Arbeit ist ihr Lebenselixier: 92-jährige Offenbacherin „hat keine Zeit, älter zu werden“

Für ein Ehrenamt ist man nie zu alt: Waltraud Meckel, 92 Jahre, arbeitet seit diesem Jahr im Fundus des Theaterclubs Elmar, bessert dort Kostüme aus. Als gelernte Schneider-Meisterin ist sie für den Verein ein echter Glücksgriff. Und auch sonst ist sie äußerst aktiv, ob als Künstlerin oder Begleiterin von Menschen mit Demenz. Derzeit bereitet sie sich auf die Offenbacher Kunstansichten vor.
Offenbach - Stillsitzen und sich zurücklehnen? Das ist nichts für Waltraud Meckel. Ob Malen, Töpfern oder Schreiben – die kleine, quirlige Biebererin hat auch mit 92 Jahren immer Arbeit – das ist ihr Lebenselixier. „Ich muss immer was tun, lasse meinen Körper sich nicht zu lange ausruhen. Wie eine Maschine, die immer am Laufen gehalten wird. Dadurch habe ich keine Zeit, älter zu werden“, sagt sie und lächelt verschmitzt.
Sie engagiert sich für das Freiwilligenzentrum, betreut einmal in der Woche im Mehrgenerationenhaus demente Menschen, um den Angehörigen eine kleine Auszeit zu ermöglichen. Und seit diesem Jahr ist ein weiteres Ehrenamt dazugekommen: Für die Requisiten-Abteilung des Theaterclubs Elmar bessert sie Kostüme aus, gibt alten Kleidern neuen Schwung.
Daniel Thomas vom Fundusteam ist begeistert von der neuen Helferin. „Sie hat uns besucht, war sehr interessiert, hat viele Fragen gestellt und sofort einige Teile mitgenommen. Binnen sechs Tagen hat sie sie gewaschen und mit einer Liebe zum Detail repariert und in Stand gesetzt, wir waren baff!“ Sie habe danach sofort wieder was mitgenommen – und ohne zu zögern zugesagt, das Fundusteam bei einem Kostümnähprojekt zu begleiten und einige Tricks und Kniffe zu zeigen. „Für uns ist sie ein absoluter Glücksgriff!“
Für die Schneider-Meisterin sind die teils aufwendigen Kostüme mit ihren vielen Schichten und teilweise dem Zahn der Zeit, der an ihnen genagt hat, eine Herausforderung, der sie sich gern stellt, hat sie in den vergangenen Jahren doch nur für den privaten Bedarf genäht. Dabei ist es egal, ob es sich um Sportbekleidung, Hosen, Lederwesten oder Taschen handelt – sie und ihre beiden Nähmaschinen, die sie seit vielen Jahrzehnten besitzt, sind ein unschlagbares Team.
Ältere Bieberer werden sich noch an ihr Modeatelier erinnern, das sie in der Straße Am Rebstock 12 betrieb, wo sie bis heute zu Hause ist und ihr Atelier besitzt. Mittlerweile hat sie sich als Künstlerin unter dem Künstlernamen Pi etabliert, arbeitet gerade an ihrem Beitrag für die Kunstansichten. Ihr Schwerpunkt: Umwelt und Krieg.
Erst im Jahr 2000, also mit 70 Jahren, begann sie mit dem Malen. „Ich bin ein Kriegskind, aus Schlesien vor den Russen geflohen. Diese Erfahrung musste ich irgendwie aufarbeiten.“ Das gelang ihr mit der Malerei. Irgendwann hatte sie den Kopf frei für Neues, erweiterte ihr Repertoire, schrieb zehn Bücher, schuf unzählige Ton-Skulpturen. Auch digital ist sie fit, gestaltet ihre Internetpräsenz ebenso wie Kataloge ihrer Werke selbst. „Es fing damit an, dass mein Sohn mir einen alten Laptop schenkte, den ich eine Woche lang nur ein- und ausschalten durfte“, erzählt sie lachend. 2018 schloss sie ein Fernstudium zur Drehbuchautorin mit einem Notendurchschnitt von 1,6 ab. „Ich wollte beweisen, vor allem mir selbst, was alte Leute im Stande sind, zu leisten“, sagt sie. Dass die Gesellschaft alte Menschen mitunter etwas abschätzig betrachte, bedauert sie sehr. „Auch wir können noch viel lernen. Man muss nur am Ball bleiben.“
Waltraud Meckel stellt am Samstag, 6. Mai, von 16 bis 22 Uhr, und Sonntag, 7. Mai, von 13 bis 19 Uhr, ihre Werke Am Rebstock 12 aus und bietet sie zum Kauf an, teils reichlich reduziert. Am Samstag, 6. Mai, 17 Uhr, beschreibt sie in einem Vortrag ihr Leben in Bildern. Weitere Informationen: wmeckel.wixsite.com/my-site/start
Von Veronika Schade