Stellen in Offenbach: Biotechunternehmen schafft bis zu 1500 Arbeitsplätze
Arbeiten in Offenbach: Biotech-Unternehmen schafft neue Stellen. Die Geschäftsführer Sylvia Wojczewski und Hüseyin Aygün im Interview.
Offenbach – Der Innovationscampus wird Produktionsort für zukunftsweisende Chemiefabrikation des Biotech-Unternehmens Bio-Spring. Die Geschäftsführer Sylvia Wojczewski und Hüseyin Aygün berichten über ihre Pläne.
Wie wurden Sie auf Offenbach aufmerksam?
Wojczewski: Unser Offenbacher Wirtschaftsprüfer hat uns auf mögliche Industrieflächen aufmerksam gemacht und uns die Handynummer des Oberbürgermeisters gegeben.
Aygün: Im Lauf des Gesprächs hat sich für die Stadt gezeigt, dass wir größere Flächen benötigen. Flächen, auf denen wir Chemie betreiben können. Das musste schon ein Areal mit einer entsprechenden Fläche sein.
Wojczewski: Als wir sagten, dass wir die Fläche ziemlich schnell brauchen, hat Felix Schwenke den Innovationscampus ins Spiel gebracht. Er hat wirklich rasch reagiert, das war eine sehr gute Kommunikation.
Aygün: Man merkt, dass er etwas bewegen möchte, das kommt in Gesprächen immer wieder rüber.
Was ist der Vorteil des Innovationscampus?
Wojczewski: In Offenbach haben wir ein eigenes Grundstück und die Möglichkeit, schnell Entscheidungen zu treffen. Wir sehen großen Bedarf in Zukunft – in Offenbach haben wir die Möglichkeit für langfristige Planung und kontinuierliche Erweiterung.
Aygün: Wir investieren aber auch weiter in Frankfurt. Wir haben einzigartige Produkte – da ist es wichtig, dass die Lieferkette nicht abreißt, die muss sicher sein.

Arbeitsplätze in Offenbach: Produktion soll im Jahr 2025 beginnen
Wie sieht der Zeitplan aus?
Aygün: Wenn es gut läuft, beginnt der Bau des ersten Werks Ende des Jahres, die Hauptbautätigkeit ist nächstes Jahr. Die Produktion soll 2025 beginnen.
Wojczewski: 2026/27 soll Baubeginn für das zweite Werk sein – aber da ist die Planung noch nicht so weit.
Stichwort Verkehr: Was wird für Anlieferung und Abtransport erwartet?
Aygün: Geplant ist eine Produktionsanlage, die wird von Anfang an nicht Volllast fahren. Der Verkehr hängt davon ab, wie stark die Produktion ist. Am Anfang ist mit ein bis drei Lkw-Ladungen in der Woche zu rechnen. Wenn die Produktion steigt, steigt auch diese Zahl. Die Pakete für die fertigen Wirkstoffe sind aber eher klein, wenn die abgeholt werden.
Gibt es Überlegungen für eine Zusammenarbeit mit Samson?
Aygün: Es gibt sehr fruchtbaren, positiven Kontakt mit Samson, wir haben vereinbart, uns abzustimmen, um mögliche Synergien zu besprechen. Die klimatisierten Reinräume, die wir im ersten Abschnitt bauen, brauchen viel Energie. Wir erwägen momentan, Fernwärme zu nutzen, Fotovoltaik und Wind evaluieren wir gerade. Wichtig ist, dass konstant ausreichend Energie vorhanden ist, der Betrieb darf nicht durch Schwankungen unterbrochen werden. Wir arbeiten mit Lösungsmitteln, da wir Nukleinsäuren auf chemischem Wege produzieren. Ab einer gewissen Menge werden wir uns Konzepte überlegen, wie man diese zurückgewinnen kann. Aktuell ist es Abfall, aber ab einer gewissen Menge wird sich für uns ein Recycling von Lösungsmitteln lohnen – das ist richtige Pionierarbeit.
Konzern will nach Offenbach: Einige Teile sollen verlegt werden
Werden Sie den Firmensitz nach Offenbach verlegen?
Wojczewski: Es ist geplant, bestimmte Teile der Konzerngesellschaften nach Offenbach zu verlagern.
Bitte geben Sie einen kurzen Ausblick ...
Aygün: Bei einigen unserer Kunden ist es so weit, dass die Zulassung ihrer Produkte bevorsteht. Wir warten natürlich, da wir dann die Wirkstoffe produzieren können. Gerade das zweite Werk in Offenbach wird mit Blick auf den künftigen Bedarf geplant.
Produktion in Offenbach: Wirkstoff gegen Nierensteine soll hier entstehen
Was genau stellt Bio-Spring denn her?
Wojczewski: Wir stellen synthetische Nukleinsäuren her, die gegen viele Erkrankungen als Wirkstoffe eingesetzt werden. Sie kommen aber auch in Forschung oder Diagnostik zum Einsatz, um Krankheiten nachzuweisen. Insbesondere zur Verwendung als neue Art von Wirkstoffen laufen derzeit viele klinische Studien. Es geht dabei um Interaktion mit den Genen oder anderen Genprodukten. Ein besonderes Einsatzgebiet ist die Gentherapie: Stichwort Gen-Schere.
Aygün: Da geht es darum, dass viele Krankheiten genetische Ursachen haben. Manche Menschen bekommen bestimmte Veränderungen vererbt. Das führt dazu, dass beispielsweise neuronale, Stoffwechsel- oder Muskelerkrankungen entstehen. Und diese Art Erkrankungen ist auf konventionelle Art häufig schwer oder gar nicht behandelbar, mit teils fatalen Folgen wie sehr starker gesundheitlicher Beeinträchtigung bis hin zum Tod, häufigen Krankenhausaufenthalten und/oder lebenslanger Einnahme von Medikamenten. Nun gibt es die Möglichkeit, mithilfe der Gen-Schere Defekte zu korrigieren, einen alternativen Behandlungsweg anzubieten.
Was ließe sich denn so behandeln?
Aygün: Es gibt Krankheiten, bei denen der Körper Nierensteine in erheblichem Umfang produziert, dass die Niere schließlich zerstört wird. Das führt dazu, dass Kindern relativ früh Nieren transplantiert werden. Solche genetisch bedingten Krankheiten kann man mit der Gen-Schere behandeln. Vor zehn Jahren gab es diese Einsatzmöglichkeiten noch nicht, das alles ist relativ neu. 2020 ist der Nobelpreis für diese Technologie an Emmanuelle Charpentier und Jennifer Doudna verliehen worden, die diesen Ansatz erst ermöglicht haben.
Biotech in Offenbach: Einsatzgebiet ist nicht ausgeschöpft
Bio-Spring stellt aber nicht die Medikamente her, sondern den Wirkstoff.
Wojczewski: Richtig, nicht das Endprodukt, der Wirkstoff wird von uns hergestellt. Unsere Kunden sind Biotech- und Pharma-Unternehmen weltweit. Gerade aus der Biotech-Sparte kommt ein Großteil unserer Kunden, die sind extrem innovativ.
Das Einsatzgebiet ist somit nicht ausgeschöpft.
Wojczewski: In den letzten drei, vier Jahren hat sich sehr viel entwickelt, es gibt viele Studien zu unterschiedlichen Erkrankungen – wir werden in den kommenden Jahren also viele neue Ansätze haben, diese zu behandeln. Der Einsatz von Gen-Scheren bietet sogar die Möglichkeit, Krankheiten vollständig zu heilen.
Aygün: Ganz konkret: Wenn jemand erblich bedingt einen sehr hohen Cholesterinspiegel hat, gibt es Medikamente. Die müsste er sein Leben lang nehmen, mit zahlreichen Nebenwirkungen. Das ließe sich mithilfe dieser Technologie ein für alle Mal beheben.
Wojczewski: Diese Techniken haben das Potenzial, die Medizin zu verändern. Wir haben die Zelle, da ist die Gen-Information drin, über die werden in mehreren Schritten Eiweiße produziert, und die können krank machen, oder sie fehlen. Daraufhin wird versucht, die Zelle so zu programmieren, dass sie etwa krankmachende Eiweiße nicht herstellt oder dass die fehlenden Eiweiße wieder produziert werden – um die Menschen gesundzumachen.
Gründung im Jahr 1996: „Das Gründen ist gar nicht schwer“
Sie haben das Unternehmen mit vier Kommilitonen noch während der Promotion gegründet: Wie kam es dazu?
Wojczewski: Das war 1996, wir waren zu sechst an der Goethe-Universität in Frankfurt und haben gesehen, dass sich weltweit etwas in Sachen Biotech tut und dass es ein interessanter Zukunftsmarkt sein könnte. Die Moleküle haben wir in unserer Diplom- und Doktorarbeit hergestellt und beobachtet, dass ein gewisser Bedarf an Forschungsinstituten herrschte. Erst später haben wir auf den industriellen Sektor geschaut. Wir haben alle etwas beigesteuert und 1997 eine GmbH gegründet.
Aygün: Nach etwa zwei Jahren haben sich unsere Mitgründer anderen Herausforderungen gewidmet, und wir haben das Unternehmen dann zu zweit weitergeführt.
Wie schwierig war die Unternehmensgründung?
Wojczewski: Das Gründen ist gar nicht schwer, aber das Drumherum, der ganze bürokratische Kram. Das ist gerade zu der Zeit schwer, wenn man sich noch selbst um alles zu kümmern hat. Etwa wenn Statistiken abgegeben werden müssen. Da fragt man sich schon, ob all das sein muss. Man redet ja immer vom Bürokratieabbau, aber da ist noch viel zu tun.
Die Unternehmensgründer
Die gebürtige Frankfurterin Sylvia Wojczewski (52) hat wie Hüseyin Aygün (54) an der Frankfurter Goethe-Universität Chemie studiert und wurde dort promoviert. Aygün ist in Istanbul geboren und lebt seit 1974 in Frankfurt. Informationen unter biospring.de
Unternehmen kommt nach Offenbach: Gründungszeitraum hat Namen beeinflusst
Wie kam es zum Namen Bio-Spring?
Aygün: Wir haben zu sechst überlegt, wie wir das Unternehmen nennen wollen. Wir haben Biotechnologie gemacht, und da gerade Frühlingsanfang war, haben wir „Spring“, Frühling, gewählt. Der Name kommt gerade in Japan sehr gut an.
Wie war der Anfang?
Aygün: Wir haben unser Geld in einen Syntheseautomaten gesteckt und konnten sofort Produkte generieren, die sich verkaufen ließen. Wir haben alles aus unseren Umsätzen heraus generiert und konnten so wachsen.
Wojczewski: Wir haben sehr viel im Labor gestanden und die Moleküle selbst hergestellt.
Und wann wurde aus der kleinen Firma das große Unternehmen?
Wojczewski: Als wir gesehen haben, dass der Bedarf für den pharmazeutischen Sektor da ist – so um 2006.
Aygün: Ja, etwa zehn Jahre nach der Gründung.
Wojczewski: Zum Industriepark Fechenheim sind wir aber bereits 2000 gezogen. Vorher hatten wir an der Uni ein Labor gemietet. Ein fensterloses Labor. (lacht) Unser Doktorvater Joachim Engels hatte uns diese Möglichkeit verschafft. Er hat uns sehr unterstützt in dieser Phase.
Wie wuchs die Mitarbeiterzahl?
Wojczewski: Anfangs haben wir mit zwei, drei Mitarbeitern gearbeitet, deren Zahl wuchs Jahr für Jahr. Die letzten sechs Jahre sehr schnell, heute haben wir knapp 500 Mitarbeiter.
Mit den neuen Werken in Offenbach, wie viele Mitarbeiter wird es geben?
Wojczewski: Für den ersten Abschnitt, den wir bauen, wird es 200 zusätzliche Mitarbeiter in Offenbach geben. Das sind alles neue Arbeitsplätze, die entstehen, denn unser Standort in Fechenheim bleibt erhalten und wird ebenso ausgebaut. Sehr langfristig gedacht, wenn man die ganze gekaufte Fläche betrachtet, werden es etwa 1500 neue Mitarbeiter für Offenbach werden. Wir werden Arbeitsplätze im naturwissenschaftlichen Bereich schaffen, wir werden Laboranten Pharmazeuten, Chemiker, Biologen, aber auch Logistiker, IT’ler, Elektriker und Kaufleute brauchen.
Aygün: Unser Gebiet ist so speziell, dass niemand, der bei uns in der Produktion oder in der Qualitätskontrolle anfängt, ob Chemiker oder Biochemiker, sofort das mitbringt, was wir brauchen. Das braucht sicher zwei Jahre, bis man alles verlässlich durchführen kann. Wir arbeiten mit so außergewöhnlichen Techniken, die muss man erst erlernen.
(Interview: Frank Sommer)
Unternehmen in Offenbach wünschen sich größeres Energie-Angebot.