Birgit Schmidts Studio „Fantasy Nails“ war eines der ersten in Offenbach

Auf der Fensterbank stehen Orchideen, weiß und lila, die Regale sind gefüllt mit Taschen und Schmuck, mit Pflege- und Nagelprodukten, mit allerlei Dekoartikeln, Figuren aus Zeichentrickfilmen, Plüschtiere. Einiges davon braucht Birgit Schmidt für ihre Arbeit im Nagelstudio, manches bietet sie zum Verkauf an, vieles steht da, weil es ihr gefällt. Von Minimalismus ist bei „Fantasy Nails“ in der Waldstraße 66 keine Spur.
Offenbach – An diesem Tag noch weniger als sonst, denn gerade erst hat Birgit Schmidt den 25. Geburtstag ihres Geschäfts gefeiert. Die Überreste: Blumensträuße in Zellophanfolie, Sektflaschen und Geschenke, dazwischen pinkfarbene und schwarze Luftballons. Zwei große pink-glänzende Folienballon, eine 2 und eine 5, schweben über allem. Mittendrin Birgit Schmidt, blondes Haar, strahlendes Lachen, pink bemalte Lippen und gut fünf Zentimeter lange Fingernägel, Türkis mit reichlich Glitzer.
Stolz zeigt die gebürtige Frankfurterin, die seit 40 Jahren in der Nähe des Offenbacher Hauptbahnhofs lebt, was Freunde und Kundinnen ihr zum Jubiläum mitgebracht haben. „Das ist doch unfassbar“, sagt Birgit Schmidt. Ihre Augen glänzen dabei feucht, immer wieder kommen ihr die Tränen, wenn sie über ihr Nagelstudio, ihre Kundinnen, ihren Traum, den sie sich mit dem eigenen Laden verwirklicht hat, spricht.
Seit zweieinhalb Jahrzehnten macht die 57-Jährige nun schon Nägel. Maniküre, Nagelmodellage, French Nails, Lackieren, das ganze Programm. Und sie ist mit Leib und Seele bei der Sache, das ist nicht zu übersehen. 25 Jahre. Birgit Schmidt schüttelt ungläubig den Kopf. Geplant war es nicht, als sie 1996 zum Nageldesign kam. Zuvor hatte Birgit Schmidt in der Gastronomie gearbeitet und in der Teppichdomäne am Kaiserlei. „Ich hatte viele Jobs. Bis 25 war ich ein bisschen flippig, aber ich wusste immer: Wenn du kein Geld verdienst, kannst du keine Miete bezahlen.“ Eine Freundin machte damals hauptberuflich Nägel, sie selbst interessierte sich auch dafür, zauberte immer wieder besondere Kreationen auf die eigenen Hände. Darauf sei sie auch angesprochen worden. Dann kam eines zum anderen: „Durch Zufall entdeckte ich im Vorbeifahren einen freien Laden an der Senefelderstraße“, erzählt Birgit Schmidt. Ein neuer Mieter wurde gesucht, sie notierte sich die angegebene Telefonnummer mit Lippenstift. Kurz darauf unterzeichnete Birgit Schmidt den Mietvertrag, meldete sich zu einem Lehrgang an. „Da habe ich alles von der Pike auf gelernt.“ Trotz Prüfungsangst und den Verpflichtungen, die sie als junge Mutter ihres damals vierjährigen Sohns hatte, bestand sie die Abschlussprüfung. „Mit Bravour“, betont Birgit Schmidt.
Im September 1996, als der Laden eingerichtet und die nötigen Prüfungen abgelegt waren, eröffnete das Nagelstudio an der Senefelderstraße. „Da gab es allerdings viele Probleme. Ich habe mein Lehrgeld gezahlt“, sagt die Nageldesignerin, die von sich selbst nur als „Nageltante“ spricht. Schon anderthalb Jahre später ging es darum in die Waldstraße 66, wo „Fantasy Nails“ bis heute zu finden ist. Wieder Tränen. „Und das ist mein Leben.“ Nach wie vor.
Auch wenn das Geschäft mit den Fingernägeln längst nicht mehr das ist, was es einmal war. „Als ich angefangen habe, gab es außer mir nur fünf, sechs andere Studios in der Stadt“, erzählt Birgit Schmidt. Vor 15 Jahren sei es losgegangen, ein Nagelstudio nach dem anderen eröffnete, betrieben meistens von Asiaten. Mittlerweile gibt es sie zuhauf. „Das habe ich schon sehr gemerkt.“ Mit besonders günstigen Preisen hätte die Konkurrenz damals schon gelockt, den Kundinnen dafür aber auch keine Qualität geboten. „Da standen dann einige bei mir vor der Tür, total stinkig, weil schon einen Tag später mehrere Kunstnägel abgefallen waren“, erinnert sich Birgit Schmidt und lächelt zufrieden. Denen habe sie dann ihre Parade-Nägel gemacht und so einige neue Kunden gewonnen. „Das ist für mich keine Konkurrenz.“
Doch nicht nur die Qualität ihrer Arbeit sei es, die viele ihrer Kundinnen seit Jahren überzeugt, da ist sie sich sicher. „Die sagen immer, es ist auch der Mensch. Das Wohlfühlen hier im Laden.“ Für jede Kundin nimmt sich Birgit Schmidt gute anderthalb Stunden Zeit. Zur Nagelpflege, aber auch zum Plaudern. „Da wird gebabbelt, noch ein Käffchen getrunken, manchmal auch ein Sektchen“, erzählt sie. Längst seien ihre Stammkundinnen Familie geworden. „Wir lachen und weinen hier gemeinsam.“ Sie wisse alles über die Frauen, deren Nägel sie seit Jahren bearbeitet. „Ich weiß Bescheid über Arbeit, Kinder und den Liebhaber.“ Natürlich gelte absolute Schweigepflicht, versichert Birgit Schmidt. Sie selbst sieht sich nicht nur in der Rolle der Nageldesignerin, sondern auch als Psychologin. Aber genau das ist es, was ihr gefällt: arbeiten, anpacken, aber eben auch die Gespräche mit Menschen.
Freitags und samstags steht sie darum außerdem auf dem Wochenmarkt, am Kartoffelstand von Freunden. „Zum Ausgleich“, sagt sie. Die ausgefallenen Fingernägel seien dabei überhaupt kein Problem, das sei sie schließlich gewohnt. „Im Moment sind die ja schon sehr kurz.“
Geht es nach Birgit Schmidt, kann all das so noch einige Jahre weitergehen. Sie ist zufrieden. Mit sich, ihrer Arbeit, dem Leben. Ans Aufhören verschwendet sie keinen Gedanken. „Ich bin ja noch viel zu jung.“ (Von Lena Jochum)