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Beifall per Warnblinkanlage

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Der Lions Club Offenbach sorgte zuverlässig für die Pausenbewirtung.
Der Lions Club Offenbach sorgte zuverlässig für die Pausenbewirtung. © georg

„Ich spiele nicht vor Autos“, hat der Musiker und Komödiant Helge Schneider in lausigen Corona-Zeiten trotzig angemerkt. Von anderem Schrot und Korn ist dagegen das Capitol Symphonie Orchester, das mit seinen „Sommernachtsträumen“ auf dem Messeparkplatz am Main wahrlich einen Volltreffer landete.

Offenbach - Genussvoll und inspirierend gleichermaßen war die Mischung aus Klassik- und Opernperlen, orchestral geadelter Filmmusik und immergrünen Hits. In guter Abendform präsentierten sich auch die Gesangstars Katrin Glenz und Sebastiano Lo Medico sowie der temperamentvoll motivierende Steven Lloyd Gonzalez, Erster Gastdirigent des im Offenbacher Capitol beheimateten Orchesters. Und dafür gab es anhaltenden Beifall – per Hupkonzert und Warnblinkanlage.

„Liebe Autos und Auto/Innen“, begrüßt Offenbachs Kulturchef Ralph Philipp Ziegler zumindest politisch korrekt seine im vor Pandemie sicheren „Heilig‘ Blechle“ harrenden Zuhörer, diese wie stets kundig aufs Konzert einstimmend. Durchweg zufrieden zeigen sich die Gäste auch mit den technischen und organisatorischen Abläufen, bei denen der Lions Club Offenbach zuverlässig für die Pausenbewirtung sorgt.

Wie Kinosessel sind die Autos versetzt geparkt, sodass der Blick aufs Orchester auf großer Guckkasten-Bühne unverstellt bleibt, die zudem seitlich auf einer Video-Projektion abgebildet ist. Offenbart die Bildregie hier per Nahaufnahmen und originellen Schwenks eine starke Affinität zur Musik, so erstaunt selbst den Konzert-Yunkie die hohe Tonqualität, aufs jeweilige Autoradio übertragen. Einzige Crux: Nach geraumer Weile streikt das Radio aus Sicherheitsgründen – und muss neu angestellt werden.

Autos während des Konzerts auf dem Messeparkplatz
Das Konzert vor Automobilisten in Offenbach war ein Volltreffer © -Georg

Schon Felix Mendelssohns Musik zu Shakespeares „Sommernachtstraum“, mit Katrin Glenz als eindrücklicher Rezitatorin, verwandelt den tristen Parkplatz in einen magischen Ort. Elfen scheinen vor dem geistigen Auge einen Reigen zu tanzen, klanglich pieksauber von delikatem Streicher-Legato und robusten Blechbläsertönen inszeniert. Der viel zitierte Hochzeitsmarsch stimmt optimistisch: die Ehe muss einfach glücklich sein.

Dann ist Zeit für Opern-Italianata, gezündet vom sizilianischen Tenor Sebastiano Lo Medico, der mit Verdi („Rigoletto“) überzeugend singt – „La Donna e mobile“ – O wie so trügerisch sind Weiberherzen. Mit einer der schönsten Liebesarien der Operngeschichte, „Donna non vidi mai“ aus Puccinis „Manon Lescaut“, wird sich dieser tenorale Routinier noch ausdrucksvoll in Szene setzen, der beim Opern-Edelschlager „Nessun dorma“ (aus Puccinis „Turandot“) das hohe C mühelos stemmt. Dann ist Crossover angesagt, auf das sich die Capitol-Sinfoniker besonders verstehen, die beim Zirkusmarsch des Filmkomponisten Nino Rota heftig Gas geben.

Ihr samtiges, expressives Stimmvermögen leiht Katrin Glenz den Simon & Garfunkel-Bestsellern, „Sound Of Silence“, „Scarborough Fair“ und „Bridge Over Troubled Water“. Beim spätromantischen Klangschwelgen der Orchesterbearbeitung von Dirigent Lloyd-Gonzalez ist Gänsehaut-Feeling angesagt.

Zum Hauskomponisten der Capitol Symphoniker ist Sven Helbig avanciert, dessen „Agnus Dei“ beim Konzert in der Orchester-Version uraufgeführt wird, ein durch Tonfelder tiefen Leids schweifender Hymnus. Zum melancholischen Walzer aus „Tres Momentos“ gibt’s auf der Video-Leinwand ein Puppenspiel. Und bei den kleinen, aber ausdrucksstarken Pocket Symphonies übernimmt der Komponist selbst den Elektronik-Part – der benachbarte Robert Johnson Club rückt da sehr nahe. Den hohen musikalischen Anspruch des Capitol-Open-Airs unterstreicht zudem die „Jupiter Hymn“ aus Gustav Holsts „Planeten“.

Dass die Einnahmen für einen guten Zweck gespendet werden, ist den Unterstützern Messe Offenbach, Heberger GmbH und Kulturfonds Frankfurt Rhein Main zu verdanken. Wahrlich ein Lichtblick für Solisten, Musiker und Zuhörer in trüben Corona-Zeiten. Das giert nach Wiederholung!

Von Klaus Ackermann

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