Auf Streife in Offenbach: Eine Nachtschicht bei der Stadtpolizei

Nächtliche Ruhestörung, Falschparker und Kontrollbesuche bei Kneipen: Bei der Stadtpolizei Offenbach ist keine Nachtschicht wie die andere.
Offenbach - Im zweiten Teil der Serie „Auf Streife mit der Stadtpolizei“ hat die Stadtredaktion dieser Zeitung eine komplette Nachtschicht der Ordnungsamts-Truppe absolviert. Redakteur Christian Reinartz hat die Dienstgruppe B bei ihren nächtlichen Einsätzen begleitet und dabei Spannendes, Verwunderliches und auch Erschreckendes erlebt.
Eine einzigartige Mischung aus neuem Büroteppich, Salamipizza und vollgeschwitzten Schusswesten – so ungefähr lässt sich der Duft der Stadtwache an einem lauen Sommersamstagabend beschreiben, kurz vor Dienstbeginn. Hinter einer Holzschwingtür im Eingangsbereich geht es wuselig zu. Die Tagschicht geht, die Nachtschicht kommt. Es ist Wachwechsel.
Stadtpolizei in Offenbach: Die Nachtschicht leistet zwölf Stunden Dienst
Zehn Minuten später sitzt die Dienstgruppe B am Fünf-Meter-Konferenztisch im Aufenthaltsraum. An der Wand surren vier mannshohe Kühlschränke, für jede Dienstgruppe einer. Leise blubbert es aus der riesigen Edelstahl-Kaffeemaschine auf der Einbauküchenzeile. Dienstgruppenleiter Bernd Zeissler, genannt Benno, begrüßt seine Truppe mit einem breiten Lächeln und einer blitzsauber rasierten Glatze.
Während er im luftigen Oberhemd dasteht und geplante Einsätze durchgeht, haben die fünf Männer und eine Frau schon Schusswesten und Gürtel mit Ausrüstung angelegt. Ab jetzt wird‘s ernst. Vorher stellt Zeissler mit einem Augenzwinkern klar: „Ohne Essen kann man keine zwölf Stunden Dienst schieben. Was bestellen wir heute?“
Dienstbeginn bei der Nachtschicht der Stadtpolizei Offenbach: Nacht beginnt mit Fahrzeugcheck
Während Zeissler für seine Truppe aus der Leitstelle die Verpflegung ordert, sind die Stadtpolizisten schon auf dem Weg zu ihren Einsatzwagen. Einmal der große Einsatzbus mit Alex und Ornella. Einmal der neue Gelände-Skoda mit Sascha und Sascha. Nachnamen sind so eine Sache bei der Stadtpolizei, vor allem wenn sie in der Zeitung stehen sollen. Zu oft schon hat in der Vergangenheit ein verärgerter Krimineller an die Wohnungstür eines Stadtpolizisten geklopft, um sich noch mal zu „unterhalten“.
„Das geht ruckzuck. Darauf hat hier wirklich keiner Lust“, sagt Alex, und schiebt mit einem Rums die Bustür zu. Das Geländewagen-Team unterteilt sich deshalb ab jetzt in Sascha 1 und Sascha 2. „Bevor wir überhaupt den Dienst antreten, überprüfen wir, ob das Fahrzeug einsatzfähig ist“, sagt Sascha 1. Er zählt durch: Teleskop-Verkehrshütchen, Verbandsmaterial, Handschuhe, Erste-Hilfe-Koffer. „Wir sind bereit...“

Streifenfahrt mit der Stadtpolizei Offenbach: Falschparker und fehlende Nummernschilder
Die Nacht beginnt mit einer Streifenfahrt durch die City bei halb geöffnetem Fenster. Immer wieder springt der Funk an. Unverständliches Einsatz-Zahlenkauderwelsch. Erstes Ziel: „Pöbeleck“, so nennt es die Stadtpolizei. Der Bereich hinter dem Einkaufszentrum KOMM gilt als einer der schwierigsten Kontrollschwerpunkte, erklärt Sascha 1, als er im Schritttempo in die Geleitsstraße einbiegt. Rechts und links stehen dicke Geländewagen mit schwarzgetönten Scheiben und noch schwärzeren Felgen auf dem Bürgersteig. Sascha 1 bremst demonstrativ. Ein mürrischer Typ mit Schwarzenegger-Kreuz und Fünftagebart erhebt sich von einem viel zu kleinen Caféstuhl am Straßenrand, murmelt „ich bin schon weg“ und geht auf Parkplatzsuche.
Hundert Meter weiter dann eine Überraschung. Ein Audi steht dort im absoluten Halteverbot – mit roten Nummernschildern. „Die sind nur für Probefahrten oder Überführungen gedacht“, erklärt Sascha 2. Als der Einsatzwagen stoppt, wirkt das Pöbeleck kurz wie eingefroren. Eine Männergruppe mit Bierflaschen schaut bewegungslos auf den Streifenwagen. Eine Gruppe Halbstarker beginnt aber schon bald Witze zu reißen. Dann ruft einer etwas in einer fremden Sprache. Viele Personen haben es auf einmal auffällig eilig, das Pöbeleck zu verlassen. Team Sascha lässt sich nicht beirren und umrundet den Audi.
Bedrohliche Situationen in der Nachtschicht in Offenbach: Stadtpolizei hat alles im Blick
Ein junger Mann eilt aufgeregt herbei, diskutiert. Währenddessen rücken die übrigen Pöbler näher heran. Was für Außenstehende bedrohlich wirkt, ist für die Stadtpolizei Alltag. „Das ist hier der übliche Ablauf“, erklärt Sascha 1: „Das ist nur Gehabe. Aber wir haben die Situation um uns herum natürlich jederzeit im Blick.“ Am Ende hilft alles Diskutieren nichts. Die Nummernschilder werden konfisziert, und es geht zurück in die Stadtwache.
Eine Salamipizza später dann plötzlich Hektik. Im Spurt geht’s zu den Einsatzwagen, ein Betrunkener greift in der Karlstraße seine Nachbarn mit einem Schlüssel an. Mit Blaulicht und Sirene geht es durch die City. Während sich die Automassen zäh teilen, will sich einem ungeübten Mitfahrer der Magen umdrehen.
Aggressiver Nachbar sorgt für nächtlichen Einsatz bei der Stadtpolizei Offenbach
In der Karlstraße ist es stockdunkel, nur das zuckende Blaulicht tanzt über die Hausfassaden. Die Stadtpolizisten sichern nach allen Seiten ab, um nicht aus dem Dunkeln angegriffen zu werden. „Man weiß vor Ort ja nie, auf welche Situation wir treffen“, wird Sascha 2 später erklären. Dann geht es in den Innenhof. „Schnell und hell“, sagt Alex. Das heiß intern: Viel Licht und viel Geschrei, um den Täter zu verwirren und blitzschnell zugreifen zu können.
Der aggressive Mann scheint verschwunden. Nach einem kurzen Gespräch mit dem Anrufer klingeln die Stadtpolizisten an der ehemals weißen Wohnungstür des Mannes. Keine Reaktion. Erst nach 14 Faustschlägen gegen die Holztür dreht sich der Schlüssel im Schloss. Die Stadtpolizisten spannen sich an. Hinter der Tür kommt ein ausgemergelter Mann zum Vorschein, völlig dicht. Er wolle jetzt schlafen gehen stammelt er in gebrochenem Deutsch. Sascha 1 macht unmissverständlich klar: „Sie gehen jetzt ohne Umwege ins Bett und lassen ihre Nachbarn in Ruhe. Wenn wir noch mal kommen müssen, geht‘s direkt in die Zelle.“ Das sitzt.

Auch abgebrochene Einsätze gehören bei der Stadtpolizei Offenbach dazu
Kaum ist der Motor wieder gestartet, kommt der nächste Blaulichteinsatz über Funk. In Rumpenheim soll eine Gruppe junger Männer marodierend durch die Straßen ziehen und Glasflaschen zerschmeißen. Dort angekommen, haben sich die Männer scheinbar längst verzogen. Zehn Minuten fahren die Streifen systematisch durchs Revier, die Gruppe bleibt verschwunden. Auch Passanten haben nichts bemerkt. Der Einsatz wird abgebrochen. „Das gehört auch dazu“, erklärt Sascha 2. „Es kommt immer wieder vor, dass wir alarmiert werden, und die Anrufer maßlos übertreiben, damit wir schneller kommen.“
Die Truppe nimmt‘s sportlich und hat sowieso keine Zeit, sich zu ärgern. Nächster Einsatz: An den Eichen. Ein Junge ist gesichtet worden mit einem Elektroroller ohne Kennzeichen. Vor Ort wird klar: Der Roller gehört dem Vater eines Kumpels, der nichts von der späten Spritztour weiß. Trotzdem wird er aus seinem Reihenhaus geklingelt. Und auch der Sohn selbst muss sich aufgeregt der Stadtpolizei erklären.

Missachtung der Corona-Regeln: Stadtpolizei Offenbach schließt Kneipe
In der Kaiserstraße hat ein Anrufer derweil eine Kneipe gemeldet, in der Corona-Regeln missachtet werden sollen. Im Schankraum stehen die Rauchschwaden. Sascha 1 verhört im grünblauen Schummerlicht die Barfrau, Sascha 2 prüft derweil bei den Gästen im hinteren Teil die drei Gs ab. Ergebnis: Hier kann keiner auch nur irgendwas vorweisen. Als dann die Barfrau zu hämmerndem Balkan-Pop noch ein Plastikkörbchen vorzeigt, in dem alte und unbeschriftete Coronatests zusammen mit wild bekritzelten Zetteln liegen, wird es Team Sascha zu bunt. „Wir machen den Laden jetzt dicht.“
Fünf Minuten später verlassen an die zehn Leute verärgert die Bar, und die Stadtpolizisten kleben ein rotes Siegel über die Tür. Derweil spazieren die Gäste auf der anderen Seite der Kaiserstraße auf und ab. Sascha 2 kennt solche Tricks. Er fragt bei der Barfrau nach dem Hintereingang. Der entgleisen die Gesichtszüge, und sie schließt enttäuscht den Innenhof auf. Der Gästetrupp zieht fluchend ab.
In Drogengeschäft geplatzt: Auf Verfolgungsjagd mit der Stadtpolizei Offenbach
Als dann die Streife eigentlich nur ein paar Falschparker vor dem Pornokino nahe der Berliner Straße wegschicken will, platzt sie zufällig in ein Drogengeschäft in der angrenzenden Passage. Die beiden Täter flüchten, erst schlendernd, dann spurten sie los. Die Saschas hinterher. Quer über den Rathausvorplatz, die Berliner Straße durch die Parkanlage bis zum Main. Doch die Jungs sind in den Büschen verschwunden.
Schwer atmend suchen die beiden Stadtpolizisten mit ihren Taschenlampen. Da meldet sich Benno Zeissler aus der Zentrale. Passanten hätten die Verfolgungsjagd beobachtet und den Verdächtigen in seinem auffällig roten Oberteil auf dem S-Bahnsteig Marktplatz entdeckt. Alex und Ornella werden per Funk dazu geholt. Zugriff von zwei Seiten. Nach einer Durchsuchung der Verdächtigen wird klar. Es sind die Falschen, auch wenn die Beschreibung perfekt gepasst hat.

Feierabend um halb sechs Uhr morgens: Lange Nachtschicht bei der Stadtpolizei Offenbach
Zwei Ruhestörungen und einen versehentlich offen gelassenen VW-Bus später ist es Zeit für einen starken Kaffee aus der Edelstahl-Blubber-Maschine in der Stadtwache. Die Tasse ist nicht mal halb leer, als der nächste Einsatz reinkommt: Körperverletzung in einer Nordend-Bar. Wieder Blaulicht, wieder umgedrehter Magen. Dann Adrenalin. Vor Ort bietet sich eine undurchschaubare Lage. Mehrere betrunkene Pöbler stehen vor der Kneipe im Freien, eine Frau gestikuliert wild und aggressiv. Zu viert dirigieren die Stadtpolizisten die Gruppe auseinander. Die zierliche Frau behauptet, sie sei vom Barkeeper geschlagen und gewürgt worden. Doch der steht zitternd und mit blutender Hand hinter der Marmortheke.

Dazwischen lallen immer wieder zwei Betrunkene, der eine aggressiv, der andere nur trottelig. Alex und Ornella halten die beiden in Schach, während Sascha 1 im Innern der Kneipe die Videoüberwachung checkt. Als er wieder herauskommt, ist klar, wer der wahre Aggressor war: Die junge Frau hat wie eine Furie losgeprügelt, nicht der Barkeeper. Die mittlerweile alarmierte Landespolizei übernimmt an dieser Stelle, weil es um eine Strafsache geht – allerdings sichtbar unmotiviert. Die Streifen der Stadtpolizei fahren derweil um halb sechs Uhr morgens endlich Richtung Feierabend. (Christian Reinartz)