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Berufliche Existenz gefährdet

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Von: Matthias Dahmer

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Rund 160 Berufsbetreuer gibt es in Stadt und Kreis. Zu ihren Aufgaben zählt auch die Beratung.
Rund 160 Berufsbetreuer gibt es in Stadt und Kreis. Zu ihren Aufgaben zählt auch die Beratung. © dpa

Gesetzliche Betreuer warten seit Monaten auf Vergütung vom Amtsgericht Offenbach

War es in der Vergangenheit eine Vielzahl von Einzelfällen, so klagt jetzt gleich ein ganzer Berufsstand über die Zustände am Amtsgericht Offenbach: Die rund 160 gesetzlichen Betreuer in Stadt und Kreis Offenbach warten teilweise seit Monaten auf ihre Bezahlung.

Die ausstehenden Beträge bewegen sich nicht selten im fünfstelligen Bereich, einige sehen sich in ihrer beruflichen Existenz bedroht oder haben ihren Job bereits aufgegeben. Das Amtsgericht bedauert die Situation und begründet die Verzögerungen mit krankheitsbedingten Ausfällen und einer hohen Personalfluktuation.

Für Christel L. (Name von der Redaktion geändert) ist das Ganze eine „Riesen-Schweinerei“. Die diplomierte Sozialarbeitern ist seit 2009 als freiberufliche gesetzliche Betreuerin in den Kreisen Offenbach und Darmstadt-Dieburg tätig. Wegen der ausbleibenden Zahlungen aus Offenbach hat sie wiederholt Dienstaufsichtsbeschwerde gestellt, gebessert habe sich bislang nichts.

„So kann man nicht wirtschaften, das Gehalt ist nicht planbar“, sagt sie. Pro Klient werde quartalsweise abgerechnet, dann warte man üblicherweise einen Monat auf die Auszahlung. „Das heißt, ich trete schon im Normalfall bei einem neuen Klienten vier Monate in Vorkasse“, rechnet L. vor. Derzeit seien bei ihr mehr als 3 000 Euro offen, sie kenne aber auch Fälle, bei denen mehr als 25 000 Euro aufgelaufen seien.

Bei der Interessengemeinschaft der gesetzlichen Berufsbetreuer in Stadt und Kreis Offenbach kann man das alles nur bestätigen: Außenstände in fünfstelliger Höhe seien keine Ausnahme, die Zahlungsmoral des Amtsgerichts nehme für einige existenzbedrohende Ausmaße an, heißt es. Zugleich wird auf ein besonderes Problem hingewiesen: Der Vergütungsanspruch eines berufsmäßigen Betreuers sei nur schwer durchsetzbar. Es werde ein Antrag bei Gericht gestellt, Mahnungen oder Verzugszinsen seien nicht vorgesehen.

Andererseits gehe es nicht nur um die Vergütung der Betreuer. Auch den Betreuten entstünden durch die schleppende Arbeitsweise des Gerichts Nachteile. So habe beispielsweise eine Seniorin ihre Wohnung verloren, weil die Bearbeitung ihres selbst gestellten Antrags auf Betreuung eineinhalb Jahre gedauert habe. Die Interessengemeinschaft prognostiziert: Wenn sich nicht ändere, werde das Amtsgericht massive Probleme bekommen, Betreuer zu finden.

Das Amtsgericht Offenbach sei sich seiner Verantwortung bei der Auszahlung der Betreuervergütungen mit Blick auf die wirtschaftliche Situation der Betreuerinnen und Betreuer bewusst, sagt Pressesprecher Andreas Gimmler. „Die trotz aller Anstrengungen entstandenen Rückstände bei der Bearbeitung der Anträge und die daraus resultierenden negativen Folgen für diese im Betreuungsrecht äußerst wichtige Berufsgruppe bedauern wir sehr.“

Die Ursache für die Rückstände seien insbesondere krankheitsbedingte Ausfälle und eine hohe Personalfluktuation. „Allein im letzten Jahr haben wir in der Betreuungsabteilung drei Vollzeitarbeitskräfte verloren. Ebenso standen uns 2022 drei Rechtspfleger nicht mehr zur Verfügung“, berichtet Gimmler.

Die Gründe für die Abgänge seien vielfältig. Sie reichten von dem Beginn einer anderen Ausbildung im Bereich der Justiz bis zum Ausscheiden aus dem Beamtenverhältnis. Eine Nachbesetzung der vakanten Stellen sei nicht immer zeitnah möglich gewesen. Bekanntermaßen seien Rückstände nicht nur in der Betreuungsabteilung zu verzeichnen, weshalb interne Personalverschiebungen nur eingeschränkt möglich gewesen seien. „Gleichwohl haben wir nichts unversucht gelassen, die Stellen nachzubesetzen und dem Entstehen von Rückständen bestmöglich entgegenzuwirken. So wurden in der Betreuungsabteilung – wie auch in anderen Abteilungen des Gerichts – Wochenendarbeit und Überstunden geleistet. Zudem erfolgte die Unterstützung durch andere Abteilungen.“ Es bestünden allerdings weiterhin Rückstände.

Der für die Abteilung verantwortliche Richter stehe deswegen mit der Interessenvertretung der Berufsbetreuer in ständigem Kontakt, sagt Andreas Gimmler.

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