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„Links kickt besser“: Über den Mythos vom unpolitischen Fußball

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Von: Julius Fastnacht

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Jonas Wollenhaupt liebt die Freiheit auf dem Platz
Jonas Wollenhaupt, Autor von „Links kickt besser“, fühlt sich selten so frei wie auf dem Bolzplatz. Ein Gefühl, das ihm im modernen Fußball immer mehr abhandenkommt. © Fastnacht, Julius

Bei der Vorstellung seines Buchs „Links kickt besser“ spricht Bald-Offenbacher Jonas Wollenhaupt über Katar-Kritik, kickende Arbeiter und Bolzplatz-Gefühle.

Frankfurt – Eine Aussage überrascht. „Ich wollte eigentlich gar nicht so viel über Katar reden. Die Kritik hat mich gelangweilt“, sagt Jonas Wollenhaupt, der bei den „Genusskomplizen“ an der Frankfurter Kleinmarkthalle sein kürzlich erschienenes Buch vorstellt. „Links kickt besser“, geschrieben gemeinsam mit Klaus-Dieter Stork. Zu offensichtlich sei der Diskurs gewesen. Durchdekliniert, wie der Ausverkauf des Fußballs selbst.

Ein Gedanke, der Wollenhaupt und Stork beim gemeinsamen Döneressen dazu veranlasst, ihre Gedanken zu sammeln. „Wir wollten nicht das 300. Buch über Kommerzialisierung im Fußball schreiben.“ Vielmehr versuchen die beiden zu zeigen: Da lebt noch ein anderes Spiel, eines, das befreiend wirkt.

„Links kickt besser“: Moderner Fußball bekämpft den Zufall

Klar, ganz kommt das Autoren-Duo nicht daran vorbei, über die Trends zu sprechen, die ihrem Lieblingssport schleichend das Leben aussaugen. Finden aber eine Perspektive, die den anderen Blick auf das Spiel freilegt. „Fußball hat einen großen Vorteil“, sagt Wollenhaupt, der bald selbst nach Offenbach-Buchhügel zieht. „Der Zufall spielt immer eine Rolle.“ Für ihn steht fest: „Er ist der Grund, warum Kickers-Fans auch 2022 mit Hoffnung in eine Partie gegen die Eintracht gehen würden.“

Die moderne Sport-Maschinerie stemmt sich dagegen, versucht Fußballwunder zu verhindern. So beschreibt das Buch, wie Silvio Berlusconi einst den Start der Champions League vorantrieb. Nämlich, um seinem AC Mailand ein Überwintern im internationalen Wettbewerb zu erleichtern. Egal ob mit dem Trend zur systematischen Datenanalyse oder dem Video Assisted Referee, das Element Zufall steht unter Beschuss.

Zu den Autoren

Klaus-Dieter „Kall“ Stork, wurde 1961 in Offenbach, nur 300 Meter vom Bieberer Berg, geboren. Lange Jahre war Stork Fachbereichsleiter und Kulturmanager der Stadt Hanau. Heute ist er vor allem eines: bekennender Fan des 1. FC Nürnberg.


Jonas Wollenhaupt, promovierter Soziologe, ist seit 2010 als Wissenschaftsjournalist tätig. Seine größten fußballerischen Erfolge feierte er mit Roter Stern Frankfurt: 2016 wurde er Meister der Bunten Liga Frankfurt. Nach eigener Aussage wechselt Wollenhaupt jetzt ans andere Ende des Mains: Mit seiner Familie zieht er nach Offenbach. (juf)

Buch über Fußball: Momente, in denen der Fußball anders tickte, gab es

Bei ihrer Mission, „das Linke im Fußball herauszukitzeln“, zeichnen Wollenhaupt und Stork vor allem nach: Die Momente, in denen der Fußball anders tickte, gab es trotzdem. Bevor vom DFB verschluckt, war es in Deutschland die selbst organisierte Arbeiterklasse, die dem Spiel einen eigenen Geist einhauchte. Körperlos, um Verletzungen zu vermeiden. Mit Torlinienrichter, der Fairness wegen. Und ohne Elfmeter-Tore, weil verpönt.

Ein ganzes Kapitel widmet das Buch dem Frauenfußball, zweifelt festgefahrene Weisheiten an. Kickerinnen waren nämlich schon mal in: Der „Dick, Kerr Ladies Football Club“ spielte in den 1920er Jahren in Liverpool vor über 50 000 Zuschauern – bis ihn der englische Fußballverband verbot. Fazit: „Ein eindeutiges Signal für den Fortschritt des Frauenfußballs haben wir immer dann, wenn Funktionäre, Journalisten oder Spieler sich beschweren.“

Vollgepackt mit Ideen ist das neue Buch.
Vollgepackt mit Ideen ist das neue Buch. © westend Verlag

„Links kickt besser“-Autor Jonas Wollenhaupt zieht bald nach Offenbach

Wollenhaupt, selbst regelmäßig auf dem Bolzplatz zu finden, weiß: „Es gibt wenige Momente, wo ich mich so frei fühle wie auf dem Platz.“ Mit dem Ball am Fuß entstehen Momente, die den Alltag vergessen lassen. Das ist es, wofür Wollenhaupt und Stork sensibilisieren wollen, am Ende sogar elf „Schüsse“ zur Rettung des Fußballs präsentieren.

Informationen zum Buch:

Titel: „Links kickt besser“

Erschienen im Westend Verlag

20 Euro, 240 Seiten

ISBN: 978-3864893827

Und auch der Katar-Kritik räumt Wollenhaupt dann doch eine wichtige Rolle ein. „Sie kann Katalysator sein.“ Sensibilisieren nicht nur dafür, was im Wüstenstaat falsch läuft, sondern im Fußball allgemein. Denn: „Immer mehr Fans begreifen, dass auch sie der Fußball sind.“ (Julius Fastnacht)

Der Förderverein für Offenbacher Fußballkultur stellt sich gegen die Fußball-Weltmeisterschaft in Katar. Im Interview äußern sich die Vorsitzenden zum Schritt.

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