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Streit um Nordring-Areal eskaliert weiter: Hat die Stadt Grundstück weit unter Wert verkauft?

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Von: Thomas Kirstein

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Ein Tor mit schwerem Schloss verhindert den Zugang zu einem Grundstück am Offenbacher Nordring
Der Weg zu einer lukrativeren Nutzung ihres Grundstücks am Nordring bleibt den Eigentümern verschlossen. Dagegen wehren sie sich mit nach Ansicht der Stadt mit nicht ganz sauberen Mitteln. © Reinartz

Der Konflikt um das Nordring-Areal verschärft sich weiter. OB Felix Schwenke soll Grundstücke weit unter Wert verschleudert haben. Nun äußert er sich zu den Vorwürfen.

Offenbach – Die Ladungen kamen aus schweren Geschützen: Der Oberbürgermeister und enge Mitarbeiter hätten gemauschelt und städtischen Boden weit unter Wert verschleudert. Wie berichtet, versucht eine Investorengruppe offenbar, massiven Druck auf die Stadt Offenbach auszuüben, auf dass diese ihr eine lukrativere Vermarktung eines wohl überteuert eingekauften Grundstücks am Kaiserlei gestatte.

Parallel zum Schriftverkehr einer Anwaltskanzlei waren bei der Staatsanwaltschaft Darmstadt anonyme Strafanzeigen gegen OB Felix Schwenke wegen diverser wirtschaftskrimineller Delikte eingegangen.

Nordring-Areal in Offenbach: OB Schwenke leitet rechtliche Schritte ein

Der Konflikt lodert weiter. Auf die Frage, wie er auf ihn betreffende Vorwürfe reagiere, erklärt Schwenke, „rechtliche Schritte“ seien „geprüft und veranlasst“ worden. Wahrscheinlicher Schritt ist eine Strafanzeige wegen übler Nachrede. Die Stadt hat den Verdacht, im Internet werde eine Kampagne gegen den OB angestrengt. Anonyme Blog-Seiten erheben inhaltlich schwerwiegende Anschuldigungen und beziehen sich dabei auf ein bislang nicht öffentliches Rechtsgutachten der von der Investorengruppe beauftragten Kanzlei. „Auch in Facebook-Gruppen werden vereinzelt Posts lanciert, die auf diese Seiten verlinken, gegenüber Vereinen und Initiativen wird diese Kampagne per Mail lanciert“, hat die Stadt ermittelt.

Im Kern geht es um die eingeschränkte Nutzung des Areals Nordring 146-148. Für dieses sieht der städtische Masterplan schon länger einen öffentlichen Park vor, während das Planungsrecht auf dem angrenzenden Nordring 150 die Errichtung eines Hochhauses erlaubt. Die beschlossene Vorgabe scheint den Investoren vor dem Geschäft mit den früheren, privaten, Eigentümern entgangen zu sein; was sie bezahlten, bildet anscheinend kaum die tatsächliche Verwertbarkeit ab.

Streit um Nordring-Areal: Hat Stadt Offenbach Grundstück weit unter Wert verkauft?

Die von den Eigentümern beauftragte international tätige Anwaltskanzlei Hogan Lowells behauptet nun unter anderem, das Grundstück Nordring 150 sei dem Frankfurter Investor Ernst Otto Walker für knapp neun Millionen Euro überlassen worden, obwohl es laut Gutachten eigentlich 40 Millionen Euro wert sei.

Auf unseren Artikel hin hat Hogan-Lowell-Vertreter Prof. Thomas Dünchheim die rechtliche Kritik an der Stadt erneuert: Beim Handel mit Walker habe die Stadt auf ein Bieterverfahren verzichtet; auf Betreiben des Oberbürgermeisters habe der Magistrat einen viel zu niedrigen Kaufpreis beschlossen und aufs Erbbaurecht verzichtet, obwohl die Stadt doch auch dort den von ihr gewünschten Stadtpark hätte einrichten können; das gesamte Vorgehen verstoße nicht nur gegen die hessische Gemeindeordnung, sondern auch gegen das Beihilferecht der Europäischen Union, insofern ein privates Unternehmen – also Walker – finanziell begünstigt worden sei.

Der Offenbacher Oberbürgermeister Felix Schwenke
Im Konflikt um Grundstücke am Kaiserlei ist Felix Schwenke kaum mehr zum Lächeln zumute. © Privat

Streit um Nordring-Areal in Offenbach: Mehrere Verfahren für Ermittlung von Grundstückswert

Wie Jurist Dünchheim, von 1999 bis 2009 CDU-Bürgermeister der 45 000-Einwohner-Stadt Monheim am Rhein, die bisherigen Kontakte zwischen Investoren und Stadt skizziert: In Gesprächen mit der Wirtschaftsförderung habe ein hohes Maß an Übereinkunft bestanden (das sollen angeblich freigegebene, von der Eigentümerseite angefertigte Protokolle); erst die Stadtspitze habe 2019 die bislang guten Gespräche mit der Wirtschaftsförderung ins Stocken gebracht und sich letztlich diesen komplett verschlossen; man habe sehr wohl realistische Planungsentwürfe vorgelegt und sogar das für einen Stadtpark notwendige Gelände angeboten, falls es eine Kompensation geben sollte. Und mitnichten seien Klagen gegen die Stadt angestrengt worden.

All dem widerspricht der Magistrat der Stadt Offenbach. Für die Ausübung eines Vorkaufsrechts habe es keinen Anlass gegeben, weil keine Stadt eigenständig Büroflächen entwickele; schlicht falsch sei die Behauptung, ein Bieterverfahren sei Kommunen vorgeschrieben, vielmehr hätten sie die Wahl zwischen verschiedenen Verfahren, etwa das, den Wert eines Grundstücks von einem Gutachter ermitteln zu lassen.

Nordring-Areal in Offenbach: OB Schwenke spricht von „persönlichen Angriffen“

Das von der Investorengruppe in Auftrag gegebene, weisungsgebundene Gutachten zum heutigen Walker-Areal Nordring 150 – die Taxierung auf 40 Millionen – besitze jedoch „belegbare schwere methodische Mängel“. Völlig unrealistische Annahmen und Prämissen lägen zugrunde, die von den jetzigen Eigentümern aus bauplanungsrechtlichen Gründen nicht umsetzbar wären. Im vorliegenden Fall seien Beschlüsse der Stadtverordnetenversammlungen in Frankfurt und Offenbach aus 2013 und 2014 sowie aus 2016 der Beschluss zum Masterplan öffentlich und damit allgemein bekannt gewesen.

Den Oberbürgermeister erbost neben anderen als unsauber erachteten Mitteln besonders die Feststellung, es gebe keine Klagen. Wahr sei vielmehr, „dass die Investorengruppe des Nordrings 146-148 ihre Behauptungen gleichzeitig an verschiedene Behörden und Ministerien herausgegeben hat und Rechtsstreitigkeiten führt.“ Schwenke spricht von „persönlichen und unsachlichen Angriffen“. Dünchheims Aussage erklärt er sich damit, dass die Investorengruppe verschiedene Anwaltskanzleien nutze.

Auch verschließe sich die Stadt nicht, so Schwenke, sondern stehe damals wie heute für Gespräche zur Verfügung. Von 2019 sind ihm „stark divergierende Vorstellungen zur Grundstücksentwicklung“ in Erinnerung, dann „mit neuen Ideen eine inhaltliche vorsichtige Annäherung“. Aber nach Hinweisen auf Vorbehalte seien keinerlei Abmachungen getroffen, Genehmigungen beantragt und schon gar nicht erteilt worden. Für 2020 und 2021 kann der OB belegen, dass entgegen der Behauptung immer wieder versucht wurde, mit der Investorengruppe zu Gesprächen zusammenzukommen. Mehrfach hätten die Investoren aber Termine abgesagt. (Thomas Kirstein)

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