Aus dem Dekanat wird die katholische Pfarrei Offenbach

Veränderungen stehen im katholischen Bistum Mainz zum 31. Juli an: Im Zuge des Pastoralen Wegs werden 20 Dekanate aufgelöst, dafür werden 46 neue Pfarreien gegründet. Auch Offenbach ist von dieser Umstrukturierung betroffen.
Offenbach - Dekan Andreas Puckel spricht im Interview mit der Offenbach-Post über Chancen und Hoffnungen.
Herr Dekan Puckel, wenn das Dekanat Offenbach Ende Juli erlischt, welche Amtsbezeichnung führen Sie danach?
Meine Bezeichnung lautet dann „Leitender Pfarrer“ der neuen Pfarrei. Ansonsten müssen wir uns in Offenbach nicht groß umstellen: Wir haben das Glück, dass das Gebiet der neuen Pfarrei identisch ist mit dem des bisherigen Dekanats. Das ist nicht überall im Bistum der Fall.
Wie müssen wir uns die neue Pfarrei Offenbach denn vorstellen?
Die bisherige Dekanatsstruktur fällt weg. Ähnlich wie beim Quartiersmanagement der Stadt gliedert sich die Kirche, um nahe bei den Menschen zu sein: die Innenstadt, die Südstadt, die von Tempelsee bis Lauterborn reicht, den Bieberer Berg mit Buchhügel und Bieber und die jetzige Pfarrgruppe Ost mit Bürgel, Rumpenheim, Waldheim.
Dass Sie von Quartieren sprechen, ist interessant. Die Städte setzen wieder auf kleinere Einheiten, betonen das Stadtviertel und die Quartiere, die beiden großen christlichen Kirchen dagegen versuchen, sich in größeren Einheiten neu zu erfinden. Ist das nicht widersprüchlich?
Dieses Spannungsverhältnis sehe ich auch, aber wir müssen Gemeinden oder Aufgaben zusammenführen. Allein die Mitgliederzahlen zeigen, dass wir dies tun müssen. In manchen Bereichen, etwa der Verwaltung, ist das sehr vernünftig. In anderen ist es eine Herausforderung, das zu behalten und gestalten, was sich bewährt hat.
Bleiben wir zunächst bei Bewährtem. Es muss also keiner Angst haben, dass Seniorentreff oder Jugendarbeit abgeschafft werden?
Wie gesagt: Was läuft, wird weitergeführt – dazu zählen Jugend- oder Seniorenarbeit. Aber wir schauen, wo wir zusammenarbeiten können und Dinge neu aufstellen. So gibt es gute Signale vom Bistum, dass wir in der Jugendarbeit mit dem Kreis zusammenarbeiten oder einen Schwerpunkt in der Jugendmusik setzen können. Aber wir werden auch einiges hinterfragen: Muss jede Werktagsmesse beibehalten werden, wenn nur noch vier Besucher kommen? Wir werden natürlich sicherstellen, dass für alle Gläubigen in erreichbarer Nähe die Eucharistie angeboten wird, aber anderes muss überdacht werden. Etwa, ob es unbedingt einen Priester für ein Friedens- oder Rosenkranzgebet braucht oder ob diese sich nicht stärker auf seelsorgerliche Aufgaben konzentrieren sollen.
Das würde die Bedeutung der Ehrenamtlichen und Laien stärken?
Gewiss, aber auch die der übrigen Mitarbeiter: So haben etwa alle unsere Gemeindereferenten eine Beerdigungsbeauftragung, auch da braucht es nicht unbedingt einen Priester. Wir werden im Juli mit Arbeitsgruppen starten, die ausloten, welche Aufgaben von wem wahrgenommen werden können und welche Angebote wie weitergeführt werden können.
Das könnte für manche ein schmerzlicher Prozess sein...
... den es überall gibt: Sämtliche Vereine und Organisationen müssen heute ihre Arbeit und Aufgaben überdenken. Die Strukturen wie noch vor 60 Jahren gibt es nicht mehr. Nehmen wir die Gemeinde in Bürgel als Beispiel: Früher ging man montags zur Kolpingfamilie, dienstags zum Chor und so weiter. Heutzutage funktioniert das nicht mehr: Die Menschen möchten sich engagieren, aber eher projektbezogen. Daher müssen wir unser Angebot neu aufstellen.
Wie wird sich denn der Zusammenschluss auf die Stellensituation auswirken?
Wenn 2030 das Projekt abgeschlossen ist, hätten wir neuneinhalb Stellen für die Gemeindeseelsorge – auf dem Papier wären das zwar drei Stellen weniger als noch 2021, aber momentan ist ohnehin viel im Fluss. So geht Pfarrer Michael Kunze im August in Ruhestand, da steht also eine Veränderung an. Generell wird es den klassischen Gemeindepfarrer nicht mehr geben, sondern Zuständigkeiten. Dazu kommt, dass wir die muttersprachlichen Gemeinden stärker miteinbeziehen werden als bisher.
Das dürfte eine große Umstellung sein...
Oh ja, unsere fünf muttersprachlichen Gemeinden sind strukturell anders ausgerichtet als die typische deutsche Gemeinde: Da geht es viel um Integration und Hilfestellungen im Alltag. Das soll beibehalten werden, das ist ja eine wichtige Arbeit fürs Zusammenleben in der Stadt. Bisher wurde vieles im Klein-Klein gedacht in sämtlichen Gemeinden, das muss nun zu etwas Größerem zusammenwachsen. Das hat Vorteile: Die evangelischen Gemeinden in Offenbach hatten schon immer einen Regionalverband, der sich um die Verwaltungsaufgaben und die Kitas kümmerte – das haben wir dann auch. Das wird eine große Entlastung sein.
Bitte führen Sie das doch genauer aus.
Ab dem Sommer haben wir eine Verwaltungsleitung mit einer ganzen Stelle. Die muss dann 22 Einzelhaushalte zu einen Gesamthaushalt zusammenführen. Bisher haben unsere elf Kirchengemeinden, fünf muttersprachlichen Gemeinden und sechs Kindergärten jedes Jahr Einzelhaushalte aufstellen müssen, das entfällt. Auch für Personalführung und Stellenausschreibung in den Kitas wird es eine zentrale Verwaltung geben. Und das ist vernünftig, die Seelsorger müssen sich nicht mit Verwaltungsdetails befassen, sondern können sich auf die Seelsorge konzentrieren.
Wo wird die neue zentrale Verwaltung denn angesiedelt und bleibt dennoch ein Service in den einzelnen Gemeinden vor Ort erhalten?
Meines Erachtens wäre es sinnvoll, die zentrale Verwaltung auch zentral in der Stadt anzusiedeln. Da böte sich Sankt Paul an, die auch über ausreichend Raum verfügen. Aber letztlich entscheidet das die Pastoralraumkonferenz. Und niemand muss fürchten, dass man für alles in die Innenstadt muss. Es wird weiter Ansprechpartner vor Ort geben, etwa wenn es darum geht, Pate werden zu wollen oder für eine Bescheinigung.
Was bedeutet der Pastorale Weg denn für die Liegenschaften? Wird es bei den Gemeindehäusern Veränderungen geben?
Wie gesagt, wir versuchen zu erhalten, was sinnvoll ist. Aber in manchen Fällen kann eine anderweitige Nutzung besser sein: Ich finde es sinnvoll, dass wir in Waldheim syrischen Flüchtlingsfamilien Unterkunft gewähren, anstatt dass das Haus sonst nur für zwei Stunden am Tag als Pfarrbüro genutzt würde.
Auf die Offenbacher Katholiken kommen also viele Änderungen zu...
Sicher. Aber wir nutzen es, um vieles voranzubringen: Etwa die frauenpastorale Arbeit, den ökumenischen und interreligiösen Dialog, die Seelsorge, die Kinder- und Jugendarbeit. Das alles bleibt und wird ausgebaut. Aber ja, die Kirche ändert sich – weil sie sich ändern muss.
Das Interview führte Frank Sommer