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Hessischer Film- und Kinopreis in Offenbach verliehen

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Von: Lisa Berins

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Zahlreiche Filmemacher erhalten im Capitol in Offenbach den hessischen Film- und Kinopreis.
Zahlreiche Filmemacher erhalten im Capitol in Offenbach den hessischen Film- und Kinopreis. © Sven-Sebastian Sajak

Roter Teppich in Offenbach: Am Freitagabend wurde der Hessische Film- und Fernsehpreis im Capitol verliehen. Zur Gala, die mit 350 geladenen Gästen kleiner als normal ausfiel, kam auch Oscar-Preisträger Volker Schlöndorff.

Offenbach – Klack, klack, klack – festlich zurechtgestriegelte Menschen werfen sich vor den Pressefotografinnen und -fotografen in Pose. Hier noch ein Lächeln, dort ein kecker Blick in die Kamera. Auf dem Roten Teppich, der drinnen, in der Eingangshalle des Offenbacher Capitols ausgerollt ist, führen sich Schauspielerinnen wie Jasna Fritzi Bauer, Anne Ratte-Polle und Darsteller Adnan Maral vor. Das Publikum verfolgt das Geschehen eher gelassen – Fans oder Selfiejäger, die sich gewöhnlich an die Absperrung drängen, gibt es diesmal nicht.

350 Besucherinnen und Besucher waren am Freitagabend zur Verleihung des Hessischen Film- und Kinopreises geladen, in einem Livestream konnten sich Interessierte von zuhause aus zuschalten. Es war ein ungewöhnlich kleiner Rahmen, gemessen an dem sonst bis zu 1000 Leuten zählenden Event in der Alte Oper Frankfurt. Nachdem die Gala im vergangenen Jahr aufgrund der Infektionslage ausfallen musste, verlegten die Veranstalter – das Hessische Ministerium für Wissenschaft und Kunst – sie einmalig in die kleinere Offenbacher Location. Am Eingang mussten die Besucherinnen und Besucher ihre Impf- oder Genesenennachweise zeigen. Dann durften sie die Masken abnehmen – ein großer Schritt in Richtung „normal Business“.

Film- und Kinopreis in Offenbach: Schlöndorff blickt auf seine Anfänge in Wiesbaden zurück

Es seien die „härtesten zwei Jahre“ der Branche gewesen, sagte Kunst- und Kulturministerin Angela Dorn (Grüne) auf der Bühne, rund drei Stunden, bevor die Gastgeberin nonchalant die Tanzfläche eröffnete. Man habe sich „extrem angestrengt“ den Filmschaffenden unter anderem durch Förderprogramme zu helfen. Umso wichtiger, dass sich alle nun wieder treffen konnten: die Schauspielerinnen, Produzenten, Regisseurinnen, Drehbuchautoren und die Kinobetreiberinnen. 

Noch bevor das Schaulaufen auf dem Roten Teppich begann, spielte sich das Geschehen in einer hinteren Ecke des Foyers ab. Filmkameras waren auf Regie-Legende und Oscar-Preisträger Volker Schlöndorff gerichtet, der an diesem Abend den Ehrenpreis des Ministerpräsidenten entgegennahm und dazu persönlich in Offenbach erschien. „Ehrlich gesagt hatte ich gedacht, dass ich diesen Preis schon bekommen hätte“, kokettierte der Regisseur gegenüber unserer Zeitung. Er habe ihn wohl mit dem vor 30 Jahren überreichten Kulturpreis des Landes Hessen verwechselt. Die Freude über den Ehrenpreis war dem 1939 in Wiesbaden geborenen Filmemacher und selbsternannten „Berufshessen“ anzusehen, als er bei der feierlichen Übergabe die Stufen zur Bühne hochtänzelte und den Preis – einen kubistisch wirkenden Löwen – in Siegerpose gen Himmel reckte. Zuvor hatten ihn unter anderem Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) in einer Videoansprache als „großen intellektuellen Geist“ für sein künstlerisches und gesellschaftsrelevantes Lebenswerk geehrt und der Schauspieler Ulrich Matthes ihn in einer Videobotschaft verbal „geknuddelt und geherzt“. In seiner Dankesrede blickte Schlöndorff vor allem auf seine künstlerischen Anfänge in Wiesbaden zurück. „Es ist eigenartig, am Ende der Karriere den Wink mit dem Zaunpfahl zu bekommen“, sagte der Regisseur. 

Film- und Kinopreis in Offenbach: Aliaksei Paluyan erhält erhält Newcomer-Preis

Apropos Ende. Die Moderatorin Bärbel Schäfer und ihr Bühnenkollege, der Frankfurter Schauspieler und Autor Rainer Ewerrien, sorgten für ein zügiges Tempo der Preisverleihung. Kurzweilig war der Auftritt des Offenbacher Regie-Shootingstars Brenda Lien, die als Laudatorin davon berichtete, wie „depressiv und broke“ sie sich in der Zeit des Lockdowns gefühlt habe und dass der mit 7 500 Euro dotierte Newcomerpreis, den sie 2020 erhalten hatte, ihr als „Finanzspritze“ sehr gut geholfen habe. „Danke noch mal dafür“, sagte die 26-Jährige mit ungespielter Lässigkeit. . Ihr neuer Film „First Work, Then Play“ war dieses Jahr als bester Hochschulabschlussfilm nominiert. Ausgezeichnet wurde in dieser Kategorie dann Tobias Sauer für seinen Recherche-Film „Die Kafka-Konferenz“.

Als der Nachwuchs-Regisseur zur Rede antrat, drohte die getaktete Kurzweil zu kippen und der Geehrte in einer Endlos-Dankesschleife zu versacken. Während ihm Rainer Ewerrien scherzhaft das Mikrofon zu demontieren versuchte, verpasste Sauer der Show überraschend seine Pointe: „Schade, dass Volker Bouffier nicht da ist. Ich hätte ihn gerne gefragt, wie es damals war mit dem NSU und dem Verfassungsschutz.“

Osar-Preisträger Volker Schlöndorff erhält beim Film- und Kinopreis im Capitol in Offenbach einen Ehrenpreis.
Osar-Preisträger Volker Schlöndorff erhält beim Film- und Kinopreis im Capitol in Offenbach einen Ehrenpreis. © Sven-Sebastian Sajak

Politischer Mut stand hinter vielen der nominierten Filme und Dokumentationen, die an diesem Abend zur Wahl standen. Den Newcomer-Preis nahm der aus Belarus stammende und in Kassel arbeitende Aliaksei Paluyan für seinen Dokumentarfilm „Courage“ entgegen, in dem es um eine Minsker Untergrund-Theatergruppe und die Auflehnung gegen das Lukaschenko-Regime geht. Der Film war in diesem Jahr auch bei der Berlinale eingeladen. Paluyan, der 2019 schon mit dem Hessischen Filmpreis für den besten Kurzfilm ausgezeichnet worden war, nutzte seine Dankesrede, um auf politische Gefangene in Belarus aufmerksam zu machen und zum Protest aufzurufen – mittels einer Postkartenaktion, deren Utensilien die Gäste beim Verlassen des Saals in die Hand gedrückt bekamen.

Film- und Kinopreis in Offenbach: Doku „The Other Side of the River“ bald im Kino

Die zwei Hauptpreise, jeweils mit 20 000 Euro dotiert, gingen an ebenfalls couragierte Regisseurinnen, die mit ihren Arbeiten gesellschaftskritische Themen in den Fokus rückten. Den besten Film in der Kategorie Spielfilm lieferte nach Meinung der Jury die Regisseurin Lisa Bierwirth mit ihrem Debüt „Le Prince“. Die Geschichte spielt im Frankfurter Bahnhofsviertel, wo bei einer Razzia zwei Welten aufeinanderprallen – die einer weißen Kuratorin und die eines kongolesischen Diamantenhändlers. Eine Liebesgeschichte entwickelt sich, in der die Protagonisten mit fremden Weltbildern, Misstrauen und Vorurteilen in einem angeblichen toleranten Umfeld kämpfen. Inspiriert habe sie die Geschichte ihrer Mutter, die mit einem Mann aus dem Kongo liiert ist, erzählte die Regisseurin. Während des Drehs sei sie selbst oft „ihren eigenen Vorurteilen aufgesessen“ – und sie wünschte sich, dass die Menschen sich im Umgang miteinander dahingehend stärker überprüften.

Die Kasseler Filmemacherin Antonia Kilian überzeugte die Jury mit „The Other Side of the River“ in der Kategorie Dokumentarfilm. Darin erzählt sie die Geschichte der 19-jährigen Hala, die vor einer Zwangsheirat davonläuft und sich im Nordosten Syriens einer kurdischen Frauenmiliz anschließt. Für den Dreh lebte Kilian ein Jahr im Autonomiegebiet Rojava. Der Film ist auf der Shortlist für den Europäischen Filmpreis 2021, der im Dezember in Berlin verliehen wird. In die deutschen Kinos komme er hoffentlich Anfang des nächsten Jahres, wie die Regisseurin sagte.

Film- und Kinopreis in Offenbach: Schlöndorff zeigt sich vom Capitol begeistert

Nach der Verleihung schaute sich Volker Schlöndorff anerkennend im Saal des Capitols um. Ihm gefalle es hier, sagte er. Jetzt, wo er wisse, dass das Gebäude einmal eine Synagoge gewesen ist, sogar noch mehr. Der Filmemacher und die Geschäftsführerin des Capitols, Birgit von Hellborn, tauschten Emailkontakte aus. Ob er wiederkomme? Schlöndorff mischte sich ins Gedränge an der Bar. „Ja, mit meinem neuen Film!“ – Das zumindest meinte man ihn durch die Geräuschkulisse sagen zu hören. (Lisa Berins)

Durch Corona kämpften viele Kinos in Offenbach und in der Region ums Überleben*. Die Besucherzahlen waren deutlich geringer als vor der Pandemie, viele haben Angst vor einem Besuch im Kino: „Die Zuschauer sind sehr verhalten und vorsichtig, sie haben großen Respekt“, so ein Kinobetreiber. *op-online.de ist ein Angebot von IPPEN.MEDIA.

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