen Angehörige der Stadt Offenbach vor, am Personal zu sparen.
Offenbach – Als Gerhard Müller und seine Frau Andrea das Familiengrab auf dem Alten Friedhof in Offenbach neu bepflanzen wollen, müssen sie sich zunächst im Dickicht orientieren. „Da war alles komplett zugewuchert“, sagt Müller, der in Offenbach geboren, gelebt und gearbeitet hat, mittlerweile aber in Kiel zuhause ist. Seine Heimatstadt Offenbach besucht er dennoch regelmäßig und pflegt das Grab. „Aber um das überhaupt zu können, mussten wir uns erst mal einen Weg freischneiden“, sagt Müller. „So hoch war das Gras dort überall.“ Überhaupt habe er den Eindruck gehabt, dass der ganze Friedhof ungepflegt ausgesehen habe. „Jeder weiß, dass die Stadt Offenbach nicht viel Geld hat, aber ein Mindestmaß an Pflege sollte allein aus Pietätsgründen auf einem Friedhof schon sein“, sagt Müller. „Daran darf einfach nicht gespart werden.“
Ein Besuch vor Ort bestätigt die Beschreibung Müllers. Überall wuchern die Gräser, die Bereiche zwischen den einzelnen Grabfeldern sind zum Teil komplett mit hochstehenden Gänseblümchen bedeckt. „Das sieht zwar schön aus, ist aber eine ganz schöne Stakserei“, sagt eine Seniorin, die gerade Wasser mit der Gießkanne geholt hat und nun versucht, diese zum Grab ihres Mannes inmitten der voll in Blüte stehenden Wiese zu bringen. Auf dem Rückweg zur Wasserstelle macht sie ihrem Ärger über die Stadt Luft. „Das ist einfach total ungerecht. Wir als Angehörige müssen unsere Gräber in Schuss halten, damit das Gesamtbild stimmt, aber die Stadt lässt drumherum einfach alles zuwuchern.“
Auch an den Wegrändern stehen die Gräser zum Teil bis zu einem Meter hoch. „Dazu kommen natürlich noch zahlreiche Grabflächen, die nicht richtig gepflegt werden“, räumt Gerhard Müller ein. Das sähe allein schon ungepflegt aus, sei aber nicht zu ändern. In Kombination mit den verwucherten Wiesen und Wegen ergebe sich ein schäbiges Bild. Müller: „Das ist eines Friedhofs unwürdig.“
Bei den Stadtwerken kennt man die Situation, schiebt den kritisierten Wildwuchs aber aufs Wetter. „Derzeit wuchert das Grün besonders schnell, da wir eine feucht-warme Witterung haben“, teilt Sigrid Aldehoff von den Stadtwerken mit. Hinzu komme, dass der Grünflächentrupp in diesem Jahr erstmals außerplanmäßig auf den Friedhöfen in Bieber, Bürgel und Rumpenheim auf Freiflächen Bienenwiesen angelegt habe, um die Voraussetzung für mehr Artenvielfalt zu schaffen. „Diese Aussaat muss jetzt aufgebracht werden, damit sie rechtzeitig keimt“, erklärt Aldehoff. „Dadurch haben sich die anderen Arbeiten um ein bis zwei Wochen verzögert, sodass das Gras in diesem Jahr auf den noch nicht bearbeiteten Friedhöfen tatsächlich höher stehen kann.“ Der Alte Friedhof stehe aber als nächster auf der Liste. Noch in dieser Woche solle dort mit den Arbeiten begonnen werden, verspricht sie.
Unterdessen wird Gerhard Müller bei der Zahl der Gärtner hellhörig. „Zehn Leute scheinen mir für fünf Friedhöfe zu wenig zu sein.“ Laut Aldehoff ist das Personal in den vergangenen Jahren aber nicht reduziert, sondern sogar aufgestockt worden. Und die Stadtwerke bildeten seit drei Jahren sogar selbst Landschaftsgärtner aus.
Dennoch scheint die Truppe für die ihr zugedachte Aufgabe nicht gerade üppig besetzt zu sein. Das legt ein Vergleich mit der Nachbarstadt Mühlheim nahe. Dort sind allein vier Gärtner für die städtischen Friedhöfe zuständig. Wobei die Zahl der Einwohner Mühlheims gerade einmal 20 Prozent der Einwohner Offenbachs beträgt. Rechnet man das nun hoch, kümmern sich in Mühlheim doppelt so viele Friedhofsgärtner um die Anlagen.